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УДК 72.01
НАСЛЕДИЕ В ОПАСНОСТИ - ИСТОРИЧЕСКИЙ ЦЕНТР Г. ИРКУТСКА
Б. Энгель, А.В. Потапова
Центры исторических городов - уникальные и незаменимые места, хранящие дух русских городов, именно здесь можно «прочувствовать» историю города, здесь лежит источник основания города, и очень часто расположены значимые объекты культурного наследия и градостроительные ансамбли. Многие российские города знамениты своим архитектурным наследием, такие как Санкт-Петербург и Москва, а также Ярославль, Владимир или Томск. Стремительное развитие последних столетий привело многие российские города к многочисленным изменениям, так некоторые из них безвозвратно потеряли часть исторической среды. Российские города от Москвы до Владивостока констатируют огромные потери памятников архитектуры и ценной застройки исторических городов. Пренебрежение по отношению к историческим городам и их истории очевидно, хотя ответственность за проведение соответствующей политики по развитию городов лежит на государственном и муниципальном уровне. За последнее десятилетие Россия утратила около 2,5 тыс. памятников истории и культуры1. Более 400 городов потеряли статус «Исторический город», в том числе такие города как Вологда, Псков, Москва, Рязань, Великий Новгород, Тверь в связи с отказом от должной финансовой поддержки. Иркутск, растущий образовательный, экономический и культурный центр в Восточной Сибири с населением более 600 тыс. человек, расположенный в 60 км. от оз. Байкал, обладает важным историческим архитектурным наследием, до сегодняшнего дня уцелели более 1400 деревянных домов. В центральной части города сосредоточено около 700 традиционных сибирских домов. Но, тем не менее, и здесь архитектурное наследие не находит должного признания, недостаток законодательных инструментов и динамика развития рынка строительства наносит ущерб городскому развитию. Сегодня город стоит перед выбором между новыми функциональными требованиями и ответственностью общества для сохранения и дальнейшего развития исторического наследия.
Ключевые слова: развитие центра города; исторический город; объекты культурного наследия - памятники.
BEDROHTES ERBE - DAS HISTORISCHE STADTZENTRUM IN IRKUTSK
B. Engel, A.V. Potapova
1 http://archi.m/press/mssia/press_currenthtml?md=16516 Stand 30.04.2013
Stadtzentren sind einzigartige und unverwechselbare Orte der Identifikation - auch in Russland. Hier ist die (Stadt)Geschichte erlebbar, hier liegen die historischen Ursprunge, haufig befinden sich hier bedeutsame bauliche Einzeldenkmale und Ensembles. Viele Stadte in Russland sind beruhmt fur ihr bauliches Erbe - St. Petersburg, Moskau, Jaroslawl, Vladimir oder Tomsk, die alle auch in der UNESCO-Liste der Weltkulturerbestatten verzeichnet sind.
Die rasanten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben in russischen Stadten zu vielfal-tigen Veranderungen gefuhrt. Russische Stadte von Moskau bis Wladiwostok verzeichnen groBe Verluste an denkmalgeschutzten oder denkmalwurdigen Gebauden.Die Vernachlassigung histo-rischer Gebaude in der Geschichte, aber auch die derzeit vollzogene StadtentwicklungspolitikPo-litik, auf staatlicher oder kommunaler Ebene sind dafur verantwortlich, dass so manches an alter Bausubstanz unwiederbringlich verloren ging.Allein in den letzten 10 Jahren wurden in russischen Stadten mehr als 2,5 Millionen denkmalgeschutzter Gebaude zerstort. Mehr als 400 Stadten wurde der Status «Historische Stadt» aberkannt, darunter solche Stadte wie Wologda, Pskow, Moskau, Ryzan, Welikii Nowgorod, Twer, was mit EinbuBen finanzieller Unterstutzung verbun-den ist.
Auch Irkutsk, eine wachsende Universitatsstadt in Ostsibirien, wirtschaftliches und kultu-relles Zentrum der Region mit annahernd 600.000 Einwohnern, in ca. 70km Entfernung vom Baikalsee gelegen, verfugt uber ein bedeutendes bauhistorisches Erbe, mehr als 1400der in tradi-tioneller Bauweise errichteten Holzhausersind hier vorhanden.Doch auch hier sind die baulichen Kulturguter durch mangelnde Akzeptanz, fehlende gesetzliche Regelungen und die Dynamik des Marktes und der Stadtentwicklung bedroht.
Heute steht die Stadt vor der Herausforderung, das Stadtzentrum im Spannungsfeld zwi-schen neuen funktionalen Anforderungen einerseits und der gesellschaftlichen Verantwortung zur Bewahrung des baulichen Erbes andererseits weiterzuentwickeln.
Schlusselwdrter: innenstadtentwicklung; historische Stadt; Denkm^er.
Historische Entwicklung
In der Entstehungszeit, Ende des 17. Jahrhunderts ist die Stadt Irkutsk vor allem von ein-bis zweigeschossigen Holzhausern und den beiden ersten Kirchen der Stadt, der Erloser Kirche und Kathedrale zu Christi Erscheinen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstehen mit dem Wachstum der Stadt mit der Bebauung an der Karl-Marx-StraBe (und in anderen Bereichen) 5-geschossige Steinbauten, darunter Theaterbauten, Museen und weitere Kirchen sowie die Kasa-ner Kathedrale in der Mitte der Stadt. Die Anfuhrer des Dekabristenaufstandes werden 1826 nach Irkutsk verbannt, denen die Ehefrauen folgen. Mit ihnen kommt europaische, insbesondere franzosische Kultur nach Irkutsk:Sprache, Musik, Literatur, Lebensart. Die Zeichnungen aus die-ser Zeit zeigen eine europaisch anmutende Stadt, mit einer von Kirchturmen gekennzeichneten Stadtsilhouette.Im Volksmund spricht man vom Paris Sibiriens.
In der Sowjetara verandert sich die Stadtgestalt enorm. Um den zentralen Stadtbereich entsteht ein Gurtel von Plattenbausiedlungen, in denen in den 1970er Jahren mehr als 300.000Menschen wohnen. Die historische Bausubstanz im Stadtzentrum - sowohl die alten Holzhauser, wie auch zahlreiche offentliche Bauten - werden straflich vernachlassigt. Die Kasa-ner Kathedrale wird - als religioses Zeichen nicht mit der Staatsdoktrin vereinbar - 1940 ge-sprengt.
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts verliert die Stadt ihre Bedeutung als politisches und wirtschaftliches Zentrum Sibiriens an Novosibirsk - die 1,5 Millionen groBe Industrie- und Han-delsstadt im Westen Sibiriens. Gleichwohl bleibt Irkutsk mit zahlreichen kulturellen und wissen-schaftlichen Einrichtungenein Zentrum fur die Region Ostsibiriens und mit seiner geographi-schen Lage auch ein Tor zum asiatischen Raum.
Abbildung 1: Irkutsk - das Paris Sibiriens, 1886 (Gemalde von N. Dobrovolskij)
Das historische Erbe
Das historische Stadtzentrum umfasst heute eine Flache von ca. 553 ha. Es wird im Nor-den und Westen vom Flusslauf der Angara begrenzt, im Suden von der StraBe Sowjetskaja und im Osten von der StraBe Frank-Kamenezkogo.Eine zentrale Achse bildet die Hauptgeschafts-straBe, die Karl-Marx-StraBe, entlang derer sich die fruhere Stadtmauer befand, eine zweite von Suden nach Norden verlaufende Achse bildet die LeninstraBe die in den Kirov Patz mundet, um-rahmt von wichtigen Gebauden wie dem Verwaltungsgebaudes des Gouverneurs des Irktuske-rOblastes, dem Hotel Angara u.a.
Abbildungen 2 und 3: traditionelle Holzhauser in Irkutsk
Wenngleich zahlreiche Verluste von Gebauden aus der Geschichte zu beklagen sind, gibt es nach wie vor eine stattliche Anzahl von denkmalgeschutzten und wertvollen Hausern und Ge-baudeensembles, die sich im historischen Stadtzentrum konzentrieren, ebenso sind viele historische Baustrukturen - wie StraBenkonturen, Platzanlagen und ParzellengroBen erhalten.
Insgesamt sind 687 Einzeldenkmaler im Stadtzentrum gelistet, davon gehoren 444 Ge-baude zur Gruppe der traditionellen sibirischen Holzhauser aus dem 18. und 19. Jahrhundert; 243 Hauser sind Stein- und Ziegelbauten aus dem 19. und 20.Jahrhundert. Daruber hinaus findet man im Stadtzentrum weitere Quartiere und Gebaude von Holzhausern, die zwar nicht im dem Gesetz der Schutzzonen aufgelistet sind, d.h. keinem Schutzstatus unterliegen, aber dennoch einen stad-tebaulichen, historischen und (bau)kulturellen Wert darstellen.
Gefahrdete Geschichte
Doch ist der wertvolle Gebaudebestand in der ostsibirischen Stadt gefahrdet - die Ursa-chen hierfur sind vielfaltig und -schichtig. Bei der Bevolkerung genieBen die Holzhauser oft eine nur geringe Wertschatzung, sie gelten als Hauser minderer Qualitat, die nur ungenugende techni-sche Ausstattung, oft mangelnde Wasser- und Stromversorgung aufweisen. Viele der Hauser be-finden sich aufgrund jahrzehntelanger Vernachlassigung, durch die extremen klimatischen Be-dingungen und den schlechten Baugrund in einem schlechten baulichen Zustand. Fur Investoren sind sie zudem ein wirtschaftliches Erschwernis, stehen die kleinen Hauser doch der Entwick-lung einer hoheren baulichen Dichte und damit wirtschaftlichen Ausnutzung entgegen.______________
Abbildung 4 und 5: Holzhauser in schlechtem Bauzustand
So kommt es einerseits zu Brandstiftungen im Stadtzentrum - in den vergangenen funf Jahren wurden jedes Jahr ca 20 Hauser auf diese Weise vernichtet. 300 Objekte von insgesamt 687 im Stadtzentrum sind in sehr schlechten Zustand. Daruber hinaus verhindert das Foderale Gesetz der Russische Foderation «Uber die Objekte des kulturellen Erbes der Volker Russischer Foderation», das im Jahr 2002 in Kraft trat, dahingehend eine geordnete stadtebauliche Entwick-lung, dass bei Zerstorung eines Gebaudes die zerstorten Gebaudeteile auf dem Grundstuck erhal-ten werden mussen. So pragen mehrere verwahrloste Grundstucke, auf denen verkohlte Ruinen stehen, das Stadtbild.
Stadt in der Transformation - neue funktionale Anforderungen
Seit Ende der Sowjetunion durchlauft die Stadt tiefgreifende Transformationsprozesse auf soziookonomischer Ebene, die sich auch in der Stadtgestalt niederschlagen. So haben in den letz-ten zehn Jahren vor allem Geschafte, gastronomische und Dienstleistungseinrichtungen ins Stadtzentrum Einzug gehalten.
Gebaude- und in Teilen ganzen Quartiersstrukturen werden umgebaut und verandert. er-forderlich werden. Der Nachholbedarf fur die ehemals sowjetische Stadt ist enorm und es ist zu erwarten, dass der Bedarf in Bezug auf weitere funktionale Erganzungen weiter anhalt Bislang entsteht die funktionale Verdichtung nahezu ohne Kontrolle - sowohl in Bezug auf die Bebau-ungsstrukturen als auch auf das architektonische Erscheinungsbild. In Teilen kommt es zu einer Verdichtung der Innenhofbebauung ohne Rucksichtnahme auf historische Parzellenstrukturen.
Abbildungen 6 und 7: Ruinen von Holzhausern im Stadtzentrum
Der Einzug neuer Funktionen in die Gebaude zeigt sich auch im auBeren Erscheinungsbild der Hauser: Die Erdgeschosszonen werden mit Werbeflachen bis zur Unkenntlichkeit ver-hangt, die oft grellen Farben zerstoren das sensible Erscheinungsbild der historischen Fassaden.
Abbildungen 8 und 9: Werbung an historischen Gebauden
Durch die steigende Motorisierung - jedes Jahr steigt die Anzahl der Autos um mehr als 10.000- werden die Quartiere mit Durchgangsverkehr und zunehmenden Parkdruck belastet. Larm- und Abgasemissionen mindern die Wohn- und Aufenthaltsqualitat. Die grunen Innenhofe im Umfeld der Holzhauser werden zugeparkt, Platze- und StraBenraume durch zunehmende Verkehrsstrome und den ruhenden Verkehr belastet. Der offentliche Personennahverkehr mit-StraBenbahnen, Trolleybussen, Bussen und Minibussen ist zu uneffektiv und unkomfortabel, um hier Entlastung zu schaffen.
Der Umgang mit dem bauhistorischen Erbe: Denkmalschutz in Irkutsk
Der russische Denkmalschutz vergibt Schutzstatuten in drei Kategorien - fur Einzel-denkmaler, fur Ensembles und fur stadtebaulich groBere Bereiche, sogenannte «Sehenswurdig-keitsorte / -platze» und auf drei Ebenen - der staatlichen, regionale und stadtischen. Je nach Klassifizierung des Denkmalstatus ,sind samtliche MaBnahmen mit den Behorden auf staatli-cher, regionaler oder stadtischer Ebene abzustimmen.Auf staatlicher Ebene existieren Forderpro-gramme, die finanzielle Unterstutzung fur Instandsetzung, Sanierung und Restaurierung in Aus-sicht stellen - in Irkutsk gibt es jedoch keine Gebaude oder Gebiete, die als Teil eines solchen Forderprogrammes hier Gelder in Anspruch nehmen konnen. So liegt die finanzielle Last allein bei den privaten Eigentumern, die aus eigener Kraft diese anspruchsvolle und kostenintensive Aufgabe nicht bewaltigen konnen.
Zur Kategorie der stadtebaulichen Ensembles, die staatlichen Schutzstatus genieBen, ge-horen funf Bereicheim Stadtzentrum, die schon in den 1980er Jahren als Schutzzonenausgewie-sen wurden: einmal die Bebauung entlang der Karl-Marx-StraBe, mit ihren wertvollen Ziegel-und Steinbauten aus dem 18 Jh., die Bauten in der heutigen FuBgangerzone in der Urizkogo StraBe mit drei- bis viergeschossigen Ziegelgebauden aus dem 19 Jh.sowie die Holzhauser am Zhelyabovskii Komplexaus dem 19. Jahrhundert, die Hauserentlang der Grjaznova StraBe aus dem 18./19. Jahrhundertund die Holzhauser entlang der Hmelnizkogo StraBe aus dem 19. Jahrhundert. Insgesamt sind in diesen Ensembles 187 Denkmaler vorhanden, 99 Stein- und Ziegel-bauten und 88 Holzbauten.
Im Ergebnis einer von der Stadtverwaltung beauftragten Studie wurden im vergangenen Jahr zu den bereits unter Schutz stehenden Gebauden weitere 370 Gebaude fur den regionalen Schutz und vier stadtebauliche Ensembles zum Foderalen Schutz vorgeschlagen. Eine Entschei-dung daruberbeiderVerwaltungdes Irkutsker Oblastesundim Ministeriumder KulturderRus-sischen Foderation stehtnochaus.
Ausgewiesen wurden bislang in Irkutsk sechs verschiedene Schutzzonendie unterschied-lichen Schutzstatus garantieren. Der restriktivste Bereich ist die Zone der historischen Denkmaler. Hier ist die Sanierung, Restaurierung der alten Gebaude vorgesehen - Neubauten in moder-ner Architektursprache sind nicht erlaubt.
beantragte Schutzzone fur stadtebauliche Ensembles
Abbildung 10: Ausgewiesene und geplante Schutzzonen im Stadtzentrum
Abbildungen 11 und 12: Denkmalgeschutzte Gebaude in der Karl-Marx-Strafie undGrjazova StraBe
Alle GestaltungsmaBnahmen wie grune Anlagen, Werbung oder Stadtmobel sind mit dem Amt fur Denkmalschutz abzustimmen. In der zweiten Schutzzone sind Neubauten erlaubt, je-doch mit stringenter Regulierung von Hohe, Dichten, Bautypologien und, Proportionen in enger Anlehnung an die historischen Gebaude der Umgebung. Die dritte Schutzzone umfasst Bereiche, in denen nur ca 50 % der Gebaude historisch wertvolle sind. Hierfur werden fur die Weiterent-wicklung Bebauungsplane entwickelt, d.h. Art und MaB der Bebauung mit gestalterischen Vor-gaben durch die Stadt verabschiedet.
So besitzen viele der Gebaude einen rechtlichen Schutzstatus, der besagt, dass denkmalgeschutzte Gebaude entsprechend zu sanieren und Neubauten gestalterischen Regeln zu unter-werfen sind, doch existieren bislang keine Satzungen oder andere bindende Konzepte.
Bislang fehlt eine raumliche Planungsstrategie fur das Stadtzentrum, die einen Hand-lungsrahmen in Bezug auf bauliche Ausnutzung, Hohenentwicklung, Nutzung, offentliche Rau-me und stadtische Mobilitat aufspannt, auf dem fuBend Genehmigungen fur Neubauten erteilt
oder verweigert werden коппеп. Die geltenden Vorschriften innerhalb der Schutzzonen sind wohl nicht ausreichend, ит wertvolle historische Bausubstanz ш schutzen und sie behutsam weiterzuentwickeln. Die ausgewiesenen Schutzzonen reichen 1иг einen Schutz der Gebaude ganz offensichtlich nicht auf) sei es aufgrund schwacher Kontrollinstanzen und Когшрйоп oder weil die Gesetze т Teilen nur allgemeine Aussagen treffen. Dies zeigt die Realitat: Neubauten ent-stehen, die keine Rucksicht auf die besondere historische Umgebung nehmen, sie fugen sich т Aгt und MaB der Bebauung nicht ein, sondem stоren die raumliche Struktur und das Е^^ь nungsbild erheblich.
Abbildungen 13 und 14: №иЬаи1еп 1п historischer Уп^еЬшщ
1988 unterzeichnetedie Russische FOderation dasintemationale «Uberemkoшшenzum-SchutzdesKultur- undNaturerbesderWelt». DamitverpfHchtetesichRussland, besonderswertvol-leDenkmalerzuschutzenundzuerhalten. Derzeit sind in Russland 23 Kultur- und ^Ш^п^^^г der UNESCO verzeichnet. Zu den weltweit bekannten russischen KulturdenkmalemgehOren bei-spielsweise seit 1990 der Kгeml und der Rote Platz in Moskau, das historische Stadtzentrum von Sankt-Petersburg, die WeiBen Kirchen und Kloster von Wladimir und Suzdal und als eine der zuletzt aufgenommen Schutzguter die Altstadt von Jaroslawl.
Im Jahг 1998 wurde durch die Stadt die Aufnahme des historischen StadtzentrumsIrkutsk in die Gruppe der Weltkulturerbestatten beantragt. Bis zum heutigen Tag befmdet sich das Stadt-zentrum jedoch nur auf der Vorschlagsliste, da entscheidende Voraussetzungen 1ш die Aufnah-me, wie bspw. ein Plan 1ш Sanierung und Erhaltung, Finanzierung und gesetzliche Grundlagen nicht erarbeitet und vorgelegt wurden. Offensichtlich besteht bei den in der Stadt Verantwortli-^п keine Bereitschaft, die hierfur erforderlichen finanziellen AufWendungen zu tatigen. Der durchaus mit der Auszeichnung als Weltkulturerbestatte verbundene Image- und damit auch wiгtschaftliche Gewinn durch bspw. die Erh0hung der auch mtematюnalen Besucherzahlen wird bislang in 1^^^ nicht gesehen, obwohl dies т anderen russischen Stadten bereits nachgewiesen ist: 1п Jaroslawl beispielsweise sind seit der Verleihung des Weltkurerbetitels im Jahre 2005 die Touгistenzahlen beachtlich gestiegen: von gut 130.000 рго uber 700.000 Besucher рго Jahr in 2012.
Irkutsk steht mit der Situation eines zunehmend gefahгdeten Bestandes von historischer-Bausubstanz, Gebauden und ganzenStadtquaгtieren in Russland nicht alleine dar. 1п der westsibi-rischen Stadt Tomsk befmdet sich eine Vielzahl von denkmalgeschutzten Bauwerken in schlech-tem Zustand: mehr als 600 von 2000Holzhausern der Stadt wurden in den letzten 150 Jahren nicht saniert, in Wologda ist nahezu ein Drittel der denkmalgeschutzten Bausubstanz durch Ver-nachlassigung oder Brandstiftung verloren gegangen.
Doch gibt es erste Ansatze, hier tatig zu werden. 1п Tomsk hat man beispielsweise ein stadtisches Entwicklungsprograшms zur Erhaltung der wertvollen Holzhauser erarbeitet, das 1иг den Zeitraum der nachsten sechs Jahre ein umfassendes MaBnahmepaket zum Umgang mit den Holzhausgebauden verabschiedet hat. Die MaBnahmen umfassen zum einen die Sanierung, Res-taurierung von Gebauden, im zweiten die Rekonstruktion von Gebauden und im dritten den Um-
bau von Gebauden. Ob dieses Gesetz greift, wird abzuwarten sein. Neu ist auch die Einbezie-hung der Bewohner und Nutzer in den Planungsprozess. Als erfolgreiche MaBnahme gegen die Brandstiftungen hat man in Tomsk im vergangenen Jahr ein Gesetz erlassen, das bei Verlust ei-nes Holzhauses den Wiederaufbau, bzw. Rekonstruktion des zerstorten Gebaudes auf Planungs-grundlage historischer Dokumente, die beim Denkmalschutzamt vorliegen vorsieht. Ein Neubau mit hoherer Dichte wird somit ausgeschlossen.
Ausblick: baukulturelles Erbe als Katalysator der Stadtentwicklung
Die Europaische Stadt - zu der sich auch Irkutsk zahlt - ist das Ergebnis der Uberlage-rung von verschiedenen Zeitschichten.Historische Stadtteile und Gebaude bildenhierbei mit ih-ren architektonischen, kunstlerischen, handwerklichen, gestalterischen Eigenarten einen wichti-gen Teil des Gedachtnisses der Stadt und bedurfen besondererBeachtung. Die Wertschatzung der unterschiedlichen Geschichtslayer ist essentieller Bestandteil des Selbstverstandnisses der Euro-paischen Stadt.
Irkutsk ist eine wachsende Stadt, die Menschen kommen aus anderen Teilen der Region hierher, um hier zu leben und zu arbeiten - in den letzten zehn Jahren ist die Stadt um fast 13.000 Einwohner gewachsen.Um ein attraktiver Standort fur Bewohner, Besucher undTou-risten, aber auch fur Investoren und Unternehmer zu bleiben, benotigt die Stadt ein intaktes Stadtzentrum, das die Geschichte und damit ihre Kultur mit den historischen Bauten und offent-lichen Einrichtungen wertschatzt und pflegt.
Uberall auf der Welt gewinnen historische gewachsene Stadtraume mit ihren topographi-schen Besonderheiten, materiellen Eigenheiten, kulturellen Codierungen sowie sozialen und o-konomischen Verhaltnissen und Unterschieden als Standortfaktor als Bedeutung.
Das baukulturelle Erbe in Irkutsk hingegen ist zunehmend gefahrdet. Dabei stellt sich die Frage, ob Geschichte, hier: die historische Bausubstanz, und Zukunft, im Sinne einer dynami-schen Entwicklung der Stadt, im Gegensatz zueinander gesehen werden mussen oder nicht viel-mehr mit der Wiedergewinnung historischer Raume und Gebaude auch ein wichtiger Marketing-faktor generiert werden konnte, was nicht unwichtig ist fur eine Stadt, die sich zunehmend dem regionalen aber auch internationalem Wettbewerb konfrontiert sieht.
Hochwertige historische Stadtraume konnen essentielle Beitrage auch fur die wirtschaft-liche Entwicklung einer Stadt leisten.Lokale Identitaten und Charakteristika schaffen die Basis fur ein erkennbares Image eines Stadtteils oder einer ganzen Region. Hierfur ist Voraussetzung, dass Veranderungen in der Innenstadt nicht von Willkur bestimmt oder durch Interessenkonflikte blockiert werden, sondern dass eine Verstandigung uber die Ziele der Stadtentwicklung zwi-schen den verschiedenen Akteurs- und Interessensgruppen untereinander er-folgt.WelcheStadtIrkutskim 21. Jahrhundertwerdensoll, mussdieIrkutskerStadtgesellschaftfursi-chentscheiden, geeigneteStrategienmussenkontinuierlichundimmerwiederverhandeltwerden.
Dabei muss die Entwicklung gesetzlicher Regeln mit einer gesellschaftlichen Debatte einhergehen, die historische Bauten nicht als Verhinderer, sondern als Beforderer der Stadtentwicklung, im Sinne eines gesellschaftlichen, aber durchaus auch okomischen Mehrwertes be-greift.Notwendig ist auch eine gesamtgesellschaftliche Diskussion uber den Umgang mit dem baulichen Erbe - nicht nur uber vorrevolutionare Bauten, sondern auch uber Gebaude der junge-ren, sowjetischen Geschichte.
Nur in der behutsamen Weiterentwicklung, d.h. der sorgsamen Abwagung liegt die Chance einer zukunftsfahigen, nachhaltigen Entwicklung. Dies kann nur in der sinnvollen Balance zwischen Bewahrung des wertvollen Bestandes und funktionaler Weiterentwicklung und Erneuerung geschehen. Behutsame Stadtentwicklung meint nicht nur die Erhaltung von asthe-tisch und kulturell bedeutsamen Ortsteilen und Gebauden, sondern auch deren zeitgemaBe und angemessene Weiterentwicklung - ein rein konservatorischer Ansatz ist hier nicht zielfuhrend.So mussen die neuen Belange - wie Einkaufsmoglichkeiten, eine zukunftsgerichtete Mobilitat, aber auch der Wunsch nach hochwertigen offentlichen Raumen akzeptiert und in die Planungen fur die historischen Quartiere angemessen integriert werden.
Irkutsk steht vor verantwortungsvollen Herausforderungen und Aufgaben. Die (noch) vorhandenen stadtraumlichen Besonderheiten und einzigartigen Architekturen sollten Ansporn fur alle in der Stadt verantwortlich sein, sich um eine zeitgemaBe Weiterentwicklung des historischen Erbeszu bemuhen und somit eine nachhaltige Zukunft der Stadt fur die kommenden Gene-rationen zu sichern.
LITERATUR
1. Administrazija g. Irkutska (Khazykova, E., Khotulev, P., Kuzakova, O.):: Postanovle-nije 'Projektplanirovkizentralnojchasti g. Irkutska', 05.12.2012, Nr 031-062379I12, ОАО.
2. Bundesministerium fur Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Reurbanisierung
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19I20,http:IIwww.bbsr.bund.deIcln_032Inn_629248IBBSR/DEIVeroeffentlichungen/BMVBSIO nlineI2O1OION192O1O.html, Zugriff am 01.04.2013.
3. Irkutskaja Oblast: Sakon, 23.07.2008, № 57-O3: «Ob obektach kulturnogo nasledija-naradovRossijskoj Federazii v Irkutskaja Oblast», 25.06.2008 N 44I22-3C.
4. MinisterstvoKulturiRossiskojFederazi, Ministerstvo Regionalnogo Razvitija Ros-sijskoj Federazij, 29.07.2010, № 418I339, Moskva.
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6. Rossijskja Federazija: O Federaonoj zelevoj programme Sochranenie i razvitie archi-tekturhistoricheskich gorodov (2002-2010), 26.11.2001 № 81.
Informationen zu den Autoren
Barbara Engel Dr.-Ing., Architektin und Stadtplanerin Mitglied der Architektenkammer Berlin, Mitglied der Deutschen Akademie fur Stadtebau und Landesplanung, Mitglied Les Ateliers d’Urbanisme de Cergy-Pontoise, Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt, Ab-teilungsleiterin Stadtplanung Innenstadt, Dresden, Deutschland, e-mail: bar-
bara. engel@dresden. de
Potapova A.V., Magister der Architektur, Promotionsstudentin der Architektur Fakultat ISTU, der stellvertretende Direktor Winter University of Urban-planning and design, der Staat-lichen Technischen Universitat Irkutsk, Irkutsk, Russland, e-mail: [email protected]
Информация об авторах
Энгель Барбара, доктор, член немецкой академии градостроительства и ландшафтной архитектуры, член палаты архитекторов Берлина. Начальник отдела городского департамента градостроительства, Дрезден, Германия, e-mail: [email protected]
Потапова Анастасия Васильевна, магистр архитектуры, аспирант кафедры «Архитектурное проектирование», заместитель директора Международного Байкальского Зимнего Градостроительного Университета, Иркутский государственный технический университет, г. Иркутск, Россия, e-mail: [email protected]
