EEK T3(2)714
POLITISCHE STIMMUNGSBERICHTE ALS FORSCHUNGSAUELLE DER SOZIAL - POLITISCHEN GESCHICHTE DER 20-ER JAHRE DES VORIGEN JAHRHUNDERTS
A.A. Dick, A.A. Slesin
Lehrstuhl für Geschichte und Philosophie, TSTU
Der Artikel ist von dem korrespondierenden Mitglied des Redaktionskollegiums Professor W.I. Konovalov vorgestellt
Schlüsselwörter und Phrasen: OGPU1, Archiv, politischen Stimmungen, politische Berichte, Denunziation.
Zusammenfassung: Der Artikel ist der Erforschungsmethoden der politischen Stimmungsberichte gewidmet. Die politischen Stimmungsberichte sind eine einzigartige Archivquelle der sozial -politischen Geschichte der Sowjetperiode und insbesondere der 20-er Jahre.
Leider bleiben viele Unterlagen der Geheimdienste aus den 20-er Jahren bis heute unzugänglich für die Forscher. Aber in den Beständen der Lokalräte, des Komitees der KPdSU (B)2, und ab und zu auch des Komitees des kommunistischen Jugendverbandes sind gelegentlich Unterlagen der lokalen Geheimdienstabteilungen (OGPU) zu finden. Der wissenschaftlicher Wert dieser Unterlagen besteht in den darin detailliert beschriebenen bedeutendsten Fakten zu den Ausschreitungen gegen die Machthabenden und der von offiziellen Richtlinien abweichenden Handlungen von Kommunisten und Komsomolzen. In der Regel ist dieser Art von Fakten in den Berichten über politische Stimmungen der Arbeiter und Bauern zu finden. In diesen maschinengeschriebenen Dokumenten wird berichtet, worüber die Menschen auf den Dorfversammlungen, am Arbeitsplatz, auf der Straße, auf dem Markt und auf den Komsomolversammlungen gesprochen haben. In der Regel unterscheiden sich diese Berichte von den Veröffentlichungen in den Massenmedien. Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung waren diese Berichte der OGPU geheim und es wurde nur eine begrenzte Anzahl an Kopien verteilt. Berichte über die politischen Stimmungen der Landbevölkerung wurden auch von den Gouvernements und Gebietsvertretungen der Partei und des kommunistischen Jugendverbandes regelmäßig erstellt. Dafür wurden die zahlreichen Briefe genutzt, die bei den lokalen Parteikomitees und bei den Redaktionen der regionalen Zeitungen eingingen. Da diese Briefe meistens Klagen waren, gibt der Inhalt die subjektive Position des Autors wieder. Die Briefe spiegeln die Meinung derjenige, die auf derzeitige Probleme aufmerksam machen wollten bzw. versuchten die Unterstützung
1 Zur Vereinigung der revolutionären Anstrengungen der Unionsrepubliken im Kampf gegen die politische und wirtschaftliche Konterrevolution, gegen Spionage und Bandenunwesen wird beim Rat der Volkskommissare der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken eine Vereinigte Staatliche Politische Verwaltung (OGPU) gebildet, deren Vorsitzender dem Rat der Volkskommissare der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken mit beratender Stimme angehört. ("Verfassung" der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 6. Juli 1923, Artikel 61).
2 Kommunistische Partei der Sowjetunion (Bolschewiki).
1044 ISSN 0136-5835. BecraHK TrTy. 2005. Tom 11. № 4. Transactions TSTU.
des Staatsapparates zu erlangen. Oft wird die Meinung geäußert, daß die Geheimdienste bewußt die Unzufriedenheit der Massen mit der Sowjetmacht beeinflussen. Nicht zu ignorieren: OGPU war daran interessiert, den verschärften Klassenkampf im Land zu betonen um den eigenen Einfluß im Staat zu befestigen. Dabei ist zu berücksichtigen, das diese Berichte nur einem begrenzten Personenkreis der Leitungsebene zugänglich waren und im allgemeinem der verbreiteten Meinungen entsprachen. Andererseits spiegelten diese geheime Informationen mehr oder weniger realistisch die tatsächliche Lage, da die Verfälschung der Informationen unter den zugespitzten sozialen Bedingungen die Stabilität des Regimes gefährden konnte. Die Organe der OGPU waren im wesentlichen unabhängig von der lokalen Führung und waren deswegen an der Verfälschung der Informationen nicht interessiert. Die politischen Stimmungsberichte können in zwei Ebenen aufgeteilt werden.
1 Die Ebene der objektiven Realität: und zwar die konkrete sozial - ökonomische und politische Situation, in der sich der Autor befindet.
2 Die persönliche Ebene: die Beziehung des Autors zu den Ereignissen, Tatsachen, Erscheinungen und zu den Menschen.
Die zweite Ebene macht die politischen Berichte zu einer wichtigen Quelle der Erforschung der politischen Sozialisierung.
Die politischen Berichte geben mehr oder weniger adäquat den kritischen Grad der realen sozialpolitischen Stimmungen wieder. Es ist nicht außer Acht zu lassen, daß während des Entstehungsprozesses eines totalitären Systems eine Aussprache aufeiner Versammlung, ein Brief an eine Zeitung oder eine Regierungsvertretung oft als eine der wenigen Möglichkeiten scheint, die negative Situation zu beeinflussen. Vermutlich deswegen ist die kritische Betonung der Reden auf Versammlungen, der schriftlichen Beschwerden und der Anträge im Vergleich zu den alltäglichen Einstellungen stärker ausgeprägt. Andererseits ist es auch offensichtlich, daß eine negative Einstellung gegenüber der sowjetischen Realität in totalitäre Umgebung durchaus gefährlich und die besonders kritische öffentliche Äußerungen sehr verhalten waren. Diese gegensätzliche Tatsachen haben dazu geführt, das die politischen Stimmungsberichte ein relativ adäquates Abbild der sozialpolitischensituation ergaben. Zumindest geht daraus die Existenz einer breiten Palette von Meinungen zu verschiedensten Fragen klar hervor.
Politberichte und verschiedene Formen der Appellation der Bürger an die Machtstrukturen (wie Briefe, Anträge, Klagen, Vorschläge und Projekte) zeigen sehr deutlich das Verhältnis der Bevölkerung zu den Subjekten des politischen Systems und zu den einzelnen politischen Führungspersönlichkeiten. Diese Unterlagen decken die wesentlichen Probleme der gesellschaftlichen Entwicklung auf (im Vergleich zu den Propagandaklischees der öffentlichen Institutionen) und die Hierarchie der Werte, die Prioritäten, die sich in den Inneren des öffentlichen Bewußtseins entwickeln.
Die Ausdrucksweise der Autoren zeugt nicht nur über das Niveau der allgemeinen und politischen Kultur, sondern spiegelt auch die Aufnahmefähigkeit verschiedener gesellschaftlichen Gruppen zur kommunistischen Propaganda. Diese Dokumente zeigen auch die Vermischung der traditionellen Lebensweise mit den zahlreichen Elementen des neuen Systems in der Umgebung der ,Neuen Ökonomischen Politik (NÖP)'.
Die Anzahl und die Fülle der politischen Berichte haben Ende der 20. Jahre stark zugenommen. Die politischen Berichte über die antisowjetische Stimmungen ähneln in dieser Periode der öffentlichen Vorträge der Partei-, Staats und der Komsomolführer, die unbedingt einen Verweis auf ,linke und rechte Neigungen' beinhalten. Obwohl die Klassifizierung der Fakten in diesen Unterlagen sehr zweifelhaft und oft gar nicht akzeptabel ist, helfen diese doch das Bild des Widerstands gegen die Sowjetmacht in der Übergangszeit zu dem beschleunigten Sozialismusbau zu vervollständigen. Der Versuch der Darstellung dieser Fakten als .einzelne Mängel' zu deklarieren, wird heute als heuchlerisch verstanden, da bei der Analyse der Unterlagen eine sehr starke Verbreitung des ,Andersdenkens' und des offenen Widerstands gegen die Macht auf der Grenze der 20. - 30. Jahre ersichtlich wird.
Обзоры политических настроений как источники по изучению социально-политической истории 1920-х годов
А.А. Дик, А. А. Слезин
Кафедра истории и философии, ТГТУ
Ключевые слова и фразы: архив; доносы; ОГПУ; политические настроения; политсводки.
Аннотация: Рассматривается методика изучения обзоров политических настроений, как уникальных архивных источников для изучения социально-политической истории советского периода и, в частности, 1920-х годов.
Review of Political States of Public Opinion as the Source for Studying Social-Political History in 1920-s
A.A. Dick, A.A. Slezin
Department «History and Philosophy», TSTU
Key words and phrases: OGPU; archive; political states of public opinion; political bulletins; grassing.
Abstract: The paper deals with the methodology of studying the reviews of political states of public mind as unique archive resources for studying social-political history of the Soviet period and that of 1920s in particular.
Revue des humeurs politiques comme source de l'étude de l'histoire sociale
et politique des années 1920
Résumé: L'article est consacré à la méthode de l'analyse des humeurs politiques comme une source unique des archives pour l'étude de l'histoire de la période soviétique, en particulier des années 1920.