Научная статья на тему 'Многоадресная речевая коммуникация в ситуациях профессионального общения (на материале радиопередачи на медицинскую тему)'

Многоадресная речевая коммуникация в ситуациях профессионального общения (на материале радиопередачи на медицинскую тему) Текст научной статьи по специальности «Языкознание и литературоведение»

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Ключевые слова
НЕМЕЦКИЙ ЯЗЫК / РАДИОДИСКУРС / МНОГОАДРЕСНАЯ КОММУНИКАЦИЯ / КАНАЛ «BAYERN 2» / МЕДИЦИНСКАЯ ТЕРМИНОЛОГИЯ / ПОНИМАНИЕ / ПЕРЕВОД / ПРОГРАММА КОНСУЛЬТАЦИЙ / ДИАБЕТ

Аннотация научной статьи по языкознанию и литературоведению, автор научной работы — Хэрбст О.

Предметом статьи является обращение с медицинской терминологией в программе радиоконсультаций «Gesundheitsgesprдch» (разговор о здоровье), транслируемой общественной радиостанцией «Радио Баварии 2». Участники диалога «внутреннего круга» терапевт доктор М. Кох, эксперты, консультанты, отвечающие на телефонные звонки. Аудитория играет роль получателей информации в ситуации множественной адресации общения. В рассматриваемом эпизоде медицинская терминология может быть переведена лексемой, парафразой, ее можно избежать, оставив «нетранслируемой». Общеязыковой термин и парафраз могут быть дополнены медицинским термином впоследствии. Участники диалога во «внутреннем круге» демонстрируют высокое взаимопонимание. Анализируются речевые акты и стратегии статусно различных коммуникантов (врач, модератор, пациент).

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The subject of the article is the handling of medical terminology in an advice program on the radio. It is called “Gesundheitsgesprдch” (a talk about health) and it is aired on Radio Bayern 2, a public radio station in Bavaria. The dialogue participants in the inner circle are the internist Dr. Koch and experts, the advice-seeking callers on the phone and a host. The audience comes into play as recipients: we can talk about multiple addressing of communication. In the examined episode medical terminology can be translated, with either a lexeme or with a paraphrasis, it can be avoided or left untranslated, or the general language term or a paraphrasis can be supplemented by a medical term afterwards. The dialogue participants in the inner circle show a high level of sensitivity towards comprehension.

Текст научной работы на тему «Многоадресная речевая коммуникация в ситуациях профессионального общения (на материале радиопередачи на медицинскую тему)»

ЯЗЫКОЗНАНИЕ

УДК 94(47).08 DOI: 10.18287/2542-0445-2017-23-4-73-78

O. Herbst *

MEHRFACHADRESSIERUNG DIESSEITS UND JENSEITS DER MEDIZINISCHEN FACHSPRACHE: ZUM SPRACHHANDELN IN EINER H Ö RFUNKSENDUNG

MULTIPLE ADDRESSING OF MEDICAL TERMINOLOGY AND BEYOND: ABOUT LINGUISTIC ACTION IN A RADIO BROADCASTS

The subject of the article is the handling of medical terminology in an advice program on the radio. It is called "Gesundheitsgespräch" (a talk about health) and it is aired on Radio Bayern 2, a public radio station in Bavaria. The dialogue participants in the inner circle are the internist Dr. Koch and experts, the advice-seeking callers on the phone and a host. The audience comes into play as recipients: we can talk about multiple addressing of communication. In the examined episode medical terminology can be translated, with either a lexeme or with a paraphrasis, it can be avoided or left untranslated, or the general language term or a paraphrasis can be supplemented by a medical term afterwards. The dialogue participants in the inner circle show a high level of sensitivity towards comprehension.

Key words: medical communication, radio discourse, medical terminology, multiple addressing, comprehension, translation, advice program, diabetes

Das Interesse von Mediennutzern an medizinischen jn der Regel [...] über ein gewisses Maß an Wissen über

Themen nimmt nicht wundei; haben diese doch Mufig Krankheit und Gesundheit im Allgemeinen. Eine wichtige

existenzielle Bedeutung für sie selbst oder nahestehende Quelle für letzteres stellen populärwissenschaftliche

Personen. Auf der anderen Seite sind hier Verständlichkeit Fernsehsendungen zu medizinischen Themen dar"

und Fachsprache zentrale Kateg°rien. „Im Rahmen [Partheymüller 1994, S. 132]. Dies gilt gewiss nicht nur für

diagnostisch-theraPeutischer Handlungen der Fernsehsendungen zu derartigen Themen, sondern auch für

verschiedenen medizinischen Disziplinen wird der Arzt- entsprechende Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften, für

Patienten-Beziehung eine hohe Bedeutung beigemessen" ganze Zeitschriften und Angebote in elektronischen

[Wiese 1994, S. 115]. I. Wiese geht hier stark auf Medien, z.B. bei Social Media, und eben für

Aufklärungsgespräche ein: „Es kann [...] davon Hörfunksendungen.

ausgegangen werden, daß ärztliche Aufklärungsgespräche Der Beitrag ist in drei Teile gegliedert. Im Mittelpunkt

einen wesentlichen Einfluß auf das Krankheits- und des ersten Teils sollen einige wenige theoretische

Behandlungswissen des patienten haben" [ebd.]. Die Vorüberlegungen stehen. Diese sollen mit kurzen

Bedeutung medizinjournalistischer Produkte für den grundlegenden Angaben zu dem Konzept der

patienten ist ebenfalls ganz offensichtlich nicht zu Hörfunksendung „Gesundheitsgespräch" im Programm

unterschätzen: Wenn ein Patient zum Arzt g^ „verfügt er von Bayern 2 verbunden werden. Der zweite Teil dient der

* © Herbst O., 2017

Oliver Herbst ([email protected]), PhD, Department of German Linguistics, Julius Maximilians-University (JMU) Würzburg in Bavaria, Am Hubland, Philosophiegebäude 4.U.4, 97074, Würzburg, Germany.

Analyse einiger Beispiele aus dem Sprachhandeln von Ärztin, Moderator und Ratsuchenden in einer ausgewählten Beispielsendung. Für den letzten Teil ist es das Ziel, die wichtigsten Ergebnisse zusammenzufassen.

Am Beginn des ersten Teils sollen nun theoretische Vorüberlegungen und grundlegende Angaben zu dem Konzept der Sendung stehen. „Medizinische Kommunikation wird in einem weiten Spektrum von alltagsweltlich-existenziellen Relevanzen einerseits und professionell-kategorialen Orientierungen andererseits realisiert" [Sator/Spranz-Fogasy 2011, S. 377]. Dieses Spannungsfeld zeigen unter anderem Ratgebersendungen im Fernsehen oder im Hörfunk, in denen sich Ratsuchende an Experten wenden. Als Beispiel dient in diesem Beitrag eben die Hörfunksendung „Gesundheitsgespräch" im Programm von Bayern 2, einem Hörfunkprogramm des Bayerischen Rundfunks, der eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt darstellt. Die Sendung ist samstags von etwa 12.05 bis 13.00 Uhr zu hören [Bayerischer Rundfunk o.J., o.S.]. Unter einer kostenfreien Telefonnummer können sich Ratsuchende im Studio melden. Solche vom Autor massenmediale Arzt-Patienten-Gespräche genannte Gespräche unterscheiden sich von Arzt-PatientenGesprächen, die nicht dem Zweck dienen, massenmedial publiziert zu werden: Dialogteilnehmer sind in der Sendung, anders als in Praxis oder Klinik, „die Internistin Dr. Marianne Koch und andere Experten", die Ratsuchenden am Telefon, aber auch eine Moderatorin oder ein Moderator, also Ulrike Ostner oder Klaus Schneider [ebd. ]. Des Weiteren kommen als Rezipienten die Zuhörer mit ins Spiel.

Festzuhalten ist an dieser Stelle die in mehrfacher Hinsicht bedeutsame kommunikative Kompetenz, die Marianne Koch in diesem Zusammenhang zukommt. Die 1931 geborene Internistin hatte eine Schauspielkarriere und nahm danach ihr Medizinstudium wieder auf, schloss es ab und führte von 1985 bis 1997 eine eigene internistische Praxis [Bayerischer Rundfunk 20161, o. S.]. Sie ist also mit Arzt-Patienten-Gesprächen gut vertraut. Außerdem gehörte sie u. a. von 1961 bis 1988 dem Rateteam des Fernsehratespiels „Was bin ich an?" an, und sie war von 1975 bis 1981 Moderatorin in der Fernseh-Talkshow „3 nach 9" [ebd.], was für ihre journalistische Kompetenz spricht. Seit 2000 wirkt sie als Medizinexpertin im „Gesundheitsgespräch". Durch ihre Erfahrungen im Medizinjournalismus ist bei den Moderatoren Ulrike Ostner und Klaus Schneider ebenfalls eine entsprechende Kompetenz in Medizinischer Kommunikation vorauszusetzen.

Sehen wir uns die Dialogteilnehmer genauer an. In der Sendung sind die Internistin Dr. Marianne Koch bzw. andere medizinisch relevante Experten zu beobachten. Hinzu kommen die Ratsuchenden am Telefon sowie eine Moderatorin oder ein Moderator, die mit im Studio ist, sowie als Rezipienten die Zuhörer. Damit lässt sich eine Mehrfachadressierung der Kommunikation feststellen. Es sind hier strukturell „zwei ,Kommunikationskreise' zu unterscheiden: der ,innere Kreis' des dialogischen Geschehens und der ,äußere Kreis' der Beziehung zwischen den Dialogteilnehmern des inneren Kreises und dem Publikum" [Burger/Luginbühl 2014, S. 23]. Der „innere

Kreis" des dialogischen Geschehens besteht aus der Ärztin Dr. Marianne Koch bzw. der anderen medizinisch relevanten Expertin oder dem Experten, der Moderatorin oder dem Moderator und den Ratsuchenden, die über das Telefon zugeschaltet werden. Es muss vorausgesetzt werden, dass die Redaktion eine Filterfunktion ausübt und bestimmt, wer von den Anrufern die Möglichkeit hat, in der Sendung um Rat zu bitten. Sehen wir uns auch den „äußeren Kreis" des dialogischen Geschehens an: er ist um die Rezipienten erweitert, die die Sendung über ein Radiogerät oder über den Livestream im Internet bzw. — zeitversetzt — über das Podcast-Angebot des Bayerischen Rundfunks im Internet verfolgen.

Die sprachliche Kommunikation wird — in der Sendung wie in der ärztlichen Praxis — u.a. dadurch erschwert, dass der Fachbereich Medizin eine für Laien (häufig) nicht zu verstehende Fachsprache aufweist [Bechmann 2014, S.60]. Die Verständlichkeit ist aber eine journalistische Qualitätsnorm [Bucher 2005, S. 466]. Die Verwendung fachsprachlicher Ausdrücke indes erweckt innerhalb der Gemeinschaft der Fachsprachenbenutzer und in der Darstellungsfunktion nach außen „den Eindruck besonderer Kompetenz. Zugleich weist sie den gruppenexternen Sprachmitgliedern eine devote Rolle zu" [Bechmann 2014, S. 61]. Die medizinische Fachsprache stellt damit einen elaborierten Sprachcode dar, „der sich nur Wissenden und medizinisch Gebildeten erschließen soll" [ebd.]. Ohne dass von der Sendung bereits etwas bekannt ist, sind solche Störungen der Kommunikation auch im „Gesundheitsgespräch" zwischen den Ratsuchenden am Telefon bzw. den Rezipienten und den Experten im Studio zu erwarten.

Warum ist die Verständlichkeit im medizinischen Umfeld eine so entscheidende Kategorie? Man berichtet vom „Ringen um die Rolle des Patienten im medizinischen Entscheidungsprozess" innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte und dieses Ringen wurde oft auch „als Konflikt zwischen Autonomie und Gesundheit, zwischen den Wertvorstellungen des Patienten und den Wertvorstellungen des Arztes" charakterisiert [Emanuel 2012, S. 107]. Im Falle eines Falles geht es für den Patienten also darum, ob er in die Lage versetzt ist, in einen Entscheidungsprozess eingebunden zu sein, dessen Ergebnis seinen Gesundheitszustand — oder den einer nahestehenden Person — maßgeblich beeinflussen kann. S. Bechmann [ Bechmann 2014, S. 61] geht auf den Unterschied zwischen der medizinischen Fachsprache und vielen anderen Fachsprachen ein: In vielen letzteren nämlich gibt „es kaum Berührungspunkte zwischen den Sprechern der fachlichen Sondersprache und der sprachlichen Sphäre der Gemeinsprachenbenutzer". In der Medizinischen Kommunikation ist der Patient aber „nicht nur Objekt der medizinischen Handlung, sondern in erster Linie auch daran aktiv beteiligt (und zudem emotional betroffen). Kommunikation verlässt also in der Medizin den Raum des Privaten und wird öffentlich" [ebd.]. Für medizinjournalistische Medienprodukte gilt dies besonders.

Der zweite Teil dieses Beitrags ist dafür vorgesehen, Beispiele für das Sprachhandeln von Ärztin, Moderator und Ratsuchenden in einer ausgewählten Beispielsendung zu analysieren. Diese stammt vom 12.11.2016 mit dem Titel

„Normal leben — mit Diabetes Typ 1? Zum Welt-DiabetesTag". Als Experten im Studio werden zwei Mediziner genannt: PD Dr. Peter Achenbach vom Helmholtz-Zentrum München und Dr. Marianne Koch. Moderator ist Klaus Schneider. Sie bilden mit den Ratsuchenden am Telefon den „inneren Kreis" des dialogischen Geschehens. Während der ersten etwas mehr als 14 von 54 Minuten Sendezeit sind nur die beiden Experten und der Moderator in einem Gespräch miteinander verbunden. Anschließend ist der erste Anrufer zu hören. [Bayerischer Rundfunk 20 162, TC 00:00 - 14:12].

Ich habe sechs Muster festgestellt, wie mit fachsprachlichen Ausdrücken umgegangen wird: Entweder werden sie übersetzt, mit einem Lexem oder einer Paraphrase, oder sie werden gemieden oder bleiben unübersetzt, oder der allgemeinsprachliche Ausdruck oder eine paraphrasierende Beschreibung werden nachträglich durch den Fachterminus ergänzt.

Begonnen wird mit den Fällen, in denen fachsprachliche Ausdrücke auf unterschiedliche Art und Weise übersetzt werden. Ein Beispiel dafür stammt ziemlich vom Anfang der Sendung. Diese läuft erst rund anderthalb Minuten. Der Moderator Klaus Schneider spricht die Ärztin Marianne Koch direkt an: Zunächst aber mal ganz grundsätzlich zu Beginn die Frage, Frau Dr. Koch: Was ist Diabetes eigentlich? Koch: Diabetes ist eine Krankheit, die bei uns leider immer weiter zunimmt, und es geht um Folgendes: Wenn wir Nahrung zu uns nehmen, vor allem Kohlenhydrate, Zucker, und so weiter, dann wird die im Darm zerlegt und als Zuckermoleküle in das Blut eingeschleust [Bayerischer Rundfunk 20162, TC 01:32 — 01:59]. Als Marianne Koch den Terminus Kohlenhydrat verwendet, übersetzt die Ärztin diesen direkt danach mit Zucker und setzt ihren Satz fort. Genauso geschieht dies im Folgesatz: Und das heißt, dass das Blut also eine gewisse, ein gewisses Level von Glucose hat, von Zucker, und dann wird in der Bauchspeicheldrüse, im Pankreas, wird Insulin freigesetzt, weil es dieses Insulin braucht, um die Zucker, diese Energie, Zuckermoleküle, in die Zellen einzuschleusen [Bayerischer Rundfunk 20162, TC 02:00 — 02:23]. Hier wird der Terminus Glucose ebenfalls direkt danach mit Zucker übersetzt und der Satz anschließend fortgesetzt. Dies geschieht metonymisch, weil Glucose einen bestimmten Zucker meint und Zucker hier nicht als Oberbegriff wie bei den Kohlenhydraten zu verstehen ist. Auffällig ist, dass Marianne Koch Kohlenhydrat und Glucose auf eigene Veranlassung, also ohne dass nachgefragt wird, übersetzt. Sie tut dies, aus ihrer ärztlichen und medizinjournalistischen Erfahrung heraus, gewiss präventiv, um den Rezipienten das Verständnis zu erleichtern.

Offenbai-, wenn Übersetzungen mit einem Lexem nicht ausreichen oder zweckdienlich sind, um die komplexen Sachverhalte einigermaßen erschöpfend zu beschreiben, nutzt die Ärztin eine längere Paraphrase. Es ist schon dargestellt worden, dass der Moderator Marianne Koch gefragt hat [Bayerischer Rundfunk 20162, TC 01:32]: Zunächst aber mal ganz grundsätzlich zu Beginn die Frage, Frau Dr. Koch: Was ist Diabetes eigentlich? Marianne Koch antwortet, nachdem sie, wie oben beschrieben, die Vorgänge im Körper, wie sie bei einem Nichtdiabetiker stattfinden, erklärt hat: Nun gibt es zweierlei Arten von Diabetes. Das

eine ist der Diabetes Typ I, über den wir heute ja bevorzugt sprechen wollen. Bei Diabetes Typ I findet keine Insulinproduktion mehr statt im Pankreas, in diesen Inselzellen, wie die heißen. Nicht mit einem Schlag, aber so nach und nach, und zwar deshalb, weil der Körper selbst sich gegen diese Zellen, die das Insulin produzieren, richtet, das nennt man eine Autoimmunreaktion, eine Autoimmunkrankheit, und sozusagen, ja, diese Zellen dahingehend stilllegen, dass sie kein Insulin mehr produzieren, und dann steigt natürlich der Blutzucker an im Blut [...] [Bayerischer Rundfunk 20162, TC 02:39 — 03:29].

Marianne Koch setzt also zu einer längeren Erklärung an, um die Krankheit des Diabetes Typ I zu beschreiben. Moderator Klaus Schneider verwendet für Diabetes das Lexem Zuckerkrankheit, relativiert diesen Ausdruck aber selbst, indem er ihn als volkstümlich markiert: Und deshalb spricht man ja auch von der, allgemein von der Zuckerkrankheit, so im Volksmund [Bayerischer Rundfunk 20162, tc 03:43]. Offenbar findet Frau Koch also eben genau ihre längere Paraphrase zweckdienlich oder ausreichend für die zugrunde liegende Inhaltsseite. Auch Peter Achenbach, der zweite Experte im Studio, verwendet dieses Verfahren der Paraphrasierung. Als es um den Anstieg von Diabetes-Typ-I-Neuerkrankungen weltweit geht, sagt der Forscher: Wir sehen in der Anzahl der Neuerkrankungsfälle schon in den letzten Jahrzehnten einen kontinuierlichen Anstieg, und das sehen wir nicht nur in Deutschland oder in den entwickelten Ländern, sondern wir sehen das weltweit AAlso wir haben hier eine sogenannte Pandemie, eine Ausdehnung, die sich in der ganzen Welt vollzieht [Bayerischer Rundfunk 20162, tc 10:32 — 10:48]. Ein anderes Beispiel: Einen Anrufer, der selbst als Patient entsprechende Diabeteserfahrung hat, unterbricht die Ärztin im Satz. Als der Mann mit Patientenerfahrung den fachsprachlichen Ausdruck Pankreatitis nennt, übersetzt sie diesen sofort mit Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Anrufer: Ich bekam also eine Pankreatitis <...> Koch: Eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse, ja. Anrufer: Ja, genau. Des warmeizweite. Ich hatte, ich hatt schon mal eineghabt vor einigen Jahren [Bayerischer Rundfunk 20162, tc 32:41 — 32:51].

Frau Koch unterbricht als medizinjournalistisch erfahrene Ärztin auch ihren Kollegen in einem Fall, um eine Paraphrase zu einzuschieben, wohl um ein drohendes Verständnisproblem beim Publikum zu verhindern. Achenbach: Das korreliert, also das stimmt sehr gut überein zum Beispiel mit der Anzahl von parasitären Darmerkrankungen in diesen Ländern, die nicht so... Koch: Also Würmer und solche Sachen. Achenbach: Richtig [Bayerischer Rundfunk 20162, tc 13:04 — 13:13]. In einer kurzen Paraphrase erläutert Marianne Koch also die Wortgruppe parasitäre Darmerkrankungen, indem sie das Beispiel Würmer für Parasiten nennt. Auch ein Anrufer erläutert mit Hilfe einer Paraphrase einen selbst gewählten fachsprachlichen Ausdruck, in diesem Fall Azidose: Ich bekam also eine Pankreatitis ... Koch: Eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse, ja. Anrufer: Ja, genau. Des war mei zweite. Ich hatte, ich hatt schon mal eine ghabt vor einigen Jahren. Und dann, äh, äh, hat sich da a AAzidose angeschlossen. AAlso es wurdalso ka Insulin mehrproduziert

von, von, von diesen Inselzellen [Bayerischer Rundfunk 20162, TC 32:41 - 33:00]. Dieser Patient hat sich offenbar intensiv mit seiner Erkrankung befasst. Er kann sein Wissen kundtun, und dabei ist ihm offenbar bewusst, dass er nicht nur vor den anderen Dialogteilnehmern, sondern auch vor dem Publikum spricht. Denn die Ärzte und auch der Moderator kennen eine Azidose.

In der Sendung werden fachsprachliche Ausdrücke auch gemieden. Dies gilt vor allen Dingen dann, wenn Anrufende sprechen. Ein Anrufer spricht über die Diabetes-Typ-I-Neuerkrankung seiner damals kleinen Enkelin: Dann haben die einen Notarzt gholt, und dann ist sie ins Krankenhaus komma. Dann ist festgestellt worn, dass sie ins Zuckerkoma gefallen ist. Hat die Diabetes I bekommen. Und jetzt frag ich mich: Kann des von diesem Schock, von diesem Erlebnis des Zucker herkommen? [Bayerischer Rundfunk 20162, TC 16:06 - 16:26]. Mit dem Schock ist ein Erlebnis in der frühen Kindheit gemeint, als sich das Mädchen gefürchtet hat. Der Anrufer, ganz offensichtlich, ein medizinischer Laie, spricht nicht von Diabetischem Koma, von Coma diabeticum oder vom hyperglykämischen Schock, sondern vom umgangssprachlichen Zuckerkoma. Da die Ausdrucksseite eindeutig die Inhaltsseite benennt, ist der fachsprachliche Ausdruck für die Verständigung auch gar nicht unbedingt nötig. Sowohl die Experten als auch der Moderator und das Publikum wissen, worum es sich bei einem Zuckerkoma handelt, auch wenn sie wohl einen Fachterminus verwenden würden. Das Gleiche gilt, als der Anrufer fragt: Kann des von diesem Schock, von diesem Erlebnis des Zucker herkommen? Mit des Zucker benutzt der Anrufer die volkstümliche Bezeichnung für die Diabeteskrankheit. Auch hier benennt er aber mit der Ausdrucksseite Zucker eindeutig die Inhaltsseite 'Diabetes'. In beiden Fällen wird der Anrufer von den Experten oder dem Moderator nicht korrigiert, bzw. seine Angaben werden nicht ergänzt oder erläutert. Die Verständlichkeit ist nicht in Gefahr.

Ein weiteres Beispiel für das Meiden von Fachtermini zeigt sich, als Marianne Koch auf eine Frage des Moderators Klaus Schneider die Symptome von Typ-II- und Typ-I-Diabetes vergleicht. Hier geht es um den Typ II: Das Schlimme ist: Also bei Typ-II-Diabetes gibt es ja ganz lange keine Symptome. Die Leute wissen oft nicht, dass sie das haben. Und erst wenn dann also ein sehr starker Durst einsetzt und eine sehr starke Entwässerung des Körpers stattfindet, weil der Körper natürlich versucht, den Zucker rauszukriegen, dann kann es eben auch, dann werden die Leute aufmerksam [Bayerischer Rundfunk 20162, TC 05:06 — 05:28]. Hier spricht Frau Koch davon, dass ein sehr starker Durst einsetzt und eine sehr starke Entwässerung des Körpers stattfindet. Sie sieht also davon ab, die fachsprachlichen Ausdrücke Polydipsie und Diurese für diese Vorgänge zu verwenden, wohl weil beide in der Allgemeinsprache zu unbekannt sind. Das Meiden fachsprachlicher Ausdrücke seitens der Fachleute geschieht wohl vor allem zugunsten des Publikums, also um dessen Verständnis zu sichern, da es nicht unmittelbar auf Äußerungen im „inneren Kreis" des dialogischen Geschehens reagieren kann.

Der nächste Fall ist: Es bleiben fachsprachliche Ausdrücke auch unübersetzt, weil wohl die Dialogteilnehmer ihre Verständlichkeit beim Publikum voraussetzen. Dies ist vor allem bei einem allgemeinsprachlich so verbreiteten Ausdruck wie Symptom der Fall, bei dem die Übersetzung in Krankheitszeichen gerade angesichts eines medizinisch interessierten Publikums redundant wäre. Es soll, um ein Beispiel zu nennen, zu der vorigen Sequenz zurückgeblendet werden, in der Marianne Koch die Symptome von Typ-II- und Typ-I-Diabetes miteinander vergleicht: Das Schlimme ist: Also bei Typ-II-Diabetes gibt es ja ganz lange keine Symptome. Die Leute wissen oft nicht, dass sie das haben. Und erst wenn dann also ein sehr starker Durst einsetzt und eine sehr starke Entwässerung des Körpers stattfindet, weil der Körper natürlich versucht, den Zucker rauszukriegen, dann kann es eben auch, dann werden die Leute aufmerksam [ebd.].

Dieses Vorwissen seitens des Publikums ist gewiss auch bei Insulin der Fall, einem zentralen Terminus bei Diabetes, der die gesamte Sendung über nicht erklärt wird. So sagt Marianne Koch in ihrer Erklärung der Krankheit des Diabetes Typ I zum Beispiel: Das eine ist der Diabetes Typ I, über den wir heute ja bevorzugt sprechen wollen. Bei Diabetes Typ I findet keine Insulinproduktion mehr statt im Pankreas, in diesen Inselzellen, wie die heißen. Nicht mit einem Schlag, aber so nach und nach, und zwar deshalb, weil der Körper selbst sich gegen diese Zellen, die das Insulin produzieren, richtet, das nennt man eine Autoimmunreaktion, eine Autoimmunkrankheit, und sozusagen, ja, diese Zellen dahingehend stilllegen, dass sie kein Insulin mehr produzieren, und dann steigt natürlich der Blutzucker an im Blut [...] [Bayerischer Rundfunk 20162, TC 02:42 — 03:30]. Dass der Terminus Insulin unübersetzt bleibt, hängt also gewiss damit zusammen, dass bei Hörern einer Sendung, die sich gezielt mit Diabetes befasst, vielleicht eine gewisse Vorbildung vorausgesetzt wird. Außerdem ist Insulin auch Teil der Allgemeinsprache.

Molekül, das in dem Determinativkompositum Zuckermolekül vorkommt, wird ebenfalls nicht übersetzt. Koch: Wenn wir Nahrung zu uns nehmen, vor allem Kohlenhydrate, Zucker, und so weiter, dann wird die im Darm zerlegt und als Zuckermoleküle in das Blut eingeschleust [Bayerischer Rundfunk 20162, TC 01:48 — 01:59]. Vielleicht verzichtet Marianne Koch deshalb darauf, weil sie davon ausgeht, dass das Bestimmungswort Zucker als ausreichend erklärend für die gesamte Wortbildung fungiert.

Es gibt überdies Fälle, in denen die Ärztin Marianne Koch zunächst den allgemeinsprachlichen Ausdruck verwendet und dann den fachsprachlichen Ausdruck nachschiebt. Dies geschieht zum Beispiel in der Sequenz am Anfang der Sendung, in der die Ärztin zunächst die Vorgänge im Körper eines Nichtdiabetikers beschreibt: Und das heißt, dass das Blut also eine gewisse, ein gewisses Level von Glucose hat, von Zucker, und dann wird in der Bauchspeicheldrüse, im Pankreas, wird Insulin freigesetzt, weil es dieses Insulin braucht, um die Zucker-, diese

Energie, Zuckermoleküle, in die Zellen einzuschleusen [Bayerischer Rundfunk 20162, tc 02:00 — 02:22]. Marianne Koch nennt also zunächst den allgemeinsprachlichen Ausdruck Bauchspeicheldrüse, um den stärker fachsprachlichen Ausdruck Pankreas folgen zu lassen und den Satz dann weiterzusprechen. Hier geht es möglicherweise darum, mit der Nennung des fachsprachlichen Ausdrucks den wissenschaftlichen Anspruch zu sichern, aber auch das Wissen des Publikums zu erweitern. Hier ist also eventuell das Ziel, einen gewissen Bildungsanspruch mit Blick auf die Krankheitsgeschichte umzusetzen und vielleicht auch die Autonomie des Patienten zu stärken.

Der Anrufer mit eigener Diabeteserfahrung, von dem schon zweimal die Rede gewesen ist, verfährt in einem Fall übrigens ähnlich. Damit ist das sechste und letzte Muster des Umgangs mit Fachtermini erreicht. Anrufer: Da is dann a Typ I festgstellt worn, dieser späte Erwachsenen typ, Typ LADA nennt sich des [Bayerischer Rundfunk 20162, tc 33:42 — 33:48]. Der Anrufer nennt zuerst eine allgemeinsprachliche Wortgruppe, eine Paraphrase, nämlich dieser späte Erwachsenentyp, und schiebt dann erst den Fachterminus LADA nach. Der Anrufer — das zeigt sich hier wieder — ist sich augenscheinlich seiner Rolle im dialogischen Geschehen dieser Hörfunk-Ratgebersendung, sprich der Mehrfachadressierung seiner Aussagen, sehr bewusst. Er muss ja auch hier annehmen, dass zumindest die beiden Mediziner, aber wohl gleichermaßen der Moderator wissen, was LaADA ist. Deshalb ist zu vermuten, dass der Anrufer Verständnis beim Publikum herstellen will, indem er diese Diabetesvariante zunächst kurz erklärt, bevor er sie benennt.

Zum Schluss sollen die Ergebnisse zusammenfassend festgehalten werden:

1. Die Übersetzungsleistung können im dialogischen Geschehen die Ärztin, eine andere Expertin oder ein Experte, der Moderator (was diese konkrete Sendung betrifft, theoretisch) oder die Ratsuchenden selbst erbringen. In dieser konkreten Sendung über Diabetes waren dies vor allem die beiden Mediziner, aber auch ein Patient mit eigener Diabeteserfahrung. Entweder geschieht die Übersetzung in dieser Sendung direkt nach der Nennung des fachsprachlichen Ausdrucks, oder die Erklärung wird bereits dem Fachterminus vorgeschaltet. Der Moderator hält sich mit Erklärungen von Termini zurück — weil die anderen Teilnehmer am dialogischen Geschehen sein Eingreifen nicht nötig machen.

2. Bei den Teilnehmern am dialogischen Geschehen ist ein hohes Maß an Bewusstsein für Verständlichkeit zu bemerken. Ein Symptom dafür ist, dass eben der Moderator nicht eingreifen muss. Entweder ergänzen sich die anderen Teilnehmer bei der Erklärung gegenseitig, oder sie sorgen selbst durch verschiedene Verfahren dafür", sich verständlich

auszudrücken. Vor allem bei M. Koch mit ihrer langen medizinischen und journalistischen Erfahrung ist dies zu bemerken.

References

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2. Bayerischer Rundfunk (20161): Dr. Marianne Koch. Die Ärztin vor der Kamera. Erscheinungsdatum: 11.03.2016. Retrieved from: http://www.br.de/unternehmen/inhalt/br-geschichten/br-geschichten-marianne-koch-100.html (Zugriffsdatum: 28.04.2017) [in German].

3. Bayerischer Rundfunk (20162): Gesundheitsgespräch. Normal leben — mit Diabetes Typ 1? Zum Welt-Diabetes-Tag. Hörfunksendung. Sendetermin: 12.11.2016, 12.05 - 13.00. Bayern 2. URL: http://cdn-storage.br.de/MUJIuUOVB wQIbtChb6OHu7ODifWH_-by/_AiS/ _ArH_2rf571S/ 161112_1200_Gesundheitsgespraech_Normal-leben—mit-Diabetes-Typ-1 -Zum-Welt-.mp3 (Zugriffsdatum: 28.04.2017) [in German].

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О. Хэрбст*

МНОГОАДРЕСНАЯ РЕЧЕВАЯ КОММУНИКАЦИЯ В СИТУАЦИЯХ ПРОФЕССИОНАЛЬНОГО ОБЩЕНИЯ (НА МАТЕРИАЛЕ РАДИОПЕРЕДАЧИ НА МЕДИЦИНСКУЮ ТЕМУ)

Предметом статьи является обращение с медицинской терминологией в программе радиоконсультаций «Gesundheitsgespräch» (разговор о здоровье), транслируемой общественной радиостанцией «Радио Баварии 2». Участники диалога «внутреннего круга» — терапевт доктор М. Кох, эксперты, консультанты, отвечающие на телефонные звонки. Аудитория играет роль получателей информации в ситуации множественной адресации общения. В рассматриваемом эпизоде медицинская терминология может быть переведена лексемой, парафразой, ее можно избежать, оставив «нетранслируемой». Общеязыковой термин и парафраз могут быть дополнены медицинским термином впоследствии. Участники диалога во «внутреннем круге» демонстрируют высокое взаимопонимание. Анализируются речевые акты и стратегии статусно различных коммуникантов (врач, модератор, пациент).

Ключевые слова: немецкий язык, радиодискурс, многоадресная коммуникация, канал «Bayern 2», медицинская терминология, понимание, перевод, программа консультаций, диабет.

Статья поступила в редакцию 20/X/2017. The article received 20/X/2017.

* Хэрбст Оливер ([email protected]), phD, кафедра немецкого языкознания, Баварский университет имени Юлия Максимилиана, г. Вюрцбург (ФРГ), Am Hubland, Philosophiegebäude 4.U.4, 97074, г. Вюрцбург, Германия.

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