РУССКИЕ ОБРАЗЫ В МИРОВОЙ ХУДОЖЕСТВЕННОЙ ЛИТЕРАТУРЕ
УДК: 821.161.1
Тирген П.
ПРЕЕМСТВЕННОСТЬ ИСКУССТВ, ИЛИ ЧУДО РУССКОЙ ЛИТЕРАТУРЫ. ЧАСТЬ 21,2
Кафедра славянской филологии Университет Бамберг (Бавария), Германия
Аннотация. Русская литература во времена Петра Великого вступает в период смены эпох и одновременного формирования собственной поэзии барокко при кардинальных изменениях истории западноевропейской литературы. В этом процессе можно наблюдать осознанную преемственность старых образцов мышления относительно преемственности власти «translatio imperii» и преемственности искусств «translatio artium». При этом модель «подражание» мгновенно преобразуется в модель «оригинальное чудо» огромнейших масштабов. Ни одна другая мировая литература с такой быстротой, глубиной исследования и поэтической выразительностью не ставила вечные фундаментальные вопросы образа и природы человека, как русская литература в период своего классического развития. Даже сегодня произведения русской литературы по-прежнему являются своеобразным компендиумом вопросов по отношению «определения места человека» в плоскости трагического и комического. В конечном счете только многократно перечитывая текст, можно все это досконально осмыслить.
Ключевые слова: преемственность искусств; образ и образование; стагнация и движение; «определение места человека»; роль читателя.
Поступила: 29.03.2018 Принята к печати: 04.05.2018
1 © Peter Thiergen, 2019.
2 Первая часть статьи (Часть 1) опубликована в «Человек: Образ и сущность. Гуманитарные аспекты». - М.: ИНИОН РАН, 2018. - № 3 (34). - С. 72-87.
Thiergen Peter
Translatio artium oder Das Wunder der russischen Literatur. Teil 2
Ehemaliger Lehrstuhl für Slavische Philologie, Universität Bamberg, Deutschland
Abstract. Die russische Literatur tritt mit Peter d. Gr. und der zeitgleichen Formierung einer eigenen Barockdichtung in den Epochenwechsel der westeuropäischen Literaturgeschichte ein. In diesem Prozess ist eine bewusste Übernahme der alten Denkmuster «translatio imperii» (преемство власти) und «translatio artium» (преемство искусств) zu beobachten. Dabei wandelt sich in kürzester Zeit das «подражание» -Modell in ein Originalitätswunder größter Maßstäbe. Keine andere Weltliteratur hat in solcher Rasanz, auslotender Tiefe und poetischer Suggestivität die ewigen Grundfragen nach Bild und Wesen des Menschen gestellt wie die russische Klassik. Ihre Werke sind auch heute noch ein einzigartiges Fragekompendium nach der «Bestimmung des Menschen» zwischen Tragik und Komik. Letztlich kann ihnen nur der «Wieder-Leser» gerecht werden.
Schlüsselwörter. Translatio artium; Bild und Bildung; Stagnation und Bewegung; die «Bestimmung des Menschen»; die Rolle des Lesers.
Received. 29.03.2018 Accepted. 04.05.2018
IV. Erziehung und Bildung
Lidija Sazonova hält fest, Peter d. Gr. selber sei, ebenso wie ein Kantemir, Lomonosov oder Trediakovskij, in einer «neuen Kulturschule erzogen worden» (воспитывались [Сазoнова, 2006, с. 702]). Was aber ist Erziehung? Das deutsche Wort «(er)ziehen» signalisiert so etwas wie Eingreifen und Regulieren, schlimmstenfalls ein Zerren oder sogar Dressieren. Das Wortfeld «Zucht / züchten / züchtigen» ist etymologisch mit «ziehen» verwandt. Ein ungehorsames Kind ist «ungezogen», weil der Erziehungsvollzug missglückt ist. Es hat zu wenig «Edukation» bekommen (latein. educare = herausführen, aufziehen). «Erziehung» gibt eine Richtungsbestimmung vor, die ein «Führer» (dux / вождь) vornimmt. Kinder werden gleichsam zu «Produkten».
Das russische «воспитать» transportiert andere Bedeutungen, nämlich die Vorstellung des Nährens und der (Selbst)Entfaltung von Anlagen. Vereinfacht gesagt: Der deutsche «Zögling» ist einer eher männlichen Präskription (des animus) ausgesetzt, der russische «воспитанник» oder «питомец» einer eher weiblichen Fürsorge (einer alma mater). Vielleicht stehen hinter dieser Metaphern- und Bedeu-
tungsdifferenz verschiedene Menschenbilder. Die Differenz ist in dieser Prägnanz allerdings nicht schon in frühen Sprachstufen wahrnehmbar.
Es gibt aber auch eine russisch-deutsche Parallele, nämlich das Begriffsfeld «образование - Bildung». Bildung ist ein Erziehungsergebnis und eine Folge von Selbstvervollkommnung (самосовершенствование). Sie vereint extrinsische und intrinsische Motivationen und benennt sowohl einen Zustand wie ein prozessuales Geschehen weit über utilitaristische Zwecke hinaus. Ausbildung steht neben Einbildungskraft als Vorstellungsvermögen. Der Gebildete soll ein Abbild humanistischer Leitbilder sein, welche «Kopf, Herz und Hand» (Pestalozzi) zu einer ganzheitlichen Haltungs- und Handlungseinheit verschmelzen. Das russische Wort образование in der Bedeutung von Bildung ist (nach Unbegaun oder Vasmer) eine jüngere Lehnprägung aus dem Deutschen. Die meisten anderen Kultursprachen haben für die deutsch-russische Wortschöpfung «Bildung» kein Äquivalent.
Eine Grundmaxime der russischen Literatur lautet: «поэт мыслит образами - der Dichter denkt in Bildern». «Образ» hat ein Bedeutungsspektrum von Bild / Ikone und Darstellung über Typus und Idee bis hin zu ,Art und Weise' (таким образом). Etwas ist «вообразимо» oder «невообразимо». Anschauung und Abstraktion sollen sich ergänzend verstärken. Der Dichter wird mit seinen poetischen ,Bildern' zu einem geistig-seelisch-ästhetischen ,Bildner'1. Sein «anschauendes Denken» beruht auf ganzheitlicher Wahrnehmung (= Aisthesis) und er hat sowohl Intellekt als auch Herzensbildung und konkrete Lebenstüchtigkeit im Auge.
Ende des 17. Jahrhunderts, in den Jahren 1697-1698, hatte Peter d. Gr. die erste Europareise eines russischen Selbstherrschers unternommen. Mit der forcierten Westorientierung des Zaren, den Puskin einen «unablässigen Arbeiter» (на троне вечный был работник) und Belinskij einen «учитель и просветитель» nannte, erhielt die Erzie-hungs- und Bildungsfrage für Russland eine immer drängendere Bedeutung. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein (und später in der Sowjetzeit) fand die Aufklärungsmaxime «ученье свет, а неученье тьмa» Zustimmung, auch wenn die russische Praxis häufig anders aussah. Goncarovs «Сон Обломова», der die Maxime zitiert, hat diese Praxis eindrucksvoll beschrieben. Sie ist meilenweit von vita activa und dem Ideal der Selbsterziehung entfernt. Belinskij schrieb Peter d. Gr. aus-
1 Vgl. [Thiergen, 2013, S. 199-217].
drücklich die Energie des «самовоспитание» zu [Белинский, 1955, Т. 8, с. 385]1.
Während , Erziehungsratgeber' des altrussischen Schrifttums (Домострой u.a.) eine starke sakrale Prägung hatten, erhalten jetzt säkulare Bildungsprogramme ein immer größeres Gewicht. Antioch Kantemir (1708-1744), russischer Botschafter in London und Paris, orientiert sich in seiner Lehrschrift «O воспитании» u.a. am römischen Ideal der «virtus» (добродетель) und ihrer «exempla» (добрые примеры), die auch Weltoffenheit vermitteln müssten2. Ganz ähnlich argumentierte später Ekaterina Daskova (1743-1810). Diese Weltoffenheit zeigte sich alsbald in Auslandsaufenthalten zahlreicher russischer Autoren, die Bildungsreisen unternahmen, in Europa studierten und bisweilen viele Jahre lang dort ihren Wohnsitz nahmen (Zukovskij, Gogol', Turgenev...). Die sog. Bildungsbiographie des Einzelnen wurde immer wichtiger. Dem entsprach, dass in der Literaturtheorie zum alten Werkzentrismus (= De arte poetica) ein neuer Autorzentrismus trat (= De poeta; vgl. Karamzins «Что нужно автору?» oder M. Cheraskovs «Поэт»). Das hing mit dem aufkommenden Genie- und Originalitätsdenken und dem Gefühlskult in Sentimentalismus und Romantik zusammen (vgl. schon die Diskussionen um W. Duff und E. Young). Ebenso mit den Selbstanalysekonzepten der Freimaurer (gnDthi seauton / познание самого себя) und mit der allmählich wachsenden Rolle von Frauen in Literatur und Wissenschaft. Auf die spannende Frage nach dem Einfluss des Bürgertums (das es im Westen, aber kaum in Russland gab), sei hier nicht eingegangen.
Erziehungsintention und Originalitätsanspruch können leicht zu antagonistischen Spannungen führen, müssen sich aber auch nicht ausschließen. Gerade große Autoren waren häufig so souverän, Prägung durch Schüler-Lehrer-Relationen anzuerkennen. Ex nihilo nihil fit - из ничего ничего не получится. Gogol' bemerkte in einer Abhandlung über das «Wesen» (существо) der russischen Literatur, diese sei «von Dichtern aller Jahrhunderte und Nationen» (поэтами всех веков и наций) bzw. «von den Literaturen aller Völker erzogen worden» (поэзия наша <...> воспитывалась литературами всех народов) [Гоголь, 1952, Т. 8, с. 391, 407]. Dostoevskij bekannte, er habe Schiller «aus-
1 Zu Problemen der russischen Bildungsgeschichte mit Bezug auf die Literatur vgl. [Rothe, 2009, S. 43-102], sowie [Preuß, 2013].
2 Vgl. [Кантемир, 1956, с. 157-172].
wendig gelernt», ja «wir alle sind an ihm erzogen worden» (мы воспитались на нем, он нам родной) [Достоевский, 1979, Т. 19, с. 17]. Turgenev nannte Deutschland sein «zweites Vaterland» (второе отечество), und Thomas Mann schrieb, Turgenev sei «seiner geistigen Erziehung nach ein Deutscher» und dabei vor allem ein «Schüler Goethe's» und «Repräsentant der Goethe'schen Bildungswelt» gewesen [Mann, 1983, S. 506]. Die russische Übersetzung hierzu tut sich schwer, das deutsche Wort «Bildung», das Thomas Mann einen «spezifisch deutschen Begriff» nennt, adäquat wiederzugeben. Die Übersetzerin verwendet umschreibende Wörter wie «знание» und «просвещенность»1.
Dass Dichter, gleich welcher Literatur, von Vorbildern und Einwirkungen jeder Art ,erzogen' werden, ist eine Binsenweisheit, aber zugleich eine Illustration der translatio-artium-Tradition. Zahlreiche weitere Belege zu ,Erziehungs'-Bekenntnissen russischer Autoren könnten hinzugefügt werden. Dabei sollten allerdings bloß äußere (Fremd)Prägungen (wie Nachahmung, Epigonentum als «прививка» oder Eklektizismus) von organischer innerer (Selbst)Bildung unterschieden werden. Rezeption und Antizipation sind Korrelate. Dichter von Rang entwickeln eine Art Wesensverwandtschaft zumeist durch symbiotische Nähe, manchmal aber auch Strukturverwandtschaft durch heftigste Gegenpositionen. Beides kann wahren Schaffensenthusiasmus auslösen. Belinskij lehnte den bloß «äußeren Europäismus» (внешний европеизм) der russischen Kultur strikt ab, war aber ein ebenso begeisterter Verkünder einer russisch-europäischen Geistesnähe als einer Art Zwillingsformation.
Zu seinen prägnantesten Formulierungen gehören Sätze wie «Все человеческое есть европейское, и все европейское - человеческое» bzw. «человечество выше всякого народа» [Белинский, 1954, Т. 5, с. 105, 231]. Mit bekenntnishafter Emphase postulierte er: «хотим быть русскими в европейском духе» und konstatierte voller Zuversicht:
что не только будем, но уже и становимся европейскими русскими и русскими европейцами
dass wir nicht nur künftig, sondern jetzt schon europäische Russen und russische Europäer werden.
1 Vgl. [Манн, 2015, с. 465].
Die Russen dürften zwar «Schüler» (ученики) Europas sein, niemals aber «Eiferer des Europäismus» [Белинский, 1954, Т. 5, с. 144].
Wir wissen natürlich, dass solche Bekenntnisse zum «europäischen Haus» nicht überall Beifall fanden. Nikolaj Ja. Danilevskij (1822-1885) hat in seiner Kulturtypenlehre mit dem Titel «Россия и Европа» (ca. 1870) in scharfer Diktion zurückgewiesen, dass die europäische Kultur eine normative, allgemeingültige Stufe der Menschheitsgeschichte darstelle. Das seit Peter d. Gr. grassierende «Europagetue» (европейничанье) sei wie eine «Pest für das russische Volkstum». Der späte Dostoevskij stand dieser Kritik mit Sympathie gegenüber und meinte im «Дневник писателя» 1876, das russische «Fenster nach Europa» habe ausgedient [Достоевский, 1981, Т. 23, с. 39]1. Vladimir Solov'ev und die Symbolisten werden dann die Denkfigur «ex oriente lux» (с востока идет свет) übernehmen und gar ein «skythisches Russland» als neue Möglichkeit ins Auge fassen. Später kommen die geo-und kulturpolitischen Theorien des Eurasiertums (евразийство) hinzu2.
Projektionen sind das eine, die empirischen Befunde das andere. Die literarische Praxis Russlands bestätigt die große Entwicklungslinie der europäischen translatio-artium-Bewegung, welche kulturelle Symbiose und künstlerische Synergie ermöglicht. Trotz allen Meinungsstreites der Ideologien dominiert ein integrativer Grundzug russischeuropäischer Kulturwerte, die ihre Fundamente sowohl im Idealismus der humanitas als auch im skeptischen Denken eines anthropologischen Realismus haben. Belinskijs Theorie der «поэзия реальная» besagt, im Zentrum der Literatur solle «der Mensch» (человек) stehen und die Darstellung des «wirklichen Lebens, wie es ist» (действительная жизнь, как она есть)3. Literarische Figuren sollen für den Leser «bekannte Unbekannte» sein, die die «ganze Welt» (целый мир) abbilden [Белинский, 1953, Т. 1, с. 296]. Seit dem alten Griechenland besteht Europas Literatur im Zusammenfügen von Realität und Idealität. Die Diagnose «wie die Welt ist» kollidiert mit dem Postulat «wie die Welt sein sollte». Dieser an sich triviale Befund gehört zur Kontinuität des translatio-Denkens, weshalb auch Belinskij der Überzeugung ist, dass
1 Vgl. dazu [Thiergen, 1998, S. 50-80], vor allem S. 69. Zu N. Ja. Danilevskij siehe die Ausgabe von [Данилевский, 1995].
2 Zu orientalisierenden Einflüssen in Russland vgl. die immer noch lesenswerte Darstellung von [Sarkisyanz, 1955].
3 Vgl. u.a. Belinskijs berühmte Gogol' - Rezension aus dem Jahre 1835 [Белинский, 1953, Т. 1, с. 259-307].
«der menschliche Geist in seiner Entwicklung keine Sprünge macht» (Дух человеческий в своем развитии не делает скачков) [Белинский, 1955, Т. 6, с. 100]. Das evolutionäre Prinzip ist stärker als das revolutionäre. Zu Nietzsches geistiger Evolution gehört das Bekenntnis in der «Götzendämmerung», Dostoevskij sei der «einzige Psychologe» gewesen, «von dem ich etwas zu lernen hatte».
V. «Nichts ist ungeheurer als der Mensch»
Um ein Bewunderer der neueren russischen Literatur zu sein, bedarf es keiner Kenntnis des translatio-artium-Phänomens und seiner Implikationen. Die russische Literatur hat, wie jede bedeutende Dichtung, Größe aus Eigenrecht. Dennoch fördern Vergleiche den Blick auf Besonderheiten. Keine andere Weltliteratur hat, wie dargelegt, in so kurzer Zeit in so beeindruckender Verdichtung höchsten Rang erreicht wie die russische. Zwischen Puskins «Евгений Онегин» (1830) und Dostoevskijs «Братья Карамазовы» (1880) liegen fünfzig Jahre. In dieser Zeitspanne eines halben Jahrhunderts publizieren - um nur die wichtigsten Autoren der Prosa zu nennen - Gogol', Lermontov, Turge-nev, Goncarov, Leskov, Saltykov und Lev Tolstoj ihre bis heute gültigen Werke. Wenn wir diese Zeitgrenzen auf weitere Autoren (und Gattungen) ausdehnen, also etwa auf Derzavin, Karamzin, Zukovskij oder Krylov einerseits und auf Cechov, Bunin, Andreev oder Belyj andererseits, ergibt sich auch nur die Zeitspanne eines einzigen Jahrhunderts. Hat eine andere Weltliteratur in so ungeheurer Rasanz so viele große Schriftsteller mit so vielen Epochenzugehörigkeiten (vom Sentimentalismus bis zum Symbolismus) hervorgebracht? Das russische Phänomen ist einzigartig.
Diese Rasanz vollzog sich innerhalb einer ebenfalls nahezu sin-gulären Konstellation. Es gab ein eigenes jahrhundertealtes Schrifttum, ein intensives translatio-Geschehen, ein stetig expandierendes Imperium (von der «Sammlung des russischen Landes» bis zum Sieg über Napoleon), eine wirksame Überlagerung sakraler Traditionen durch säkulare Aufklärung, das Aufkommen neuer Gesellschaftsschichten (разночинцы, интеллигенция etc.), Universitätsgründungen, beginnende Industrialisierung im Agrarland sowie das Glück, in schneller Abfolge großartige literarische Talente hervorzubringen. In diesem Andrang und Widerstreit zahlreicher Impulse entwickelte sich eine gären-
de Aufbruch- und Resonanzstimmung, die ungeahnte Kräfte zwischen verblassendem Selbstzweifel und zunehmender Selbstbegeisterung freisetzte. Jeder neue Autor von Rang bestätigte einerseits den Nationalstolz, zugleich aber auch eine kosmopolitische Zugehörigkeit. Der späte Eintritt in die Translationskette brachte bei Vielen ein Selbstbild von unverbrauchter Jugendlichkeit hervor. In diesem Mentalitätsschub kamen sogar publizistische Stimmen auf, die dem Westen beginnende Sklerose und baldigen Untergang prophezeiten (vgl. das гнилой запад -Etikett).
Die sog. schöne Literatur reagierte ernsthafter und fundamentaler. Sie befasste sich nicht nur mit aktuellen Tagesproblemen, sondern mehr noch mit Grundsatzfragen nach Bild, Wesen und Aufgaben des Menschen. Das in Mythos, Philosophie und Literatur des alten Griechenland grundgelegte «Staunen» (vgl. griech. thaumazein) und der ebenfalls damals etablierte homo-mensura-Satz (человек - мера всех вещей) fanden vor allem in den großen Romanwerken ein kongeniales Echo. Dostoevskij, Tolstoj und ihre Schriftstellerkollegen blickten auf die Totalität des Menschseins, gemäß dem Diktum des Aristoteles: «Ein Ganzes ist, was Anfang, Mitte und Ende hat». Das Denken des Prinzipiellen zielt auf die Frage nach Ursprung und Ursache. Das lateinische Wort principium bedeutet so viel wie Anfängliches, Grundsätzliches oder Erst- bzw. Hauptimpuls (vergleiche die Doppelbedeutung von russisch начало!). Dem ging das griechische Wort arche voran. Große Literatur befasst sich mit Archetypen und dem bipolaren Widerspiel von Wesen und Erscheinung, Subjekt und Objekt, Wahrheit und Falschheit, Begierde und Askese, Glücks- und Leiderfahrung, Schuld und Sühne, Erlösung und Verdammnis. In einem vielzitierten Chorlied der «Antigone» des Sophokles heißt es (Verse 331 ff.): «Vielgestaltig ist das Ungeheure, und nichts ist ungeheurer als der Mensch»1.
Hier zeigt sich eine weitere Besonderheit des russischen 19. Jahrhunderts. Das ,Ungeheure' oder ,Gewaltige' des Menschen, d.h. die Totalität seines Wesens mit allen Abgründen, kam vor allem in der Literatur zur Darstellung, weil die russische Philosophie, Theologie und Rechtswissenschaft blass geblieben waren. Die Literatur kann re-
1 Zum Komplex des Uranfänglichen zwischen Staunen und Ungeheurem vgl. [Schirnding, 2008; Matuschek, 1991; Nichts als der Mensch, 2013; Kaube, 2017; Spier-ling, 2017]. Speziell zu Sophokles siehe [Utzinger, 2003].
gelrecht als «Asyl» der Philosophie angesehen werden1. Es war die schöne Literatur, die das «Allmenschliche» (всечеловеческое) auslotend zur Sprache brachte. In ihr wurde die Frage nach dem moralischen «Endzweck» des Menschen verhandelt. Es ging, wie es u.a. Goncarov im «Обломов» formulierte, um die «Bestimmung des Menschen» (назначение человека)2. Das war die Fortsetzung jener zunächst theologischen, dann eher anthropologischen moral- und geschichtsphilosophi-schen Debatten, die den deutschsprachigen Raum bis zum Idealismus eines Kant, Herder oder Schiller bestimmt hatten3.
Die russische Antwort war, dass Sinnstiftung und Perfektibilität jederzeit von Sinnverlust und Korruptibilität auszuhebeln sind. Warum kann gerade die Tugend (добродетель) jederzeit ins Unglück geraten und warum ist das «Gute, Wahre und Schöne» jederzeit vom Scheitern bedroht? Die russischen Klassiker wussten, dass das Gewissen als göttliches forum internum keineswegs immer als Korrektiv zum teuflischen forum externum jener Verderbenskräfte fungieren kann, die als пошлость, сладострастие, корыстолюбие, лень, нигилизм oder сверхчеловечество daherkommen. Die Todsünden lauern überall, und es ist schwer für den Menschen, vom грешник zum праведник zu werden. Es kann vom Zufall abhängen, ob er sich zum Gottesleugner, zum Gottesnarren oder zum Gottesemphatiker entwickelt. Und was bedeutet -von Dostoevskij über Saltykov und Sologub bis zu Viktor Erofeev -das Wort «Idiot»? Autoren wie Gogol' waren für Nietzsche «Idealisten aus der Nähe des Sumpfes»4.
Schwer ist dementsprechend, im zugehörigen Fragenlabyrinth Antworten zu finden. In manchen Definitionen dessen, was Philosophie sei, steht die Wahrheitssuche vor dem (vermeintlichen) Wahrheitsbesitz. Karl Jaspers (1883-1969) meinte:
das Suchen der Wahrheit, nicht der Besitz der Wahrheit ist das Wesen der Philosophie, mag sie es noch so oft verraten im Dogmatismus <...> Philosophie heißt: auf dem Wege sein. Ihre Fragen sind we-
1 Vgl. hierzu [Goerdt, 1984, S. 61]: «Wer frei philosophieren will, muss dies auf die Weise der Dichtung, in literarischer Form, tun - und er kann dies tun, weil es in Poesie und Philosophie um dasselbe geht. - Dieser sehr enge Zusammenhang von Philosophie und Literatur bleibt von nun an <. > für das russische Denken konstitutiv».
2 Vgl. hierzu [Thiergen, 2016, S. 11-44].
3 Grundlegend hierzu [Macor, 2013].
4 Vgl. [Thiergen, 2011, S. 37-69].
sentlicher als ihre Antworten, und jede Antwort wird zur neuen Frage [Jaspers, 1980, S. 54].
Genau diese deliberativ - dubitative Vorsicht begegnet bei Anton Cechov (1860-1904), der 1888 in einem Brief an A.S. Suvorin mahnte:
<...> Вы смешиваете два понятия: решение вопроса и правильная постановка вопроса. Только второе обязательно для художника. В «Анне Карениной» и в «Онегине» не решен ни один вопрос, но они Вас вполне удовлетворяют, потому только, что все вопросы поставлены в них правильно [Чехов, 1983, T. 3, с. 46].
Lev Tolstoj wiederum hielt in seinem Tagebuch des Jahres 1900 fest:
Художник для того, чтобы действовать на других, должен быть ищущим, чтоб его произведение было исканием. Если он все нашел и все знает и учит или нарочно потешает, он не действует. Только если он ищет, зритель, слушатель, читатель сливается с ним в поисках [Толстой, 1965, T. 20, с. 141].
So oder so ähnlich formulierte Äußerungen kennzeichnen die Selbstkommentare zahlreicher weiterer Autoren der russischen sog. Höhenkammliteratur. Selbst Dostoevskij schrieb in einem vielzitierten Brief von Anfang 1854 aus Omsk, er werde bis zu seinem Tod ein «ungläubiges Kind des Zweifelns» (дитя неверия и сомнения) bleiben. Goncarov ergänzt die berühmte Hamlet-Frage durch die «Oblomov-Frage» (обломовский вопрос) und lässt seinen Erzähler bzw. Oblo-movs Gegentypologie Andrej Stol'c immer wieder um Fragen kreisen, die lauten: was ist richtige Erziehung, wo liegt die Grenze zwischen Gut und Böse, worin besteht das Sinnbild der Liebe (образ любви)? Goncarovs ganzes Schaffen gilt den zentralen Fragen, was ist die «Norm des Lebens» (норма жизни) und «wo ist die Wahrheit?» (где же истина?)1. Ein bis heute unterschätzter Humus dieser Frage-Stilistik ist die seit Beginn des 19. Jahrhunderts immer intensiver gepflegte Kunst der russischen Epistolographie. Die Forschung sollte ihr weitaus mehr Aufmerksamkeit schenken als bisher2.
In all dem spiegelt sich jener menschliche Urtrieb, der seit der Erfindung der Alphabete vor allem bei den Griechen und in der Bibel mit der «Wer sind wir?» - Frage zutage tritt und seitdem das Schrifttum dieser Welt beherrscht. Staunen, Fragen, Suchen, Abwägen, Antworten,
1 Vgl. im «Обломов» vor allem Teil II, Kap. 4 und 5, sowie Teil IV, Kap. 8.
2 Vgl. [Goncarov, 2016].
Zweifeln, Verzweifeln - das ist Treibstoff und Kernenergie aller philosophischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten. Der als Pilatus-Frage «Was ist Wahrheit?» (Joh 18, 38) berühmt gewordene Antrieb gelangte nach vielen Zwischenetappen über den sog. Kritischen Idealismus bis in den Relativismus der Moderne und in den Zynismus der ,postfaktischen' Gegenwart. In Russland fand er - trotz oder gerade wegen der dortigen religiösen wie ideologischen Orthodoxietraditionen -einen Nährboden selten fruchtbarer Schöpfüngskraft1. Autoren wie Tolstoj oder Cechov beriefen sich ausdrücklich auf Sokrates und das mäeutische Fragen. Welcher Richter darf Recht sprechen? Gogol', Leskov, Dostoevskij, Tolstoj oder A. Sinjavskij haben einzigartige ,Gerichtserzählungen' geschrieben.
Das Ringen um Vernunft- und Glaubenswahrheiten brachte eine Fülle von fragenden Titeln hervor: «Wer ist schuld?», «Was tun?», «Was ist Oblomowerei?», «Wann wird kommen der Tag?», «Wer lebt glücklich in Russland?», «Wieviel Erde braucht der Mensch?», «Was benötigt ein Autor?», «Worin besteht mein Glaube?», «Literatur oder Wahrheit?», «Was ist sozialistischer Realismus?», «Worum geht es?» (В чем дело) usf. Nicht wenige dieser Titel gehören zur Textsorte des Essays. Dieser gilt nicht zufällig als Mischform zwischen Dichtung und Philosophie. Das Fragen und In-Frage-Stellen betraf zwar auch die Tagesaktualität, vor allem aber das existentielle Sein. Spätestens seit Gogol' stellt die russische Literatur explizit und implizit die Grundsatzfrage danach, wo des Menschen «Ort» im Leben, wie seine Stellung im Ganzen des Daseins sei. Es geht um die Fundamentalfrage nach Wort und Begriff «место» (bis hin zu sprechenden Figurennamen wie Popriscin). Entsprechend spielen Ortsangaben zum (Un)Behaustsein bei der literarischen Titelwahl eine überragende Rolle («Дачники», «Ледяной Дом», «Мёртвый Дом», «Дворянское гнездо», «Котлован», «Лагерная Литература», «Миргород», «Обитатель предместья» [М.Н. Муравьёв], «Обломовка», «Палата № 6», «Петербург», «Подполье», «Пушкинский Дом» [Битов], «Вишневый сад» etc. p.p.). Außerdem: Wie ist der «Ort im Dasein» zu definieren in einer Gesellschaft, die dem Privateigentum (частная собственность) eine nachgeordnete Rolle beimisst?
Diesem suchenden Impetus entspricht auf kompositorischer Ebene eine auffallende Vorliebe für den Doppel- oder Tripelroman, also für
1 Vgl. [Котельников, 2010].
Werke, die alternierend verschiedene Lebensentwürfe und -verläufe durchspielen und konfrontieren. Selbst wenn die Erzählerbotschaft (die im Realismus zumeist auch der Autorbotschaft entspricht) am Ende für eine bestimmte Variante plädiert oder diese zumindest indirekt als moralisch überlegen erscheinen lässt, erhalten wir doch eine Präsentation diverser Optionen, denen - wenn auch in idealtypischer Zuspitzung -eine gewisse Realitätsnähe zugesprochen werden kann. Hinter äußerem biographischen Kontrast und divergenten Wertvorstellungen kann dabei jederzeit eine innere, psychologische Strukturähnlichkeit erkennbar werden (man vergleiche Lenskij und Onegin, Oblomov und Stol'c, Myskin und Rogozin oder Anna Karenina und Levin). Darüber können selbst konfrontative Eskalationen wie im Duell (siehe Bazarov und Pavel Kirsanov) nicht hinwegtäuschen. Erst das Komplexe und Komplementäre ermöglicht Korrektiv und Ganzheit. Einen optimistischen Bildungsroman als monolithischen Entwurf wird man in der Klassischen russischen Literatur nicht finden.
Der suchende Impetus bringt Charaktere, nicht Typenschablonen hervor. Schon Karamzin gab seiner Erzählung «Чувствительный и холодный» den Untertitel «Два характера». Charaktere («round characters») können sich entwickeln und ändern. Ihr individuelldynamisches Potential ermöglicht, im Unterschied zur Statik des Typus, Unvorhersehbares und Peripetien mit tragischer Fallhöhe. Das ist der Nährboden für den sog. «dramatischen Roman» (драматический роман), den schon Belinskij als Gipfel der Romankunst ansah, weil er ein «Shakespeare-Drama in Form eines Romans» (шекспировская драма в форме романа) hervorbringen könne [Белинский, 1954, Т. 5, с. 22; 1955, Т. 7, с. 406]. Wie Nikolaj Leskovs (1831-1895) «Леди Макбет Мценского уезда» zeigt, kann das «Shakespeare-Drama» auch in Form einer Novelle daherkommen. Diese Interferenz hatte seit dem sog. «emotional turn» des Sentimentalismus und der Romantik den Gattungspurismus des Klassizismus abgelöst und war von der Akzeleration der Literaturentwicklung befördert worden. Turgenev meinte, sein Schauspiel «Месяц в деревне» sei eine «Erzählung in dramatischer Form», und Cechovs Theaterstücke können als «epische Dramen» ohne geschlossene Bauform beschrieben werden. Ihr offenes Ende präsentiert eine futurische Zeit ohne klassische Finalisierung1.
1 Dazu [Thiergen, 1978, S. 337-356], sowie Ders., [Thiergen, 2012, S. 188204, 481-484].
Die russische Literatur des 19. Jahrhunderts steht für die gesamte Spannbreite des Daseins von der alltäglichen Durchschnitts-Tristesse (vgl. Gogol's «пошлость», Goncarovs «Обыкновенная история» oder Cechovs «Скучная история») bis zu Dostoevskijs «надрыв» und seinem «Realismus in höherem Sinn». Das Prozessuale steht unmittelbar neben dem Exzessualen. Nicht zufällig werden die großen Werke der russischen Klassik seit Belinskijs Einordnung des «Евгений Онегин» als «Enzyklopädie des russischen Lebens» bezeichnet [Белинский, 1955, Т. 7, с. 503]. Zugleich haben wir es mit einer «Enzyklopädie» des Lebens überhaupt zu tun, welche sämtliche Daseinsformen zwischen Chaos und Ordnung, zwischen Anarchie und Bändigung darbietet. Von Lermontov bis zu Vladimir Makanin werden «Helden unserer Zeit» beschrieben, die vom Überflüssigsein bis zum Übermenschentum sämtliche Lebensvarianten erfassen. Das Strukturlose und Unbeherrschbare erhält in dichterischer Sprache und gestaltender Architektonik des Kunstwerks ordnende Struktur.
Die Gesamtschau vom Gewöhnlichen bis zum Außergewöhnlichen, von der Banalität des Bösen bis zur Erschütterung durch ungeheure Tragik, vom Agnostizismus über kalte Indifferenz bis zum Messianismus vereint in beispielloser Konzentration die dreifache Ausdrucksform aller großen Literatur: Komik, Tragikomik und Tragödie. Die Menschenexistenz ist schuldhafte Farce und schuldloses Fatum in einem. Protagonist und Antagonist sitzen in ein und derselben Person, genau wie das Bewusste und Unbewusste, das Vorder- und Abgründige, der Traum und der Albtraum. Auszuhalten ist diese Spannung nur durch eine ironisch-distanzschaffende Grundierung, wie sie von Gogol' und Puskin bis zu Dostoevskij, Cechov und Bulgakov anzutreffen ist. Thomas Mann hielt in seinem Essay «Versuch über Tschechow» aus dem Jahre 1954 fest:
Die Lebenswahrheit, auf die der Dichter vor allem verpflichtet ist, entwertet die Ideen und Meinungen. Sie ist von Natur ironisch <.. .> (Kursiv im Orig.) [Mann, 1977, Bd. 1, S. 158].
Schon 1921 hatte er geschrieben:
Seit Gogol ist die russische Literatur komisch - komisch aus Realismus, aus Leid und Mitleid, aus tiefster Menschlichkeit, aus satirischer Verzweiflung <...>.
Von Dostoevskij wiederum sagte er: «Denn unter anderem war dieser Gekreuzigte ein ganz großer Humorist» [Mann, Bd. 1, 1977, S. 177]. Humor, Komik, Ironie und Selbstironie gehören zu den proba-
ten Remedia gegen das Ungeheure. Distanzschaffung dieser Art unterläuft den Normativitätsanspruch deterministischer Modelle und räumt dem Postulat vom freien Willen angemessenen Raum ein. Selbst im «Обломов» heißt es in einem Bekenntnis Oblomovs: «Стоит захотеть!» (Teil I, Kap. 8 gegen Ende). Wenn etwas «lohnt», dann die russische Literatur. Sie entlässt - im Spannungsbogen von anschaulicher Induktion bis zu abstrahierender Deduktion - ihre Leser nirgends in die Kommodität des Denkverzichts. Gibt es eine eindringlichere Warnung vor dem Köder der willenlosen vita passiva als in Dostoevskijs «Großinquisitor»?
VI. Die Aufgabe des Lesers
Onegin, Cicikov, Oblomov, Bazarov, Myskin, Katerina Izmajlo-va, Anna Karenina, Gospoda Golovlevy, Brat'ja Karamazovy - was für eine Helden- und Romangalerie! Allein schon die äußere Handlung und ihre architektonische Struktur faszinieren. Um allerdings auch Bezugstexte, Figurenkonzepte, Thematik und Sprachkunst erkennen und beurteilen zu können, bedarf es eines erheblichen Bildungsvorrats und ausdauernder Lesekonzentration. So gesehen, haben wir es mit Eliteansprüchen zu tun, geschrieben von Koryphäen für Kenner. Als diese Literatur entstand, herrschte in Russland und in weiten Teilen Europas Analphabetentum. Es war, um einen Titel Zukovskijs zu zitieren, Literatur «Für Wenige» (Для немногих). Turgenev bekannte Ende April 1863 in einem Brief an die Gräfin Elizaveta Lambert, er habe «niemals für das Volk geschrieben» (Я никогда не писал для народа). Mit solchen Äußerungen war in der Regel nicht das in Puskins Gedicht «Поэт и толпа» zitierte Vergil-Wort «procul este, profani» (прочь удалитесь, непосвященные) gemeint1, sondern ganz einfach die Tatsache, dass Millionen unverschuldet außerhalb von Schul- und Lesebildung aufgewachsen waren. Heute sind formale Lesefähigkeiten selbstverständlich. Doch wie steht es mit intrinsischem Leseinteresse und Durchhaltevermögen? Wo das Visuelle, Akustische und E-MailMinimalistische dominiert, geraten literarische Texte - und zumal umfangreiche Romanwerke - ins Hintertreffen. Auch in Russland erscheinen mittlerweile Klassikerausgaben in ,schülergerechten' Kurzforma-
1 Vgl. dazu [Бабичев, 1997, с. 625].
ten, die man nur noch als «editiones castratae» (урезанные издания) bezeichnen kann. Thomas Mann sprach einst russischen Autoren die Aura der Heiligkeit zu. Die «heilige» russische Literatur als «сокращенный вариант»?
Lektüre kann kursorisch oder statarisch erfolgen. Sie kann als vergnüglicher Zeitvertreib oder als intensive Verständnisbemühung betrieben werden. Ernsthaftes Lesen sollte Bestandteil jeder verantwortungsvollen Erziehung sein. Nur Lehrer, die fordern, fördern auch. Goethe notiert im Jahre 1810: «Ein Grundübel bei uns ist es, dass auf die erste Erziehung zu wenig gewandt wird. In dieser aber liegt größtenteils der ganze Charakter, das ganze Sein des künftigen Menschen». Der erste Teil von Goethes Autobiographie «Dichtung und Wahrheit» trägt als Motto einen Sinnspruch aus dem alten Griechenland, dessen Übersetzung lautet: «Der nicht geschundne Mensch wird nicht erzogen»1. Engagiertes Lesen bedeutet Anstrengung als Selbsterziehung. Ivan Turgenev bekannte im September 1871 in einem Brief an Afanasij Fet: «Я вырос на классиках и жил и умру в их лагере». Es geht, im übertragenen Sinn, um das alte «Tua res agitur» (речь идет о тебе / дело касается тебя) des Horaz (Послания I, 18, 84) [Бабичев, 1997, с. 693]. In Gogol's «Шинель» steht der appellatorische Satz «Я брат твой».
Gogol' hat gesagt, er habe seine Texte achtmal überarbeitet, bevor sie druckreif gewesen seien2. Wie und wie oft sollten wir die Werke der Weltliteratur lesen? Kann nur wiederholte Lektüre den Großmeistern der Literatur gerecht werden? Vladimir Nabokov hat hierzu eine treffende Antwort gegeben. Ein «guter Leser» müsse vier Dinge mitbringen: Lexika zum Nachschlagen, ein gutes Gedächtnis, Vorstellungskraft und Einfühlungsvermögen. Außerdem sich stets erneuernde Lesefreude:
Es ist seltsam, dass man ein Buch gar nicht einfach lesen kann: man kann es nur wiederlesen. Ein guter Leser, ein mündiger Leser, ein aktiver und schöpferischer Leser, ist immer ein Wieder-Leser [Nabokov, 1982, S. 28].
Im August 1873 hatte Turgenev an Afanasij Fet geschrieben: «Je ne lis plus - je relis - и, между прочим, снова и с немалым удоволь-
1 Dazu [Thiergen, 2016, S. 24].
2 Vgl. [Thiergen, 2003, S. 362-378], zu [Гоголь, 1952, с. 370].
ствием перечитываю Виргилия» [Тургенев, 1965, Т. 10, с. 142]1. Das entspricht dem alten Erfahrungssatz: repetitio est mater studiorum (повторение - мать учения). Wenn es eine Literatur gibt, die den Wieder-Leser verdient, dann ist es die russische Literatur der letzten zweihundert Jahre, mit Vorrang des sog. langen 19. Jahrhundert (Eric Hobsbawm). Dieses war eine «Zeit der Zauberer»2, welche «вечные спутники» hervorgebracht hat.
Große Literatur kann im konkreten Wortsinn überlebenswichtig werden. Friedrich Ohly (1914-1996), einer der renommiertesten Mediävisten und Philologen Deutschlands, hat Folgendes überliefert. Er geriet 1944 für neun Jahre in russische Gefangenschaft, lernte unter schwierigsten Bedingungen in Arbeitslagern Russisch und begann noch dort Autoren wie Puskin oder Lermontov im Original zu lesen und alsbald ins Deutsche zu übersetzen. Er entwickelte die Fähigkeit, sowohl in härtester physischer Beanspruchung als auch im begleitenden Erlebnis des dichterischen Wortes eine Sinnfindung mit lebensrettender Funktion zu erkennen. In einer späteren Rückschau auf diese Lagerzeit hielt er fest, dass Puskin und Lermontov «Dank für Hilfe zum Überleben» gebühre, genauso wie der Erfahrung, schwerster Belastung in Steinbrucharbeit standgehalten zu haben. Ohlys Fazit lautet: «Das Glück aus Puschkin und ein Glück aus Arbeit brauchen einander <...> Im Leid hat Kunst am ehesten Glück bereitet» [Friedrich Ohly, 2014, S. 11]. Diese Bekenntnisse Ohlys haben die vielgerühmte Freiburger Dostoevskij-Übersetzerin Swetlana Geier (1923-2010) noch auf ihrem Sterbelager bewegt3. Verzichten wir als Leser niemals auf ein bleibendes Glück aus russischer Literatur!
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1 Zu Turgenevs exzellenter Kenntnis antiker Autoren vgl. [Zekulin, 2008, S. 169-206].
2 Zu dieser suggestiven Formel vgl. [Eilenberger, 2018].
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