Научная статья на тему 'The ways of denoting the concept «Heimat» by Russian Germans'

The ways of denoting the concept «Heimat» by Russian Germans Текст научной статьи по специальности «Языкознание и литературоведение»

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Ключевые слова
ПОНЯТИЕ «HEIMAT» / УЗКОЕ И ШИРОКОЕ ПОНЯТИЯ СЛОВА / ПЕРВИЧНАЯ НОМИНАЦИЯ И ВТОРИЧНАЯ НОМИНАЦИЯ / CONCEPT «HEIMAT» / NARROW AND BROAD SENSES OF A WORD / PRIMARY NOMINATION AND SECONDARY NOMINATION

Аннотация научной статьи по языкознанию и литературоведению, автор научной работы — Меркурьева Вера Брониславовна

В статье анализируются примеры первичной и вторичной номинации понятия Heimat российскими немцами (писателями, учеными, журналистами, школьниками) в советский и постсоветский период на материале различных дискурсов. Данный анализ позволил объединить эти обозначения в несколько групп.

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Текст научной работы на тему «The ways of denoting the concept «Heimat» by Russian Germans»

ЯЗЫКОВЫЕ КОНТАКТЫ Меркурьева Вера Брониславовна

Доктор филологических наук, профессор кафедры немецкой филологии ФГБОУ ВПО «ИГЛУ», г. Иркутск, Россия

УДК 811.112.2 ББК 81.432.4-314

СТОСОБЫ ОБОЗНАЧЕНИЯ ПОНЯТИЯ «HEIMAT» РУССКИМИ

НЕМЦАМИ

В статье анализируются примеры первичной и вторичной номинации понятия Heimat российскими немцами (писателями, учеными, журналистами, школьниками) в советский и постсоветский период на материале различных дискурсов. Данный анализ позволил объединить эти обозначения в несколько групп.

Ключевые слова: понятие «Heimat»; узкое и широкое понятия слова; первичная номинация и вторичная номинация.

THE WAYS OF DENOTING THE CONCEPT «HEIMAT» BY RUSSIAN

GERMANS

The article discusses the primary and secondary nominations of the concept «Heimat» by Russian Germans (writers, scientists, journalists, pupils) in the Soviet and post-Soviet era as seen in the example of different discourses. The analysis enabled us to divide these denotations into several groups.

Key words: concept «Heimat»; narrow and broad senses of a word; primary nomination and secondary nomination.

BEZEICHNUNGSMOGLICHKEITEN DES BEGRIFFES “HEIMAT” VON

RUSSLANDDEUTSCHEN

Die primare Nomination - meint V.N. Telia - ist eine seltene Erscheinung in den modernen Sprachen. Das Nominationsinventar erweitert sich dank den Entlehnungen und der sekundaren Nomination [Телия, 1998:336]. Ein anderer Wissenschaftler S.G. Vorkatschow bestimmt den Begriff “Heimat” als sozialen, politischen, semiotischen und kulturellen Lebensraum des Volkes, der in seinen wesentlichen Begriffsmerkma-len mit dem Begriff der Nation zusammenfallt [Воркачев, 2008, с. 4].

Als Grundlage unserer Forschung dienen die Texte des schongeistigen, popular-wissenschaftlichen und publizistischen Discourses der Russlanddeutschen Autoren. Uns interessieren die Fragen: Was heipt fur einen Russlanddeutschen “Heimat”? Wie wird sie sprachlich formuliert?

Bemerkenswert ist, dass grope journalistische Ausgaben der Russlanddeutschen sowohl in Deutschland als auch in Russland das Lexem “Heimat” in ihren Titeln enthalten. So wurde in Deutschland von der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland von 1954 bis 2008 die Zeitschrift “Heimatbuch der Deutschen aus Russ-land” herausgegeben.

Seit 1981 wird in der Sowjetunion der Almanach mit einem schonen Titel “Hei-matliche Weiten” veroffentlicht (19 Bucher sind insgesamt erschienen). Diese Be-zeichnung ist eine metaphorische Periphrase zum Wort “Heimat”. Man konnte an-nehmen, dass unter dieser Periphrase die Sowjetunion gemeint war, weil sie ein gropes Territorium umfapte.

Es ist interessant zu wissen, was der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift Hugo Wormsbecher uber diesen Titel schreibt: ”Mit dem Titel des Almanachs gab es eine lange Zeit Probleme und ich schlug vor, in der Redaktion den Wettbewerb zur Wahl des besten Titels zu erklaren. So belegte “Heimatliche Weiten” den ersten Platz. Ich war dagegen. Die Bezeichnung gefiel mir nicht als Titel der Zeitschrift unter anderem auch deswegen nicht, weil fur die einfachen Russlanddeutschen, die die Feinheiten der deutschen Sprache nicht beherrschten und die die deutschen Worter nicht selten durch ihre Ubersetzung aus dem Russischen wahrnahmen, hiepe es nicht so sehr “Weiten”, sondern mehr “Ferne” (дали). Das heipt: dieser Titel orientierte auf die Emigration und fuhrte die Russlanddeutschen vom Kampf fur ihre Zukunft als Nation weg. Ubrigens, bei diesem Verstandnis bekam der Titel einen bestimmt en Protestin-halt: “heimatliche Weiten” konnten als Orte, wo Russlanddeutsche fruher gelebt h a-ben, bevor sie 1941 zwangsgeraumt worden waren, interpretiert werden. Und wenn sie als “historische Heimat” empfunden wird, wurde es heipen, dass diese Weiten, in denen von Anfang des Krieges bis jetzt deportierte Russlanddeutsche lebten, die nicht rehabilitiert worden sind, fur sie bis jetzt nicht heimisch geworden sind”1 [Вормсбехер, 2011]. Diese Interpretation, die den historischen Kontext berucksich-tigt, spricht uber die Mehrdeutigkeit der metaphorischen Periphrase, die unterschied-lich verstanden werden kann.

Wahrend der Konferenz im August 2012 in Moskau “Zweieinhalb Jahrhunderte zusammen mit Russland (zu 250 Jahren der Massenansiedlung der Deutschen in Russland)” wurde die Meinung geaupert, dass dieser Titel der Zeitschrift “Heimatliche Weiten” von “oben” verordnet worden war, vom ZK der KPdSU aufgezwungen worden war, was in der damaligen Zeit ublich war. Um diese Frage endgultig zu kla-ren, wand ich mich personlich an Hugo Wormsbecher. Er antwortete sofort. Ich dan-ke ihm dafur und mochte seine Erganzungen anfuhren, die ich infolge unseres Brie f-wechsels erhalten habe. Ich danke H. Wormsbecher auch dafur, dass er es erlaubt hat, sie zu veroffentlichen.

Hugo Wormsbecher bestatigt, dass dieser Titel in der Redaktion der Zeitschrift “geboren wurde”. Der Autor dieses Titels ist sein Kollege Anatolij Egorschew (Анатолий Егоршев), er bekam dafur den Preis als Sieger des Wettbewerbs. Der Haupt-redakteur der Zeitschrift “Neues Leben” V. Zapanow (В. Цапанов), (der Almanach wurde auf der Basis dieser Zeitung herausgegeben), spielte die wichtigste Rolle bei der Entscheidung, welcher Titel gewinnt. V. Zapanow war fruher Mitglied des ZK der KPdSU, er “wupte”, welcher Titel bestatigt werden konnte. Eben dieser Titel wurde bestatigt. Er wurde spater als Idee des ZK gepriesen, den Almanach so zu ne n-nen, in Wirklichkeit wurde der von der Redaktion vorgeschlagene Titel ubernom-

men.2

1 Meine Ubersetzung - V.M.

2 Aus dem Brief von Hugo Wormsbecher an V. Merkuijewa vom 28. August 2012.

Das ZK ging wahrscheinlich von der Ubersetzung des Titels ins Russische aus, man verstand unter dieser metaphorischen Periphrase nur die Sowjetunion, was am Anfang der Vorstellung dieses Titels angedeutet wurde. Die Mehrdeutigkeit des Wor-tes “Weiten” blieb dem ZK der KPdSU verschlossen. Sie blieb wahrscheinlich der Mehrheit der Russlanddeutschen auch verschlossen, aber es gab bestimmt Menschen in der damaligen SU, die den Protestcharakter dieses Titels verstanden oder auch so wie H. Wormsbecher mit dem Titel unzufrieden waren.

In unserer Zeit erscheint in Deutschland die Zeitschrift “HEIMAT - РОДИНА”. Die Herausgeber dieser Zeitschrift schreiben unter anderem folgendes: «Почему наша газета - газета немцев из России называется "HEIMAT - РОДИНА"? С одной стороны, все просто. Каждый человек имеет свою родину и волен вкладывать в это понятие свой смысл. Для одного - это весь мир или даже вселенная. Для другого - это страна, земля, на которой он родился, в которую вложены любовь и труд его предков, в которой покоится их прах, где предстоит жить его потомкам.

Но с другой стороны, где наша родина?.. Российские немцы волею исторической судьбы более двухсот лет жили в России. На рубеже 18-19-го веков в германских княжествах крестьяне страдали от недостатка земли, а в России ее было в избытке. Вот и поехали наши предки. Для многих это представлялось временным явлением. Судьба распорядилась иначе, но родиной для немцев Россия так и не стала» [Это святое слово - Родина, 2012].

Sie schreiben daruber, dass viele Deutsche, die im 18. Und 19. Jahrhundert nach Russland ausgewandert sind, dachten, dass es nicht lange dauern wird. Das Schicksal hat es anders entschieden. Es wird davon generell gesprochen, dass Russland fur die Deutschen keine Heimat geworden ist. Dieser Gedanke ist aber Russisch formuliert. Russisch ist wohl ihre Muttersprache geworden und geblieben. Bestimmt gibt es auch eine andere Meinung der Russlanddeutschen uber Russland, viele von ihnen halten Russland bis jetzt fur ihre Heimat. Die weiteren Beispiele werden davon zeugen.

Der Begriff “Heimat” ist kein erstarrter Begriff. In Deutschland wurde der Begriff “Heimat” verschieden interpretiert, das hing mit gesellschaftlichen, okonomischen und sozialen Kontexten der Besprechung zusammen [Raschel, 2007]. Im Rahmen ei-nes Artikels ist es ziemlich kompliziert, die Entwicklung des Begriffs “Heimat”, den die Russlanddeutschen benutzen, in der Diachronie zu schildern.

Im schongeistigen Discource der Russlanddeutschen in der sowjetischen Periode wird als primare Nomination das Wort “Heimat” verwendet.

Das war seine Heimat und in seinen alten Tagen mufite er sie verlassen....Hier hatten seine Ahnen gelebt....Hier hatte er sein erstes Madchen geMfit [Klein, S. 85-

86].

Der Begriff der Heimat im engeren Sinn wird immer konkretisiert.

Das Schwarzmeergebiet wurde ihre Heimat, die sie zusammen mit ihren Mitbw-gern gegen aupere Feinde verteidigten und der sie durch den Fleip ihrer Hande zu Wohlstand verhalfen [Klein, 1984, S.16].

Und ich denke oft an den Friedhof in Pordenau. Das ist mein Heimatort, meine ehemalige Heimat. Dort wurde ich geboren, dort wuchs ich auf. Pordenau war eines der 58 deutschen Dorfer in der Molotschnaja im Sйden der Ukraine [Gorzen, S. 22].

Die ehemalige SU wurde als “unermepliche Heimat” bezeichnet [Belger, 1996, S.9]. Aule Kasachstans werden”heimatliche Aule” genannt [Belger, 1996, S.11]. Sehr ausfuhrlich beschreibt H. Belger, was er unter der Wortverbindung “heimatlicher El” versteht (Das Wort “El” ist aus dem Kasachischen entlehnt).Wir fuhren diese metasp-rachliche Passage an:

In jeder Sprache gibt es solche Worter, deren Sinn bedeutend weiter und umfas-sender ist, als das entsprechende Synonym in einer anderen Sprache. Oft gibt es fur sie ^erhaupt keine Entsprechung. Nehmen wir das kasachische Wort «El». Ins Deutsche konnte man es mit «Bevolkerung», «Volk» und sogar «Land» ^ersetzen, manchmal im ^ertragenen Sinne, aber auch mit «Freund». ... Der Kasache sagt: «In meinem El», «Ich war im El», «Ich habe meinen El besucht», «Oh, wie mein El sich freuen wird», «Was wird mein El von mir sagen?» usw. Und das alles bedeutet etwa: meine Heimat, meine heimatlichen Gefilde, meine Nachsten und Verwandte, mein Aul und seine Umgegend, das Land meiner Ahnen, meine Heimat im engeren Sinn, ... .[Belger, 1996, S.15].

Der Autor benutzt ein grafisches Mittel, um diese Wortverbidung hervorzuheben, unterstreicht mit Hilfe der GroPschreibung, wie wichtig dieser Begriff fur die Russ-landdeutsche aus Kasachstan ist.

Allerorts und allezeit kann er offentlich erklaren: «MEIN EL» [Belger, 1996, S.15].

Aus linguistischer Sicht sind die Falle der sekundaren Nomination besonders inter-essant. Im Roman von V. Klein wird in der Apposition prazisiert, dass die Heimat der Russlanddeutschen, die vebannt wurden, das Territorium entlang der Wolga ist.

Wo wollt ihr hin, ihr guten Leute? Warum verlafit ihr die heimatliche Scholle, den trauten Wolgastrand? [Klein,1984, S.85].

Gerade Wolga ist die konkrete Heimat der Russlanddeutschen. Dafur gibt es viele Beispiele.

Schau dich um! Soweit das Auge reicht, ziehen sich gmne Walder und rote Lehmu-fer hin, dazwischen das Silberband- die Wolga [Koln, 1982, S.26].

R. Keil fuhrt die Worte eines Liedes an, in welchem als Heimat Deutschland b e-zeichnet wird. Als sekundare Nomination werden zwei Periphrasen verwendet: Va-terland und Deutsches Reich.

Wir verliefien unser Vaterland

und zogen in das Russenland,

Die Russen waren uns sehr beneidt

Wir stammen aus dem Deutschen Reich,

Und jetzt sind wir den Russen gleich [Keil, 1989, S. 39].

In der Erzahlung von N. Kosko “Die schenste Sproch uf dr ganza Welt...”nennt die Oma Deutschland (schon die moderne BRD) auch “Reich”.

Als sie dann doch in ihr geliebtes “Reich ” kam, ging sie als erstes in einen Gemй-seladen ...[Kossko, 1997, S. 168].

Die Schriftstellerin bewahrt die Periphrase der Oma sogar in der Autorenrede. Die Bezeichung Deutschlands mit dem Lexem “Reich” war neutral unter den Russlanddeutschen, davon zeugen viele Werke, bis zum Anfang des 2.Weltkrieges [Меркурьева, 2010, S.103].

In Bezug auf die moderne BRD wird auch das emotional gefarbte Lexem “Vater-land” benutzt.

Gerade in den Tagen ziehen Hilde und ich ins Vaterland. Ja, ja! Ich habe nur die Flugkarten zu bestellen [Belger, 1996, S.76].

In einer anderen Erzahlung von H. Belger wird die Sowjetunion, in der die Rus s-landdeutschen lebten, als Mutter bezeichnet (EinfluP des russischen Weltbildes. Ver-gleichen Sie: Mutter Heimat). Die Rede ist hier von der Reaktion auf den Erla P zur Zwangsumsiedlung der Wolgadeutschen vom 28. August 1941:

Jedes Wort dieses Erlasses stand in krassem Widerspruch zum gesamten Geist der Sowjetmacht, und dieser Widerspruch war so unfafibar, dass es vielen von Heinrichs Landsleuten nicht gelang, dieses Schockzustandes Herr zu werden. Unter den geistig Gebrochenen war auch Heinrich. Kann ein Kind dann, dachte er, auf der weiten Welt leben, wenn sich die eigene Mutter von ihm lossagt und es sogar verflucht hat?! [Belger, 1996, S.28].

Bei demselben Autor finden wir aber die sekundare Nomination “Vaterland” in Bezug auf Russland zur Zeit des 1. Weltkrieges.

Die Bauernburschen zogen........, sie zogen in den ersten imperialistischen Krieg,

nach dem es in den deutschen Dorfern an der Wolga wie ^erhaupt im ganzen russischen Vaterland drunter und dmber ging. Die dem Gesetz treu ergegebenen, folg-samen Kolonisten starben auf Schlachtfeldern zusammen mit anderen russischen armen schluckern unter dem gleichen Schlachtruf - ftir Glaube, Zar und Vaterland [Belger, 1996, S.85].

Der letzte Teil des Satzes ist eine Lehnubersetzung aus dem Russischen: «за веру, царя и отечество». Also, die sekundare Nomination “Vaterland” ist nicht an das konkrete Land gebunden und wird verwendet sowohl fur die Bezeichnung Deutsch-lands als auch Russlands.

In der Sowjetzeit wurde die Sowjetunion fur die Heimat der Russlanddeutschen gehalten, das war obligatorisch und die Pathetik der damaligen Zeit ist besonders in den Gedichten spurbar:

Lieder, drohnt wie ein Gewitter,

Blumen, unser Land durchwebt.

Stalin ist in unsrer Mitte!

Stalins Wille in uns lebt! [Герман, 2007, S. 551].

Dieses Gedicht eines unbekannten deutschen Autors haben wir im Anhang der Monographie von A.A. Hermann gefunden. In diesem ideologisch markierten Gedicht werden nicht nur “unser Land” (SU), sondern auch Stalin gepriesen.

Im nachsten Auszug aus einem popular-wissenschaftlichen Artikel tritt H. Belger, der Autor des Artikels, als Literaturkritiker auf. Er auPert seine Gedanken uber die Anthologie der sowjetdeutschen Literatur:

Das Motiv der Liebe zur sozialistischen Heimat klingt nachhaltig im Schaffen ei-nes jeden von ihnen.

Auf deiner Erde fanden meine Ahnen Ihr heimisch Nest, ihr Fleckchen Ackerland, schreibt E. Gйnther in dem Gedicht “Mutter Rufiland” [Вє^єг, 1982, S. 220]. Ideologisch gefarbt ist sowohl das Gedicht von E. Gunther als auch die Position des Literaturkritikers, der die Liebe des Dichters zur sozialistischen Heimat wurdigt. Solches ideologische Herangehen an die Kunstwerke war in der damaligen Sowjetunion Norm.

In seinen Erinnerungen schildert Hans Nickel seine Eindrucke nach dem Besuch der Komission, die fur die Ausreise der Auslander verantwortlich war.

Seine Aufgabe bestand darin, der breiten Offentlichkeit zu bezeugen, wie schand-lich, wie verbrecherisch diese Njemzy ihr sozialistisches Heimatland und seine Er-rungenschaften, das neue Denken, usw. usf. verrieten [Nickel, S.64].

Die Periphrase “sozialistisches Heimatland” ist in der indirekten Rede der Frau (Mitglied dieser Komission) zu finden, die feindlich zur Ausreise gestimmt war. In diesem Fall ist die kritische Einstellung des Autors zu dieser Nominatin ganz ersich-tlich, weil die Periphrase mit dem Verb “verraten” kombiniert ist. Die Entlehnung aus dem Russischen Njemzy in Kombination mit dem Demonstrativpronomen diese cha-raktrisieren den Ort und Zeit (Sowjetunion-Sowjetperiode) und zeigen das abwerten-de Verhalten der Mitglieder der Komission zu den Deutschen.

2007 erschien im Verlag GRIN das Buch von Petra Ferdinand-Strob, dessen Titel heipt: “Mit Russland im Herzen und Deutschland im Sinn - Russlanddeutsche in der Bundesrepublik Deutschland: fremd, angepasst, integriert?” Der erste Teil dieser so-zialpsychologischen Untersuchung ist die Zeile aus dem Gedicht von Rosa Pflug, der Vertreterin der alteren Generation der Russlanddeutschen, die 1994 nach Deutschland ubersiedelt ist. Diese Zeile wird oft zitiert, weil sie sehr treffend den Zustand der Russlanddeutschen ckarakterisiert. Sie fuhlen Verbindung mit beiden Landern: sowohl mit Russland als auch mit Deutschland.

In einem anderen Gedicht unterstreicht aber die Dichterin, dass der Mensch nur eine Heimat haben kann. Den Grund, warum es so ist, gibt sie in dieser Strophe an:

Der Mensch hat eine Heimat nur,

sowie ein Herz nur und ein Leben,

die ineinander sich verweben

im steten Wandel der Natur [Pflug. Heimatliches].

Als Heimat der 93 Jahre alten Dichterin bleibt Russland und konkret - Wolga, von der sie traumt:

Wie die Jahre fliehen -

oh, man merkt es kaum.

Meine Wolgaheimat

seh ich oft im Traum [Pflug. Endlos ist mein Leid].

Der Begriff “Russlanddeutscher” ist aber nicht einheitlich. So werden auch Men-schen genannt, die nach Deutschland ubersiedelt sind, ihre Kinder, die dort aufge-wachsen (und sogar geboren sind), die Deutsch schon perfekt beherrschen. Den Kin-dern der Russlanddeutschen wurde vorgeschlagen, einen Aufsatz zum Thema “Wo ist meine Heimat? Wo fuhle ich mich zuhause?” zu schreiben. Die Analyse hat gezeigt, dass sie die sekundare Nomination “zuhause” bevorzugen.

In erster Linie ist es Deutschland, was auch den in Deutschland lebenden jungen Menschen logisch erscheint.

Deutschland ist mein Zuhause. Hier wohne ich mit meinen Eltern und Geschwis-tern, geh an die Schule, hab Freunde, mein Alltag hat sich hier angepasst. (Elena, 16 Jahre, 9. Klasse, Hauptschule) [Wo ist meine Heimat?].

Sehr oft unterstreichen die Vertreter der jungen Generation, dass sie sich an zwei Orten wie zuhause fuhlen.

Ich bin zwar schon mit drei Jahren nach Deutschland gekommen und kann mich nicht mehr an Russland erinnern, aber trotzdem fahle ich mich in Russland zuhause, wenn ich zum Beispiel im Urlaub nach Russland fahre. Aber in Deutschland fahle ich mich auch zuhause, denn ich habe hier meine Freunde, Familie und alle anderen, die mir am Herzen liegen (Vadim, 14 Jahre, 9. Klasse, Realschule) [Wo ist mei-ne Heimat?].

Eigentlich fahl ich mich an beiden Orten zuhause — hier mit meinen Freunden und meinen Eltern, da hier sozusagen mein neues Zuhause ist, wo ich Geborgenheit habe. Aber auch Kirgistan, wo ich geboren wurde, trotzdem ist dort meine Heimat (Eugenia, 17 Jahre, 10. Klasse, Realschule) [Wo ist meine Heimat?].

Manchmal werden die zwei Begriffe Heimat (primare Nomination) und zuhause (Zuhause) (sekundare Nomination) durch das adversative Pronomen aber in einem Satz vereint.

Zuhause fahle ich mich in Deutschland, aber meine Heimat ist und bleibt Russland, da auch meine Wurzeln dort sind (Katarina, 16 Jahre, 9. Klasse, Hauptschule) [Wo ist meine Heimat?].

Die Schuler schreiben in den Aufsatzen auch uber die unsichere Bestimmung ihrer Lage.

Hier bist du Russe, dort Deutscher (Elena, 16 Jahre, 9. Klasse, Hauptschule) [Wo ist meine Heimat?].

In anderen Fallen ist die Bestimmung ganz sicher: Russland assoziiert sich mit Vergangenheit, Deutschland - mit Gegenwart.

Wegen meiner Familie und meinen Vergangenheiten bin ich mit meinem ganzen Herzen in Russland, aber - wie schon erwahnt - in meiner Vergangenheit, denn ftir

mich jetzt liegt mein Zuhause in Deutschland, da, wo ich aufgewachsen bin und viel gelernt habe (Julia, 17 Jahre, 10. Klasse, Realschule) [Wo ist meine Heimat?].

Fur einige Schuler ist der Begriff der Heimat ein “migririerender” Begriff. Als Heimat wird der Ort empfunden, an welchem sich die Eltern befinden, dort, wo die Freunde wohnen, wo man sich sicher fuhlt. Und sehr oft sind es wiederum beide Lander.

Aber am meisten ist meine Heimat da, wo meine Familie und meine Freunde sind. (Vera, 16 Jahre, 9. Klasse, Hauptschule) [Wo ist meine Heimat?].

Meine Heimat ist einfach da, wo ich mich sicher und wohl ftthle und in diesem Fall sind es beide Lander. (Wadim, 15 Jahre, 8. Klasse, Realschule) [Wo ist meine Hei-mat?].

Das Alter und die Erfahrung der Menschen spielen naturlich eine grosse Ro lle bei der Bestimmung des zu erforschenden Begriffes. Die Uberlegungen: “was ist Heimat?” werden besonders ausfuhrlich im kunstlerischen Discourse behandelt. Ein Ve r-treter der alteren Generation meint in einem Text, dass die Heimat nicht auf die Stat-te der Geburt zuruckzufuhren ist.

Ist die Htttte unserer Geburt allein unsere Heimat? Du kommst hinaus in die Fer-ne, siehst viele schone Stadte, das Meer, die gmnen Berge im Sйden, den schonen Nordhimmel, triffst gute, erhabene Menschen. Auch hier wirst du dich heimisch ftth-len, und die Heimat ist mehr und weiter ftir dich als nur die Statte, wo du geboren bist [Koln, 1982, S. 22].

Die Russlanddeutsche Schriftsteller lassen Helden ihrer Werke ihre Gedanken zu diesem Thema aussprechen. Einige von ihnen kommen sogar zur Schlussfolgerung, dass sie keine Heimat im engeren Sinne haben (Vergleichen Sie auch S. 5., was man unter dem kasachischen Wort “El” versteht).

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Wie ist das nun? Also habe ich keinen heimatlichen Hafen? Keinen El? Merk-wrndig ist das: In meiner ganzen grofien Heimat, wo meine Familie schon seit ^er zwei Jahrhunderten lebt, gibt es nicht den kleinsten Winkel, den ich als meinen El be-zeichnen konnte. Bin ich etwa der einzige Unglrnksrabe in der grofien weiten Welt? O nein... nicht der einzige, nicht ich allein ... [Belger, 1996, S.18-19].

Die Heimat im weiteren Sinne des Wortes wird nicht bezweifelt, das Fehlen der Heimat im engeren Sinne wird durch Von-einem-Ort-zum-anderen-ziehen erklart. Dieser Okkasionalismus unterstreicht den Sachverhalt, dass die Russlanddeutschen oft verfolgt wurden und des Ofteren zur Umsiedlung gezwungen wurden. Einige Schlupfolgerungen:

1. Der Begriff “Heimat” ist im kunstlerischen, publizistischen, popularwissen-schaftlichen Discourse, in Memorien, kurz - fast in allen Spharen des Lebens zu tref-fen.

2. Die Analyse des empirischen Stoffes liep die Ergebnisse der Suche des Be-zugsobjekts des Begriffs “Heimat” fur Russlanddeutsche verallgemeinern: er asso-ziiert sich bei vielen in Russland und auch in Deutschland lebenden Russlanddeutschen mit Russland (fruher - mit der Sowjetunion), und ist unterschiedlich als Wol-gagebiet, Ukraine, Kasachstan usw. vertreten.

3. Eine bestimmte Gruppe der Russlanddeutschen empfindet beim Vorhandensein der Heimat im breiteren Sinne des Wortes das Fehlen der Heimat im engeren Sinne des Wortes. Der Verlust der kleinen Heimat ist mit den Repressionen und der Emigration verbunden.

4. Der Begriff “Heimat” korrespondiert bei Russlanddeutschen auch mit Deutschland, das als Vaterland, Reich usw. nominiert wird. Dabei ist Deutschland zu diffe-renzieren: von dem des 18. Jahrhunderts bis zur heutigen BRD.

5. Der Begriff “Heimat” umfapt zwei Lander: Russland und Deutschland, d.h. er stellt “zwei Heimaten” dar.

6. Die primare Nomination “Heimat” wird durch viele sekundare Nominierungen erganzt wie Wolgastrand, Reich, Vaterland, Zuhause, El usw. Einige von den sekun-daren Nominationen werden sowohl in Bezug auf Deutschland als auch auf Russland verwendet (Vaterland, Zuhause, Mutterland usw.)

Literatur

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