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Folia Haematologica
L (morphologisdier) Teil des
Internationalen Zentralorgans für Blut- und Serumforschung
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V. Babes. Bncuresci: Banti, Fircnz«: von Banmgarten, Tübingen : Beifanti, Milano: Bettencourt, Lisböa; Bordet, Bruzelles; Browicz, Kraków; Calmette, Lille; Celli, Roma; Courmont, Lyon: Curschmann, Leipzig; Deckhuyzen, Utrecht; Dengs, Lonvain; Elchhorst, Zürich; Ewlng, New York; Ferran, Barcelona; Foä, Torino; Aklra Fajlnaml, Ky-o-to; E. Grawltz, Berlin; Hamburger, Groningen; Hagem, Paris; M. Heidenhain, Tübingen; Hlava, Prolin; v. Jaksch, Prag; Joest, Dresden; Klemenslewicz, Graz; A, v. Korángl, Budapest; F. Kraus, Berlin; Laache, Kristiania; Laveran, Paris; R. Léplne, Lyon; v. Leube, Würzbtirg; V.Legden, Berlin; L. Loeb, Philadelphia; Löwlt, Innsbruck; Maccallum, Baltimore: Matassez, Paris: Maragllano, Genova; Marcband,Leipzig: Mardüafava.Roma: Aetschnikofl,Paris: Neusser, Wien; NiküoroR, Moskwa; Nodit, Hamburg; Orth, Berlin; Pfeiffer, Breslau; Podwgssotzkg, St. Petersburg; Riva, Parma; Sawtschenko, St. Petersburg; Senator, Berlin; Sherrington, Liverpool; W. S. Thager, Baltimore; Wartbin, Ann Arbor; F. WIdal, Paris A. E. Wright, London;
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v, Willebrand, Helsingfors
Der Lymphozyt als gemeinsame Stammzelle der verschiedenen Blutelemente in der embryonalen Entwicklung und im postfetalen Leben der Säugetiere.1)
Ton
Prof. Dr. Ä. Maximow.
Die ersten Blutelemente entstehen bekanntlich aas den sog. Blutinseln, aus nnregelmässig begrenzten, miteinander netzartig verbundenen Zellansammlungen des peripheren mesenchymalen llesoblasts, im Bereiche der Area opaca. Die peripherischen Zellen der Blutinseln platten sich ab. werden zu Endothelzellen, die inneren runden sich ab und schwimmen als die ersten Blutzellen frei in einer Flüssigkeit, die man Blutplasma nennen kann. Ich habe nun gefunden, dass diese primitiven Blutzellen, wie ich sie nenne, keineswegs Erythrobl asten vorstellen, wie es nach der geläufigen Vorstellung sein sollte, sondern vollkommen indifferente Elemente, mit rundem hellem Kern und schmalem basophilem Protoplasma; es sind weder rote, noch weisse Blutkörperchen; eher dürften sie noch weisse Blutkörperchen genannt werden, da sie manchmal, besonders z. B. beim Hühnchen, sofort amöboid und den grossen Lymphozyten sehr ähnlich sind. Sie wuchern weiter, in der ersten Zeit vergrössert sich ihre Zahl auch noch dnrch Ablösung der Endothclzellen in den primitiven (JefUssen.
Nach einiger Zeit bemerkt man dann, wie sich diese primitiven Blutzöllen in zwei Zeliarten spalten. Die einenT die meisten, arbeiten im Protoplasma Hämoglobin aus und werden dadurch zu den sog. primitiven Eiythroblasten. Es sind grosse, wuchernde, zuletzt sehr hämoglobinreiche Zellen mit relativ kleinen Kernen. Sie dienen dem Organismus lange Zeit, sterben aber allmählich ans und werden von den definitiven Erythroblasten nnd Erythrozyten verdrängt.
Der andere Teil der primitiven Blutzellen bleibt hämoglobinlos — es sind jetzt Zellen mit grossem hellem nukleolenhaltigem Kern, schmalem, amöboidem, stark basophilem Plasmnsamn; histologisch entsprechen sie vollkommen dem Begriff der grossen Lymphozyten. Es sind die ersten Leukozyten des Embryo, die also als Lymphozyten erscheinen.
') Pemonstrationsvortrng, gehalten in der ausserordentlichen Sitzung der Berliner Häinatologischen Gesellschaft am 1. Juni 1909.
Nun sehen wir im folgenden, wie diese intravaskulären Lymphozyten in der Area vasculosa zum Ausgangspunkt der Erytbropoese werden. Sie erzeugen durch heteroplastiscbe Wucherung sekundäre Erythroblasten; zuerst erscheinen hellkernige, kleinere oder grössere Megaloblasten; die späteren Generationen nähern sich immer mehr und mehr dem Nonnoblastentypus, und schliesslich bekommen wir in den Gefässen der Area vasculosa in buntem Durcheinander primitive, sehr hämoglobinreiche Erythroblasten, basophile Lymphozyten und grosse Mengen von haufenweise gelagerten, wuchernden Megaloblasten und Normo-b] ästen.
Trotz der Erzeugung von Erythroblasten dürfen aber die Lymphozyten selbst doch keineswegs als Erythroblasten bezeichnet werden; denn sie geben schon im Dottersack ausser hämoglobinhaltigen Zellen auch Megakaryozyten und verschiedenen anderen Elementen Ursprung, die mit roten Blutkörperchen nichts zu tun haben.
Diese sekundären Erythroblasten sind von den primitiven scharf getrennt und unterscheiden sich von ihnen sofort durch ihren kleineren Umfang und durch den besonders in den Xormoblasten kleineren dunkleren Kern. Schliesslich wird dieser Kern pyknotiseh und verlässt in degeneriertem Zustand die Zelle.
Ich streife hier absichtlich die Frage der Entkernung der Erythroblasten, weil sie sich mir heutzutage in einem Zustande zn befinden scheint, der dem verfügbaren Tatsachenmaterial nicht entspricht. Ich finde, dass alle bekannten Tatsachen für eine Kernausstossung sprechen und keine dagegen; für den intrazellulären Kernschwund liegen hingegen keine direkten Beweise vor — ich meine dabei die normale Blutbildung. Wenn man, wie es z. B. gerade in den hämoglobinreichen primitiven Erythroblasten der Fall ist, oft blasse Kernschatten zu sehen bekommt, so hängt das doch nur davon ab, dass die basische Farbe durch den dicken Hämoglobinmantel nicht durchdringen kann. Sobald aber der Kern heraustritt, färbt er sich sofort dunkel.
Das Gefässnetz der Area vasculosa ist also das erste blutbildende Organ bei dem Säugetierembryo. Hier entstehen Lymphozyten. Erythrozyten und Mega-karvozvten, aber niemals Granulozvten.
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Während sich die beschriebenen Prozesse in den ausserembryonalen Teilen abspielen, bemerkt man im Körpermesenchym, welches zuerst ganz und gar fiei von Wanderzellen ist, schon in sehr frühen Stadien, z. B. bei Kaninchen nnd Meerschweinchen von 4—5 mm Länge, das Erscheinen dex ersten freien Wanderzellen. Sie entstehen durch Abrundung und Isolierung aus den gewöhnlichen, indifferenten, ästigen Mesenchymzellen.
Die ersten Wanderzellen sind im allgemeinen lymphozytenähnlich, das heisst, sie sehen meistens genau so aus, wie die Lymphozyten in den GeHissen der Area vasculosa. Gleich beim ersten Erscheinen, noch mehr in den etwas späteren Stadien, sieht man aber überall im Mesenchym auch Wanderzellen anderer Art auftreten, z. B. Zellen mit blassem, amöboidem, oft vakuolärem Plasma und kleinen,
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unreselmässig gefalteten, hellen oder dunklen Ktrnen. Die Wanderzellen im líesenchym sind also sehr mannigfaltig, sehr polymorph, und zwischen allen ihren Formen bestehen Übergange. Diese histologischen Unterschiede haben auch keine besondere Bedeutung, denn die Grundeigenscbait der Zellen, ihre progressive Entwickln ngspoteuz, bleibt immer unverändert, und alle Wanderzellen des Mesenchyms sind gleichwertig.
Das wichtigste ist aber, dass die Wanderzellen des Mesenchyms auch mit den intravaskulären und im Blute zirkulierenden Lymphozyten der Area vasculosa in morphologischer und physiologischer Beziehung ebenfalls identisch sind; beide sind freie amöboide, indifferente Mesenchymzellen, obwohl diese Zellen, je nach den äusseren Bedingungen, in denen sie sich befinden, sehr verschieden aussehen können.
Wie die Lymphozyten in den Gefässen der Area vasculosa Erythroblasten und Mega karyozy ten erzeugen, so geschieht dies auch an vielen Stellen im Mesen-chym. Im Mesenchym kann aber die differenzierende Entwicklung der Wanderzellen oder der Lymphozyten noch weitergehen — ein Teil von ihnen verwandelt sich hier in granulierte Myelozyten nnd Leukozyten. Meistens entstehen dabei sofort polymorphkernige, kleine, abortive Leukozyten, die im Gewebe einzeln zerstreut liegen und bald degenerieren oder gefressen werden.
Was die Identität der mesenchymatischen Wanderzellen mit den intravaskulären Lymphozyten der Area vasculosa noch weiter beweist, ist die Tatsache, dass das Endothel gewisser Gefässe, vor allem der Aorta, in gewissen Stadien und an bestimmten Stellen intensiv wuchert, wobei grosse Zellhanfen entstehen, die in das Lumen hineinragen, vom Blut weggespült werden und sich als echte Lymphozyten dem zirkulierenden Blute beimischen, Sie können hier von den aus der
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Area vasculosa stammenden Lymphozyten gar nicht unterschieden werden.
Hier möchte ich gleich auch eine kurze Bemerkung über das zirkulierende Blut machen. Trotz der hergebrachten Meinung ist es Tatsache, dass weisse Blutkörperchen, und zwar grosse Lymphozyten, schon von den aller frühesten Entwicklungsstadien an im Blute existieren, und zwar in bedeutender Menge. Die meisten Lymphozyten werden natürlich als Erzeuger der Erythroblasten im blutbildenden Gefässnetz der Area vasculosa zurückgehalten. Aber ein Teil geht doch immer in die Zirkulation über.
Das zweite Blutbildungsorgau des Säugetierembryos ist die Leber. Zwischen den Leberzellen, ext ra vaskulär, werden hier bekanntlich Erythrozyten, Megakaryo-zyten und Granulozyten gebildet. Es fragt sich nun, wo ist der Ausgangspunkt dieser Hämatopoese zu suchen? Wenn man passende Stadien untersucht, findet man, dass zuerst zwischen den Leberzellen und dem Gefässendothel Wanderzellen auftreten, die ganz so aussehen, wie die Wanderzcllen im übrigen Körpermesen-chym; zum Teil sind sie lymphozytenähnlicb, zum Teil kleinkernig und blass. Wenn wir noch weiter zurückgehen und die Stadien untersuchen, wo die Leber-zellenitränge in das Mesenchym des Septum transversum ein wuchern, so gewinnen
wir die Überzeugung, dass sich die Wanderzelieu aus diesem Mesenchym ableiten lassen. Die Mesenchymzellen gelangen als solche, oder schon als Wanderzellen, zwischen die Leberzellen und die Endothelwände der ebenfalls wuchernden Gelasse. Hier bleiben sie zunächst eine kurze Zeit unverändert. Bald entfalten sie aber eine erstaunliche Entwicklungsfähigkeit. Die Wanderzellen verwandeln sich zunächst zum grüssten Teil in wuchernde grosse Lymphozyten, die grosse Mengen von Erythroblasten und Erythrozyten produzieren. Ein kleinerer Teil verwandelt sich in Granulozyten und Megakaryozyten. Also sehen wir auch in der Leber dieselbe indifferente wandernde Mesenchymzelle, den Lymphozyt, zum Ausgangspunkt der Hämatopoese werden. Sie findet zwischen den Leberzellen sehr günstige Existenzbedingungen, wuchert und erzengt die verschiedensten Blutelemente.
Das dritte endgültige Blutbildungsorgan, welches die Leber ablöst, ist das Knochenmark. Auch seine Entstehung habe ich von Anfang an verfolgt. Auch hier sehen wir nun wieder, dass sich in dem jungen, indifferenten Mesenchym, welches in den Knorpel eindringt und ihn resorbiert, ein Teil der fixen Zellen in Wanderzellen verwandelt, die auch zuerst äusserst polymorph aussehen. Auch iiier erlangen sie zuletzt fast alle das Aussehen von typischen Lymphozyten, und diese werden wieder zum Ausgangspunkte der Blutbildung, die eigentlich ebenso verläuft wie in der Leber und ebenso wie dort extravaskulär geschieht, zum Unterschied von der Leber aber für das ganze Leben bleibt. Die Lymphozyten erzeugen auch hier durch differenzierende Wucherung Erythroblasten, Megakaryozyteu und Granulozyten der verschiedenen 3 Arten. Ein Teil von ihnen aber produziert auch ihresgleichen, d. h. typische ungranulierte Lymphozyten, d. h. funktioniert nicht nur myeloblastisch, sondern gleichzeitig auch lymphoblastisch.
Bis jetzt haben wir eigentlich bei der Blutbildung nur die Elemente des sog. myeloiden Gewebes entstehen sehen — Erythrozyten, Megakaryozyten und Granulozyten. Man könnte nun sagen, und Schridde sagt es auch tatsächlich, dass die Zellen, die ich bisher Lymphozyten nannte, gar keine solchen sind, sondern Myeloblasten. Die vou mir beobachteten Elemente entsprechen zwar histologisch vollkommen den Lymphozyten, aber man könnte einwenden, dass nur diejenigen Zellen als Lymphozyteu oder Lymphoblasten zu bezeichnen wären, ans denen nachgewiesenermassen typische kleine Lymphozyten entstehen. Solche Zellen, also die echten Lymphoblasten, sollen aber nach Schridde erst viel später auftreten und auch ganz anders aussehen.
Schon von den frühesten Stadien an können nun allerdings einzelne Exemplare der beschriebenen Wanderzellen typischen kleinen Lymphozyten mehr oder weniger ähnlich sein, aber es ist wahr, dass die letzteren in grossen Mengen im Organismus erst relativ spät entstehen. Im Knochenmark sehen wir schon ziemlich häufig, und je später je zahlreicher, viele von den Nachkommen der wuchernden Grosslympliozyten das entsprechende Aussehen annehmen. In besonders grossen Mengen erscheinen aber die kleinen Lymphozyten in der Thymus. Auch
Organ muss ich hier folglich einiges sagen. Die Kenntnis der Thy-mm-histogenese ist sehr wichtig für die einheitliche Auffassung der Bedeutung der Lymphozyten im Organismus.
Zuerst, ist die Thymus rein epithelial. Dann erscheinen in ihrer Tm-gebung. schon sehr früh, im Mesenchym zahlreiche Wanderzellen von verschiedenem Aussehen, ebenso wie an den auderen Körperstellen; zum Teil sind es wieder grosse Lymphozyten, zum Teil blasse klein kernige Wanderzellen. Alle ¿j.>se amöboiden Zellen wandern nnn in die epitheliale Anlage ein und verwandeln gjch hier in kürzester Zeit sämtlich in typische grosse Lymphozyten. Also eigentlich zuerst dasselbe, wie in der Leber; die ersten Lymphozyten der Thymus siud zweifellos morphologisch dieselben Zellen, wie die ersten Gianulo2yten bildenden Lvuiphozyten in der Leber. Xur sind die Existenzbedingungen für diese Zelleu hier augenscheinlich ganz andere wie dort, denn die Lymphozyten in der Thvmus erzeugen, obwohl sie äusserst stark wuchern, niemals Ery-throblasten und nur sehr spärliche Granulozyten, sondern immer nur ihresgleichen. Sie infiltrieren bald das ganze Organ; mit der Wucherung werden sie immer kleiner und kleiner, und schliesslich bekommt man unzählige Mengen typischer kleiner Lymphozyten, die ins Blut ausgeschwemmt werden.
Was die Lymphknoten anbetrifft, so sieht man bei ihrer ersten Entstehung wieder die Verwandlung kleiner, dichtgedrängter, indifferenter Mesenchym-zellen in kleine amöboide Wanderzellen. Auch hier tritt wieder von Anfang an die starke Polymorphie dieser Wanderzellen hervor; es könuen sofort einzelne grosse Lymphozyten entstehen, meistens bekommt man aber zueist ganz kleine, obzwar hell kern ige, protoplasmaarme amöboide Elemente. Sie wuchern, verwandeln sich dabei zum Teil in typische dunkelkernige kleine Lymphozyten und gelangen in die Lymphspalten. Andererseits sieht man sie sich aber gelegentlich auch in grosse, sogar riesige Lymphozyten verwandeln, die dann weiter, ebenso wie in der Thymus, wieder kl*ine Lymphozyten liefein können. Es tnuss also mit Bestimmtheit hervorgehoben werden, das3 znr Erzeugung typischer kleiner Lymphozyten beim Embryo grosse Lymphozyten gar nicht unbedingt notwendig sind.
Die Untersuchung der foulen Blutbildung lehrt uns also, dass man Myeloblasten nml Lymphoblasten nicht unterscheiden kann. Es existiert eine einzige Zellart, eine ubiquitäre, indifferente, polymorphe, wandernde Meseuchymzelle, die je nach den verschiedenen Bediugungen, in denen sie sich befindet, verschieden aussieht und verschiedene Differenzierungsprodukte liefern kann. Auch rein histologisch sind beim Embryo Lymphoblasten und Myeloblasten nicht zu trennen.
Bei Betrachtung der Blutbildung im erwachsenen Organismus vou dem uns jetzt interessierenden Standpuukt wären vor allem 2 Fragen zu lösen, die sich auf die uugranulierten Zellen beziehen.
Folla Hoematologica. VIII. Band. 2. 9
Die erste betrifft die Wechselbeziehungen der grossen und kleinen Lymphozyten. Diese beiden Begriffe sind geschaffen worden auf Grund von Untersuchungen, die am erwachsenen Organismus ausgeführt wurden. Die geläufige Vorstellung ist nun die, dass die kleinen Lymphozyten durch Wucherung aus den grossen in den Keimzentren entstehen, selbst aber nicht weiter vermehrungsfähig sind und sich namentlich nicht wieder in grosse Lymphozyten zuruckverwandeln können.
Nun glaube ich mich auf Grund meiner Untersuchungen auf einen anderen Standpunkt stellen zti müsseil. Die kleinen Lymphozyten entstehen im erwachsenen Organismus in der Tat meistens durch Wucherung grösserer Zellen. Unmittelbar nach ihrer Entstellung sind sie während einer Zeit lang in der Tat der Wucherung nicht fähig. Wahrscheinlich hängt dieser Zustand von der besonderen, durch die intensive vorherige Wucherung herbeigeführten Kernplasmarelation ab. Dass diese reifen kleinen Lymphozyten aber weiter entwicklungsfähig sind, das halte ich für absolut sicher. Sie gelangen ins Blut und zirkulieren und wenn sie passenden Bedingungen begegnen, dann können sie wieder als vollwertige indifferente Mesenchymzellen zum Ausgangspunkt verschiedenartiger Entwicklungsprozesse werden; sie können sieh sogar sicherlich wieder durch Hypertrophie in teilungsfäliige Grosslymphozvten verwandeln. Der Sinn der merkwürdigen Er-scheinuug, dass im erwachsenen Organismus die Lymphozyten zum grössten Teil das Stadium der kleinen, während einer gewissen Periode der Wucherung unfähigen Zelle passieren müssen, liegt, wie ich glaube, in dem Umstand, dass die Zellen in diesem Zustand der kleinen Lymphozyten besonders leicht in dem Blut- und Lymphström transportiert werden und überall, in alle Organe und Gewebe gelangen können. Dieser Gedanke ist neulich auch von Weidenreich ausgesprochen worden.
Die kleinen und die grossen Lymphozyten sind also bloss vorübergehende Zustände im Leben ein nnd derselben Zellart, des Lymphozyten im weitesten Sinne des Wortes.
Die zweite Frage betrifft die Unterscheidung von besonderen Lympho-blasten und Myeloblasten im erwachsenen Organismus. Wenn diese Unterscheidung beim Embryo, wie wir gesehen haben, keine Berechtigung hat, so braucht man daraus noch nicht a priori auch auf ihre Unmöglichkeit beim erwachsenen Organismus zu schliessen. Eine ganze Beihe von Autoren, mit Schridde an der Spitze, behauptet auch, dass die ungranulierten Zellen im iymphoiden Gewebe einer-, im myeloiden andererseits nicht dieselben Grosslymphozyten, sondern zwei verschiedene Zellarten, Lymphoblasten und Myeloblasten, sind.
L'ber die artliche Identität zweier Zeilarten müssen natürlich erstens die histologischen Merkmale und zweitens die physiologischen Eigenschaften, speziell die prospektiven Entwicklungspotenzen, entscheiden.
Was nun die histologischen Charaktere der beiden Zellarten betrifft, so liess ich in meinem Laboratorium den Herrn Dr. S. Tschasehin die von Schridde angegebenen Unterschiede genau prüfen.
Soviel sich nach den bisher erlangten Resultaten orteilen lässt, gelingt es allerdings schon bei neugeborenen Tieren in den meisten Fällen gewisse Unterschiede zu bemerken, die jedoch von sehr geringfügiger Natur sind. Die Lympho-blasten besitzen einen im allgemeinen schmäleren, homogeneren Protoplasmasanm, während im Kern die Nukleolen grosser und in der Regel sehr tief gefärbt erscheinen. Die sogenannten Myeloblasten besitzen meistens, obwohl nicht immer, einen breitereu Protoplasmasanm von mehr lockerem, retikulärem Gefüge; seine Basophilie schwankt in den weitesten Grenzen. Der Kern enthält stets Xuk-leolen, sie sind aber kleiner und färben sich nicht so distinkt. Überhaupt erscheinen die Myeloblasten viel polymorpher, als die Lymphoblastom, und die unter den Myeloblasten selbst bestehenden Unterschiede sind oft grösser, als die Unterschiede zwischen den Myeloblasten und Lymphoblastom.
Speziell wurde auch die AItmann-Schriddesche Färbung angewandt, die von Schridde als das wichtigste Mittel zur Unterscheidung bezeichnet wird, und es hat sich ergeben, dass die grossen, bei den Eosin-Aznr-Färbungen granulalosen Zellen im adenoiden Gewebe und im Knochenmark, also die Sc hriddeschen Lymphoblasten und Myeloblasten in beiden Fällen sowohl granulahaltig, als auch granulaarm oder granulalos sein können; meistens enthalten sie nur wenige Granula. Also im Gegensatz zu Schridde, nach welchem die Lymphoblasten immer, die Myeloblasten niemals Granula enthalten sollen. Die kleinen und mittleren Lymphozyten enthalten hingegen immer sehr deutliche zahlreiche Körner. Ebenso fürten sich dio Spezialkörnchen und die eosinophilen Körner mit. Die Methode jribt überhaupt ganz dieselben Bilder, wie die altbekannte ursprüngliche von Altmann, und zu Untersuchungen über Blutzeller. erscheint sie mir gerade besonders wenig geeignet. Die verschiedenen Färbungsnüancen, auf die sich Schridde beruft,. können natürlich nicht ernsthaft für dio Unterscheidung bestimmter Zellarten in Anspruch genommen werden. Es versteht sich von selbst, dass alle diese '^ranulabilder überhaupt keine besondere Bedeutung haben können; denn dass in ein und derselben Zelle je nach ihrem Funktionsznstand Grannla. selbst wenn sie iutravttal existieren sollten, ueu auftreten und wieder vergehen können, ist wohl über alle Zweifel erhaben.
Wenn also gewisse, wenig konstante und schwer zn definierende histologische t nterschiede auch vorhanden sind, so muss man andererseits bedenken, dass die Zellen in den Lymphknoten und im Mark sich ja sicherlich in ganz verschiedenen Madien befinden; die histologischen Unterschiede könnten schon dadurch allein genügend erklärt werden. Ausserdem sehen wir ja, dass sich die Lymphozyten ^hon von den ersten embryonalen Stadien an durch äusserst« Polymorphie auszeichnen, obwohl sie trotzdem alle vollkommen gleichwertig sind. Die histologischen Unterschiede allein berechtigen uns also nicht zur scharten Trennung d-r Lymphoblasten und Myeloblasten. Diese Trennung wäre erst möglich, wenn M gelingen würde, zu beweisen, dass die einen Zellen in die anderen uiemals
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übergehen können und dass die Diflerenzierungsprodukte der beiden unter allen möglichen Bedingungen ganz verschiedene sind.
Diese physiologischen oder vielmehr die produktiven zytogenetischen Eigenschaften unserer Zellen wollen wir jetzt näher betrachten. Wenn die Lymphozyten de3 adenoiden Gewebes und die Lymphozyten des Markes gleichwertige Zellen sind nnd normal verschiedene Differenzierungsprodnkte nur aus dem Grunde geben, weil sie sich in verschiedenen Existenzbedingungen befinden, so müsste man versuchen, für die Lymphozyten des adenoiden Gewebes, also für die vermeintlichen Lymphoblasten, solche Bedingungen künstlich zu schaffen, dass sie sich zu Granulozyten und Erythroblasten differenzieren könnten. Es ist ja bekannt, dass bei verschiedenen Gelegenheiten im adenoiden Gewebe myeloide Transformation eintreten kann. Es kann jetzt auch als allgemein bewiesen gelten, dass die letztere dabei von autochthonen Elementen ausgeht. Es fragt sich nur, welche Zellen kommen dabei in Betracht? Es sind bekanntlich nicht die Keim-zentrnmszellen, die sich in Myelozyten und Erythroblasten verwandeln — sondern dies geschieht mit Zellen, die in den Marksträngen der Lymphknoten nnd in der roten Milzpulpa liegen. Die Dualisteu erblicken nuu gerade darin einen Beweis für die Richtigkeit ihrer Anschauungen; nach ihnen sollen es besondere, von den Lymphoblasten ganz verschieden*1, latent schon früher dagewesene Myeloblasten sein, die sich dabei in myeloide Elemente verwandele, oder direkt die Gefässwandzellen. Andere nehmen wieder an, dass dabei besondere adventitielle indifferente Mesenchymzellen zum Ausgangspunkt der Transformation werden.
In meinem Laboratorium liess ich durch Frau Dr. H. Babkin an Tieren besondere Experimente machen, «um der Lösung dieser Frage etwas näher zu treten. In der Milz gelang es sehr leicht, einen Teil der mveloiden Umwandlung, nämlich die Bildung von Myelozyten und Megakaryozyteu hervorzurufen — es genügt dazu, einen aseptischen Fremdkörper in das Milzgewrebe einzuführen — in seiner Umgebung bekommt man sehr bald zahlreiche Myelozyten und Mega-karyozyten. In den Lymphknoten gelang es hingegen vorläufig nicht, mit dieser und ähnlichen Methoden myeloide Verwandlung auszulösen. Auch in der Milz blieben die Malpighischen Körperchen unverändert — die Myelozyten entstanden immer nur in der roten Pulpa und in den Venensinus.
Diese Experimente scheinen ebenfalls auf den ersten Blick für die Verschiedenheit der Lymphoblasten und Myeloblasten zu sprechen. Indessen glaube ich doch nicht, dass ihre vorläufigen Resultate so zu deuten wären. Wir müssen bedenken, dass im adenoiden Gewebe ganz besondere Bedingungen herrschen müssen, die diese Bezirke vor allen anderen Körperteilen gerade für die homoplastische Vermehrung der indifferenten Mesenchymzellen, der Lymphozyten, geeignet erscheinen lassen. In diesen Brutslätten fehlen normal vollständig die Vorbedingungen für die myeloide Verwandlung der Lymphozyten. Diese beiden Arren von Bedingungen, die für die homoplastische Wucherung in unverändert indifferentem Zustande einerseits und die für die heteroplastische, differenzierende
Entwicklung zu myeloiden Elementen andererseits nötigen, sind augenscheinlich Im erwachsenen Organismus miteinander nicht zu vereinigen, und deswegen gelingt es auch nicht auf künstlichem Wege, die Keimzentrumzelleu uud die jungen kleinen Lvmpbozyten an Ort und Stelle ihrer Entstehung za veranlassen, direkt in Granulozyten und Erythroblasten überzugehen. Wo die myeloide Verwandlung Iwginnt. hört andererseits bekanntlich die homoplastische AVucherung auf und verschwinden die Keimzentren.
Wahrscheinlich ist auch die Jugendlichkeit der weitaus grossten Mehrzahl der Lymphozyten im adenoiden Gewebe an und für sich schon selbst ein Hindernis für ihre myeloide Verwandlung; für diese Zellen muss vielleicht eine gewisse Zeit verstreichen, ehe sie der myeloiden Differenzierung fähig werden, und ausserdem müssen sie dazu in besondere, entsprechende Existenzbedingungen geraten; es kann vermutet werden, dass z. B. die Zirkulation im Blutstrom die aus dem adenoiden Gewebe stammenden Lymphozyten zur myeloiden Verwandlung besonders geeignet macht.
Wenu das alles indirekte, vielleicht zweifelhafte Beweise für die Gleichwertigkeit der Lymphozyten des lymphoiden uud myeloiden Gewebes in Bezug auf ihre prospektive Entwicklungspotenz im erwachsenen Organismus sind, so existiert, wie ich glaube, noch ein anderer direkter Beweis, der indessen vorläufig, meiner Meinung nach, von den verschiedenen Autoren, die über heterotope Bildung myeloiden Gewebes geschrieben haben, zu wenig beachtet wurde.
Ich habe nämlich seinerzeit die Histogenese des myeloiden Gewebes studiert, welches sich in der Kaninchenniere nach Unterbindung ihrer Hauptgefässe entwickelt. Dies Objekt ist besonders in der Beziehung günstig, dass ja in dem spärlichen Stroma der Niere in der Norm schou sicherlich keinerlei lympUoide Elemente existieren. Es hat sich herausgestellt, dass dabei alle Knochf-nmark-eleiuente, Granulozyten, Megakaryozyten nnd Erythroblasten aus den Lymphozyten des zirkulierenden Blutes entstehen, also aus Zellen, die ja nachgewiesenermassen ans dem adenoiden Gewebe mit seinen Keimzentren stammen. Die kleinen Lymphozyten des Blutes verwandeln sich dabei wieder in grosse Lymphozyten nnd wandern in das Gewebe als kleine oder schon als grosse Zellen aus. Noch innerhalb der Gefässe oder erst nach der Auswanderung bilden sie dann durch Gran»laanhäufung im Plasma Myelozyten, durch Hämoglobinansarbcituug Erythroblasten. Eigentliche Myeloblasten pflegen im normalen Blut doch wohl nicht vorhanden zu sein, obwohl K. Ziegler die grossen mononnkleären Leukozyten für solche dauernd indifferente nnd entwicklungsfähige Zellen erklärt. Aber auch diese entstehen nach neueren Untersuchungen aus den banalen kleinen Lymphozyten.
Ich glaube annehmen zu können, dass, wenn beim Menschen myeloides Gewebe heterotop entsteht, dies vielleicht auch auf Kosten der ja überall vorhandenen Lymphozyten des zirkulierenden Blutes oder der ihnen vollständig gleichwertigen Lymphozyten des Bindegewebes und des adenoiden Gewebes ge-
schehen könnte, nicht auf Kosten latenter Myeloblasten, oder problematischer wuchernder Adventitiazellen oder Gefässwandzellen.
Alles in allem komme ich folglich zum Schluss, dass auch für den erwachsenen Organismus kein Grund vorliegt, die Existenz von zwei scharf getrennten Zellarten, der Myeloblasten und Lymphoblasten, anzuerkennen. Im Säuge-tierorganisinus existiert eine Zellart. der Lymphozyt im weitesten Sinne des Wortes, die je nach dem Ort ihres Aufenthaltes, je nach den Existenzbedingungen, verschieden aussehen und verschiedene Differenzierungsprodukte liefern kann. Die Lymphozyten sind ubiquitär, überall gleichwertig, histogeno und hilmatogene können nicht unterschieden werden. Im adenoiden Gewebe erzeugen sie durch homoplastische Wucherung nur immer wieder Lymphozyten. Die dabei entstehende leicht transportable Form, der kleine Lymphozyt, zirkuliert mit dem Blut- und Lymphstrom überall im Organismus und erlangt nach einer gewissen Periode der Inaktivität bald wieder die volle Entwicklungsfähigkeit.