Научная статья на тему 'Rezeption von Böhme in Schelling’s Philosophie'

Rezeption von Böhme in Schelling’s Philosophie Текст научной статьи по специальности «Языкознание и литературоведение»

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Текст научной работы на тему «Rezeption von Böhme in Schelling’s Philosophie»

I. Phokin

(St. Petersburg)

REZEPTION VON BÖHME IN SCHELLING'S PHILOSOPHIE

Hat man vergessen, daß die neue Philosophie bei alten Mystikern, bei Jakob Böhme namentlich, in die Schule gegangen ist?

Vischer1

Das wesentliche Merkmal des deutschen Idealismus ist sein Verständnis des menschlichen Bewußtseins, menschlichen Geistes, des Ich als Ausgangspunkt in der Wirklichkeitsinterpretation. Die deutsche Philosophie schreitet von der Metaphysik der transzendenten Werte zur Entdeckung der menschlichen Persönlichkeit als Zentralpunkt aller Denken und Handeln. Das Absolute, bis jetzt von weiter Ferne betrachtete, aktualisiert sich schon im menschlichen Bewußtsein, im Geist des Menschens, im Ich. Das Denken wird als Schöpfungsakt verstanden, als solches, wo Ich, nach Fichte, die Welt setzt. Nach Hegel, realisiert sich Gott im menschlichen Geist, und der absolute Geist kommt im Menschen zu seinem Bewußtsein und zur Verwirklichung.

Dieser Schritt zum deutschen Idealismus deutschen Mystik wurde von der, u. a. von Jakob Böhme. Schon die mittelalterliche mystische Theologie Meister Eckeharts versuchte mit seiner Lehre über „Seelenfunke" (oder „Seelenburg") erkenntniß-theoretisch die Erfahrung der Einigung mit Gott zu erklären. Im Menschen selbst, in seiner Seele gibt es etwas Unerschöpfliches, „Gottesfunke", wo oder wodurch Gott seinen Sohn gebähret und wo er gleichzeitich sich selbst verwirklicht. Böhme beschreibt dieses Geschehniß der Einigung im Seelenburg nicht nur als Einbruch des Transzendenzwesens in der menschlichen Seele, sondern auch als Seelenserhebung im innerlichen Gottesleben — bis dahin, wo die Seele

1 Lütgert W. Die Religion des deutschen Idealismus und ihr Ende. Bd. II. Gütersloh, 1923. S. 137.

selbst im Gottes Schöpfen und Gotteserlösung teil nimmt. Damit wurde der Ausgangspunkt erst angewiesen, woraus die Wirklichkeit schon in und aus der menschlichen Seele verstanden und vernommen wird, aus Seelenstätigkeit im Denken. Damit war die idealistische Denkensstellung zur Wirklichkeit sehr deutlich angewiesen, d. h. die Stelle des Deutschen Idealismus in der Geschichte der Philosophie. Und dank dieser mystisch-theosophischen Erörterung der Einigung mit Gott war die Integration der Kenntnis und Erkenntnis, die später iden Deutschen Idealismus kam, möglich in Fichte's Lehre vom schöpferisches Ich, und später in dieLehre von der schöpferischen Denkenskraft, wo die beiden Principien schon als Grund der allgemeinen Erkenntnistheorie verstanden wurden.

Alle diese Vorstellungen finden ihr Abbild in der Lehre des deutschen Idealismus über das Bewußtsein. Im menschlichen Bewußtsein offenbart sich Gott glechzeitig als Schöpfer der Natur und als Herr der Geschichte. Die Selbst-Anschauung, das Anschauen des eigenen Ich schließt die Anschauung nicht nur auf Gotteswesen auf, sondern auch auf das Naturwesen. In seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie sagt Hegel darüber:

„Die Grundidee bei ihm ist das Streben, alles in einer absoluten Einheit zu erhalten, — die absolute göttliche Einheit und die Vereinigung aller Gegensätze in Gott. Sein Haupt-, ja man kann sagen, sein einziger Gedanke, der durch alles hindurchgeht, ist im Allgemeinen die heilige Dreifaltigkeit, ß in allem die göttliche Dreieinigkeit aufzufassen, alle Dinge als ihre Enthüllung und Darstellung... Ein Hauptgedanke Böhmes ist, daß das Universum ein göttliches Leben und Offenbaren Gottes in allen Dingen ist; ß näher, daß aus dem einen Wesen Gottes, dem Inbegriff aller Kräfte und Qualitäten, der Sohn ewig geboren wird, der in jenen Kräften leuchtet: die innere Einheit dieses Lichts mit der Substanz der Kräfte ist der Geist".2

Wenn die Zentral-Anschauung der idealistischen Philosophie die Tiefe des Geistes und der Natur gleich begreifen will, und wenn sie die Natur als Gottesoffenbarung betrachtet, und wenn die Selbsterkenntnis

2 Hegel G. W. F. Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Bd. III. Frankfurt/M., 1971. S. 98-99.

des Ich gleich auch die Naturerkenntnis, begreift so wird dadurch auch das mystische Naturverständnis entwickelt.

Es ist zweifellos, daß im mystischen Erleben der Einheit mit Gott und in der mystischen Erfahrung der Wesensanschauung sich der starke Impuls zum philosophischen Fragestellen befindet. Jedes philosophische System beruht sich auf eine bestimmten Beziehung zur menschlichen Kenntnis des Seins, auf der gewissen Stellung zum Sein oder zur Wirklichkeit. Und auch die wahre Mystik entdeckt sich uns erst mit dem wahren mystischen Erleben Gottes. Deswegen ist die „theoretische" Erkenntnis der mystischen Theologie ohne das religiöse Leben unmöglich. Es gibt keine „säkularisierte" Mystik, und dasselbe gilt auch für die allerlei Mystik-Erkenntnisse. Und in dieser Beziehung gibt es einen bestimmten Unterschied unter den deutschen Geist-Philosophen.

Franz von Baader (1765-1841) war der erste Philosoph, der in der Theosophie die Mystik erkannte. Es ist bemerkungswert, das beidem ersten Versuch, noch als Junge, Baader das Buch mit Böhmes Schriften gegen die Wand geschmissen hat. Zehn Jahre später hielt er schon die Vorlesungen über Böhme's Lehre und bereitete die neue Auflage seiner Schriftenvor. Wozu? Um die deutsche Philosophie zu ihren Urquelle zurückzubringen. Zum guter Letzt sieht sich Baader selbst im Lichter der Böhmische Erwartung des Ende der Zeiten an. Nach späteren Ansichten Baaders, ist die Zeit der spekulativen Theologie, die er sein ganzes Leben zu erwecken versuchte, schon da, und das ist die „Lilien Zeit", wie sie Jakob Böhme nannte.

Bei anderen Philosophen Anfangs des XIX. Jahrhunderts trifft man auch ähnliche Ansichten, die von einer tiefen Erschütterung von der Entdeckung der mystischen Theologie zeugen.

Unabhängig von Baader, obwohl einem anderen philosophischen Ausgangspunkt, Zeigte sich Fichte mit seinem Principium des absoluten Ich (seit 1794), der — wahrscheinlich unbewusst — die deutsche Mystik, die schon seit Meister Eckehart das ganze Universum aus dem innerliches Ich zu deduzieren versuchte, wiedererlebten. Neben Fichte, wenn man es von der traditionphilosophischen Seite betrachtet, aber näher zu Baader im religiösen Sinne, steht Schelling (seit ca. 1797 und später). Denn für Schelling's Denken ist immer der christliche Glaubensgang

sehr verwandt — besonders bezieht es sich auf seine Gottes- und Menschensstellung zum Gottes-Verständnis. Schellings religiöse und geistige Erweckung und Ziehung entsteht von der schwäbischen Theosophie Friedrich Oetinger's (1702-1782), der Schelling's erste Schritten in der Philosophie unter gewissen lebendigen Tradition der christliche Mystik sehr beeinflußt hatte.

Das, was Schelling und Baader zusammen hält, besonders wenn man es „gegen" Fichte betrachtet, ist die Verleugnung beider Denker von transzendent-schöpherischen Ich-Begriff, als solchem, zu dem auch die Realität der transzendent-geistigen Welt gehört. Nach Fichte, ist Gott nur deswegen da und nur so und auf solche Weise, wie er im Menschen wirket und webet, denn nur dadurch (durch die Menschheit insgesamt) verwirklicht sich Gotteswille. Nach Schelling sind die Natur und Geschichte zwar zwei Seiten der einheitlichen Verkörperung (Verwirklichung) Gottes, doch das absolute Ich ist nicht der ganze Gott, und in dieser Beziehung sind seine Vorlesungen „Philosophie der Offenbarung" (1841/1842) der vollständigste Ausdruck der mystischen Theologie, die sich an den meisten Grundtatsachen der christlichen Aufrichtigreit und an den Ansichten der Realität der transzendenten Welt festhielt, sowie an der Persöhnlichkeit Gottes.

Bei Schelling sind die spekulativen Gedanken niemals von ihren religiösen Gründen abgerissen. Wie man sehen das aus sein Brief an Georgii kann:

„Ich habe von jeher das Leibliche nicht so herabgesetzt, als der Idealismus unserer Zeiten gethan hat und noch thut. Wir können uns nicht mit einem allgemenen Fortdauern unserer Verstorbenen begnügen, ihre ganze Persöhnlichkeit möchten wir erhalten, nichts, auch das kleinste nicht, von ihnen verlieren. Wie wohlthuend ist da der Glaube, daß auch der schwächste Theil unserer Natur von Gott an-und aufgenommen ist, die Gewißheit von der Vergötterung der ganzen Menschheit durch Christus. In der Tat, wenn diese mystische Verbindung der göttlichen und menschlichen Natur der höchste Punct im ganzen Christenthum ist, so ist die Überzeugung von einer wirklichen Einheit Gottes und der Natur (kraft der sie nicht bloß als ein Fehlerhaftes oder Hervorgebrachtes, sondern auf eine eigentlichere und persönliche Weise

zu ihm gehört) der wahre Vollendungspunkt menschlicher Wissenschaft. Von diesem aus erscheint uns erst Alles in höherem Lichte. Gerade der Tod, der uns unsere Abhängigkeit von der Natur verwünschen läßt und der ein menschliches Gemüth im ersten Eindruck fast mit Abscheu gegen diese unbarmherzige Gewalt erfüllt, die auch das Schönste und Beste wenn es ihre Gesetze fordern, schonungslos vernichtet, gerade der Tod, tiefer erfaßt, öffnet uns das Auge für jene Einheit des Natürlichen und Göttlichen. Wir können einmal der Natur eine gewiße untergeordnete Allmacht nicht absprechen; wenn sie nun nicht Gott ist, so ist sie eine Art von anderem Gott, dem wir wenigstens mit einem Theil unseres Wesens angehören. Wie können wir nur Kinder des wahren Gottes sein, da wir doch nicht von seinem Fleisch und Blut sind? Oder wie wird der Gott, der lauter Geist ist, den Leib auferwecken, der dem anderen Gott angehört, und ihn mit dem Geist wieder verbinden, der allein seines Geschlechtes ist? Ohne jede letzte Hoffnung wäre selbst die Gewißheit der sogenannten Unsterblichkeit nur eine halbe, mit Schmerzen vermischte Freude. Die Gewißheit, daß der durch den Tod hindurchgegangen ist, der zuerst die Verbindung zwischen der Natur und dem Geisterreiche wiederhergestellt hat, wandelt den Tod für uns in einen Triumph, dem wir entgegengehen wie der Krieger dem gewissen Sieg".3

Schelling und Hegel sind beinahe die einzigen Philosophen, die am Anfang des XIX. Jahrhunderts so tief Böhme vernahmen und verehrten. Es ist erstaunenswert, wie diese „Begriffs"-Denker aus einer solche dunklen Quelle, wie es die Böhmische Philosophie war, schöpfen konnten. Hier ist schon wieder Oetinger's Theosophie zu erwähnen, denn Friedrich Oetinger als erste geistige Nachfolger Böhmes, ergänzte Böhme's Einfluß auf Schelling und Hegel. Man Kann sagen, dass die Hauptquelle der Urbegriffe Schellings und z. T. Hegels Philosophie im gewissen Sinne aus den Ansichten Böhme's und Oetinger besteht.

Schon die erste selbständige Periode Schelling's Philosophie, die Naturphilosophie, kann man nur aus Beziehung zu seiner Grund in Pansophie verstehen. Hier weicht Schelling schon sehr viel ab Kants- und

3 Schellings Leben aus seinen Briefen. Bd. II. (1803-1820). Leipzig, 1870. S. 248 (an Georgii, München, am Osterfeste, 1811).

Aufklärungsphilosophie. Selbst Fichte fand es „sinnlos" die Naturphilosophie neben der Ich-Philosophie zu entwickeln, als die letzte Schel-ling von ihm am Anfang seines Philosophierens nahm. Auf jeden Fall in Schellings ersten Schriften — „Ideen zur Philosophie der Natur" (1797) und „Von der Weltseele" (1798) — geht er eher von dem pansophischen Gesichtspunkt aus. Hier will er eine „Philosophie der Chemie" und „spekulative Physik" entwerfen. — Bemerkungswert, daß die Menschener-kenntnißprobleme — ihre Grenze oder ihre Bedingungen —hier überhaupt nicht erörtert werden, was seit Descartes, und besonders seit Kant überall das aktuellste Hauptthema des Philosophierens war.

Im gewissen Sinne kann man behaupten, daß Schelling hier auf der vorkritischen Stufe des philosophischen Denkens steht. Dabei ist er glechzeitig der Antipode des Aufklärungsverstandes, dessen Einseitigkeit schon von Kantsseite kritisiert wurde. Hier sieht man besonders deutlich wie stark Schelling mit der alten theosophischen Lehre, die auf Böhmes und Oetingers Theosophie grundete, verbunden war.

Die nächste Stufe von Schellingsentwicklung war seine Philosophie, die er im „System des transzendentalen Idealismus" (1800) und besonders in den „Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums" (1803) darstellte. Es genügt hier auf an seinen Gottesbegriff zu zeigen, um zu verstehen, wie tief Schelling schon mit Böhme zusammenhängt.

„Die Geschichte, — sagt Schelling hier, — als Ganzes ist eine fortgehende, allmählich sich enthüllende Offenbarung des Absoluthen".4

Diesen Gedanke treffen wir schon bei Oetinger, der die Idee Gottes auch mit der Geschichte verbindet, wenn er die Theosophie in eine Art der Geschichtsphilosophie umzubilden versucht.

Seit 1802 stärkt sich der theosophische Einfluß auf Schelling. Die Romantiker entdeckten Böhme wieder, doch im damaligen Deutschland hat beinahe niemand, außer Baader, Böhmes Ansichten geistwissenschaftlich untersuchte. Deswegen Kann man sagen, daß Böhmes Einfluß auf Schelling am ehesten dank Oetinger geschah.

1806 übersiedelte Schelling nach München, wo er Baader und dessen Freundeskreis kennengelernte. Infolge dieser Bekanntschaft kommen

4 „Bruno". Schelling's Werke. Bd. 3. S. 60 f.

1809 seine „Philosophische Untersuchen über die menschliche Freiheit" heraus, mit denen seine sogenannte „späte" Periode begann, die mit den Vorlesungen „Über die Weltalter" (1811/1815) und über „Philosophie der Mythologie" und „Philosophie der Offenbarung" (1841/1842) endete. Hier sieht man schon dieselbe theoretischen Ansichten wie zuvor; jetzt aber versucht Schelling (z. B. in der Einleitung zum „Weltalter") seine eigene Stellung in der allgemeinen Geschichte der Philosophie zu erklären, die Stellung, die er schon als geistige Entwicklung der Menschheit versteht. Von jetzt an unterscheidet er deutlich zwei Traditionen — die theosophische und die philosophische. „Die erste, — sagt er, — hat an Tiefe, Fülle und Lebendigkeit des Inhalts vor der letzten gerade soviel voraus, als der wirkliche Gegenstand vor seinem Bilde, die Natur vor ihrer Darstellung voraus hat... Denn diesen Vorzug haben die theoso-phischen Systeme vor allen bisher geltenden, daß in ihnen wenigstens eine Natur ist, wenn auch eine ihrer selbst nicht mächtige, in den andern dagegen nichts als Unnatur und eitle Kunst".5

Wenn Schelling über die „philosophische" Tradition spricht, so meint er hier Kant und Fichte, vor allem aber auch Hegel. Alle diese Systemen enthalten, nach Schelling, „Unnatur" und „eitle Kunst". Das bedeutet, daß diese „unnatürliche" Philosophien aus bloßen „Begriffen" entstanden waren, und daß sie sich auf keine Wirklichkeit beziehen. Anders besteht die Sache mit der Theosophie. Diese, nach Schelling, hat „Tiefe, Vollendung und das lebendige Enthalten". Gewiß, sagt Schelling, erreichten die Theo-sophen auch kein reines Wissen, denn es fehlt ihnen die „Klarheit". Wie Mystiker, die den Theosophen „die Geburten der Dinge gleichsam unmittelbar und aus unmittelbarem Schauen zu beschreiben versuchten"6 — der Versuch, der, nach Schelling, schon am Anfang auf Mißglück verdammt war. Deswegen waren bei ihnen das reine Denken und die letzte Wirklichkeit auch nicht versöhnt. Also sieht, Schelling ganz deutlich die Grenzen der Theosophie, und damit auch der Böhmes Ansichten.

„Jakob Böhme, — sagt Schelling, — spricht bekanntlich viel von einem Rad der Natur oder der Geburt, einer seiner tiefsten Apperceptionen,

5 Die Weltalter. (Fragmente). München, 1976. S. 8.

6 Ibid. S. 206.

wodurch er den Dualismus der Kräfte in der mit sich selbst ringenden, sich selbst gebären wollenden aber nicht könnenden Natur ausdrückt. Aber eben er selbst ist eigentlich dieses Rad, er selbst diese Wissenschaft gebären wollende, aber nicht könnende Natur. Die Rotation seines Geistes entsteht dadurch, daß er jenem Substantiellen, in dessen Gewalt er ist, vergebens zu entkommen und zur freier Wissenschaft sich zu entringen sucht".7

Schelling meint, daß er selbst Böhme's Sache weiter entwickeln kann. Er versucht auch „tiefes, erhaltentliches, lebendiges" Denken und außerdem die „wissenschaftliche Klarheit" zu erreichen. Im Sehnen nach dieser Klarheit besiegt bei Schelling sein geschichtliches Gottesbegreifen allmählich sein mystisches Gottesbegreifen. Schelling meint hier über den Gottesbegriff: „Gott ist etwas Realeres als eine bloße moralische Weltordnung und hat ganz andere und lebendigere Bewegungskräfte in sich, als ihm die dürftige Subtilität abstrakter Idealisten zuschreibt".8

Über moralische Weltordnung sprachen schon Kant und Fichte, unter „abstrakten Idealisten" meint er hier Hegel. Schelling macht den Vorwurf an Hegel, daß seine Philosophie „bloße negative Philosophie" ist, daß sie aus abstrakte Prinzipien und Begriffe ausgeht und geht nicht über das bloße „logische System". „Gott", nach solcher negativen Philosophie, ist nicht lebendiger, sondern „gedachter" Gott, dessen Handeln nichts mehr als die „notwendige Selbstentfaltung" ist. Das Wichtigste ist aber, nach Schelling, das freie Handeln Gottes in der Geschichte.

Also will Schelling die «lebendig bewegende Kräfte" in Gott untersuchen, der vor allem die zwei Kräfte voraussetzt, die aufeinander wie Ja und Nein wirken, wie Liebe und Zorn, wie Anziehung und Abstoßung. Ähnliche Gedanken treffen wir schon bei Böhme. Auch die Gottesgeburt stellt sich Schelling gleichwie Böhme vor: „Da nichts vor oder außer Gott ist, so muß er den Grund seiner Existenz in sich selbst haben. Das sagen alle Philosophen; aber sie reden von diesem Grund als einem bloßen Begriff, ohne ihn zu etwas Reellem und Wirklichem zu machen. Dieser Grund seiner Existenz, den Gott in sich hat, ist nicht Gott absolut

7 Schelling's Werke. Ergänzungsband VI. S. 123.

8 Schelling's Werke. Bd. 7. S. 356.

betrachtet, d.h. sofern er existiert; denn er ist ja nur der Grund seiner Existenz, Er ist die Natur — in Gott; ein von ihm zwar unabtrennliches, aber doch unterschiedenes Wesen".9

Die höchste Substanz ist, nach Spinoza, causa sui. Die Theosophen aber versuchten den Gottes-Grund zu objektivieren, der Gott gebähret und diesen Grund von Gott als von Existierender zu unterscheiden. Diese Vorstellung nimmt auch Schelling von ihnen an.

Hier scheint es genug auf die Schelling's Begriffserörterung vom Böse anzuweisen, denn dieser Böse-Begriff entsteht ganz von Böhme's und Oetinger's Gedanken. Für Schelling ist das Böse kein bloßes Nichtsein, sondern die wirkende Kraft, die sich im Gott selbst wurzelt. Nach Oetin-ger, gibt es im Gottesleben einen innerlichen Zusammenhang die beide gegensätzlichen Anfänge zusammen verbindet; während im Menschen und auch in der Welt dieses Band völlig zerrißen ist. Wie Oetinger sagt auch Schelling: „Wäre nun im Geist des Menschen die Identität beider Principien ebenso unauflöslich als in Gott, so wäre kein Unterschied... Diejenige Einheit, die in Gott unzertrennlich ist, muß also im Menschen zertrennlich seyn, — und dieses ist die Möglichkeit des Guten und des Bösen".10

Schelling gibt hier ein festiges Bild, während bei Oetinger man die allmähliche Anschauungsentwicklung sieht.

Wie Böhme, philosophiert auch Schelling auf eschatologische Weise. Er ist überzeugt, daß das wahre Wissen nur in der Zukunft erst möglich wird. Im Vorwort zu den Vorlesungen über die Zeitalter beschreibt er das letzte Zeitalter — nicht konkret, aber doch ganz auf prophetische Weise, indem er die zukünftige Einheit aller Wissenschaften behauptet; nur dann, unter der Bedingung dieser geistwissenschaftlichen Einheit, wird es, nach ihm, die Möglichkeit des wahrhaften Systems geben. Das Endziel seines Philosophierens formuliert er auf solche Weise: „Eine kurze Zeit, und die Verachtung, womit ohnedieß nur noch die Unwissenden auf alles Physische herabsehen, wird aufhören, und noch einmal wahr werden das Wort: Der Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein

9 Ibid. S. 357.

10 Ibid. S. 364.

worden. Dann wird die so oft vergebens gesuchte Popularität von selbst sich ergeben. Dann wird zwischen der Welt des Gedankens und der Welt der Wirklichkeit kein Unterschied mehr seyn, und der Friede des gold-nen Zeitalters zuerst in der einträchtigen Verbindung aller Wissenschaften sich verkünden".11

Hier wiederholt Schelling dieselben Gedanken, die er schon 1802 in den Vorlesungen des akademischen Studiums ausgedrückt hatte: «Auch in der Wissenschaft und Kunst, — sagt Schelling in seinen Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums, 1802, — hat das Besondere nur Werth, sofern es das Allgemeine und Absolute in sich empfängt... Der besonderen Bildung zu einem einzelnen Fach muß also die Erkenntniß des organischen Ganzen der Wissenschaften vorausgehen. Derjenige, welcher sich einer bestimmten ergibt, muß die Stelle, die sie in diesem Ganzen einnimmt, und den besondern Geist, der sie beseelt, so wie die Art der Ausbildung kennen lernen, wodurch sie dem harmonischen Bau des Ganzen sich anschließt, die Art also auch, wie er selbst diese Wissenschaft zu nehmen hat, um sie nicht als ein Sklave, sondern als ein Freier und im Geiste des Ganzen zu denken. Sie erkennen aus dem eben Gesagte schon, daß eine Methodenlehre des akademischen Studiums nur aus der wirklichen und wahren Erkenntniß des lebendigen Zusammenhangs aller Wissenschaften hervorgehen könnte, daß ohne diese jede Anweisung todt, geistlos, einseitig, selbst beschränkt sein müsse".12

11 Ibid. S. 206.

12 Schelling's sämmtl. Werke. Bd. V. Stuttgart; Augsburg, 1859. S. 212-213.

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