[ilGlilUlGilÜ GRAECIA ANTIQUA mmmmiÜ
philologia classica vol. 16. fasc. 2. 2021
UDC 821.14+821.124
Humorvolle Abwehr. Ärzte und ärztliches Handeln als Objekte antiker Witze
Georg Wöhrle
Universität Trier, Universitätsring 15, 54286, Trier, Deutschland; [email protected]
For citation: Georg Wöhrle. Humorvolle Abwehr. Ärzte und ärztliches Handeln als Objekte antiker Witze. Philologia Classica 2021, 16 (2), 174-185. https://doi.org/10.21638/spbu20.2021.201
Die antike Literatur, insbesondere die Epigrammatik bietet eine große Anzahl an Witzen über schlechte Ärzte. Sie können (oft) gefährlich sein, sind dumm, grob, manchmal sexuell übergriffig oder habgierig und auf jeden Fall unfähig. Im nachfolgenden Beitrag wird eine Grundtypisierung dieser Witze, wie sie sich z. Bsp. in den inschriftlichen Denkmälern, in den Epigrammen der Anthologia Graeca, sowie in der Philogelos-Sammlung, bei Martial und Au-sonius finden, aufgezeigt, deren Funktion wie zu allen Zeiten im Sinne eines psychologischen Ventils angesichts der Machtlosigkeit gegenüber einem mächtigen Berufsstand verstanden werden kann. So kann der Arzt als eigentliche Todesursache in den Blick treten. Die bloße Berührung ist todbringend; die Erwähnung seines Namens kann bereits letale Folgen haben. Oder man nimmt die technische Unvollkommenheit, ja Stümperei des ärztlichen Personals in den satirischen Blick, und dies in den verschiedenen Abteilungen der Medizin, von der Augenheilkunde über die Chirurgie bis zur Internistik. Gerne wird schließlich auch moralisches Fehlverhalten von Ärzten, ihre Habgier, aber auch sexueller Missbrauch humorvoll aufs Korn genommen. Am Ende des Beitrages wird kurz auf ein Epigramm des Ausonius eingegangen, in dem man einen Vorschlag findet, wie man solchen bedenklichen Zeitgenossen unter den Ärzten aus dem Weg gehen kann: Indem man sie gar nicht erst als Ärzte anerkennt. Stichworte: antike Medizin und antike Literatur, Witze über schlechte Ärzte, Anthologia Grae-ca, Ausonius.
Kann man in einer Grabinschrift einen Witz machen? Was uns als eher despektierlich und jedenfalls unangemessen erschiene, hielt den Schildmacher und Senator Flavius Maximinus im vierten nachchristlichen Jahrhundert anscheinend nicht davon ab, die zweisprachige Grabinschrift für seinen früh verstorbenen Sohn Octemus mit einem zumindest zynischen Seitenhieb auf den behandelnden Arzt zu versehen:1
1 CIL III Suppl. 14188 aus Nikomedia (h. Izmit). Text nach Samama 2003, 412-413 (Nr. 309). © St. Petersburg State University, 2021
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tu(am) filio meo Octemo, vicxit an-
nos V dies XV, precisus a medico
ic postus est ad martures.
„Ich, Flavius Maximinus, Schildmacher, Senator, habe diese Stele/Statue meinem Sohn Oc-
timus/Octemus errichtet, der fünf Jahre und fünfzehn Tage lebte; zerschnitten von einem
Arzt wurde er zum Märtyrer/liegt er hier bei den Märtyrern."
Die Tatsache, dass ein Arzt und seine offensichtlich chirurgische Pfuscherei schuld am Tod des jungen Octemus waren, hat den Vater jedenfalls so erbittert, dass in der Inschrift explizit darauf verwiesen wird. Der Vorwurf, die ärztliche Profession gleiche mehr oder weniger einem Gemetzel, ist dabei alt und wir begegnen ihm in unterschiedlichen Kontexten. Bereits dem ersten namentlich erwähnten Arzt griechischen Ursprunges in römischer Zeit, Archagathos, der im Jahre 219 nach Rom gekommen sein soll, wurde laut Plinius dem Älteren, der sich auf den Historiker Cassius Hemina beruft, der wenig schmeichelhafte Beiname ,der Henker', ,carnifex', gegeben.2 In dieselbe Richtung führt auch die von Diogenes Laertios (6, 62) berichtete Anekdote, wonach der hellenistische kynische Philosoph Diogenes bei der Begegnung mit einem erfolglosen Ringkämpfer, der nun als Arzt praktizierte, bemerkte: „Was denn, will er etwa, die ihn früher besiegten, nun doch noch umbringen?". Auch in weiteren Inschriften klagen Hinterbliebene über letale ärztliche ,Kunstfehler'. So heißt es in der Grabschrift des Freigelassenen Euhelpistus:3
Anima innocentissima, quem medici secarunt et occiderunt.
„Unschuldigste Seele, den die Ärzte zerteilt und getötet haben!"
Und der Ehemann der Aurelia Deccia beklagt in einer Inschrift den Tod seiner Frau per culpam curantium.4
Es ist die Resignation vor der Machtlosigkeit der ärztlichen Kunst gegenüber Krankheit und Tod, die aus diesen Zeugnissen spricht, wobei diese ärztliche Kunst — besonders, wenn sie mit chirurgischen Maßnahmen verbunden war — den Leidensweg der Patienten oft noch verschlimmerte.5 Es gibt also eine Art, wie wir sagen würden, .schwarzen Humors', mit dessen Hilfe man ärztlichem Pfusch zu begegnen suchte, der aber in dem
2 NH 29, 6, 12f. Siehe dazu: Wöhrle 1992, 113-115.
3 Rom. DE 9441.
4 Stuhlweißenburg-Atala. CIL III 3355.
5 Vgl. auch das möglicherweise polemische Zeugnis, das Hippolytos für Heraklit überliefert (VS 22 B 58). Auch die medizinische Fachliteratur kennt die Widerstände des Patienten gegen die ärztliche Behandlung und bemüht sich entsprechend darauf zu reagieren. Gorgias' Behauptung im gleichnamigen platonischen Dialog (456 b), dass der Rhetor besser als der Arzt in der Lage sei, den Patienten zur Annahme unangenehmer Behandlungen zu überreden, lässt sich zumindest auch als eine Spitze gegen die Ärzte verstehen. Vgl. Wehrli (1951, 179-180).
Grabepigramm auf Octemus besonders bemerkenswert scheint durch den Hinweis, dass der verstorbene Patient nun bei den Märtyrern liege. Samama6 verweist zwar darauf, dass hiermit gemeint sei, dass (im Sinne der lateinischen Version) sich die Grabstätte dort befinde, wo die Opfer der diokletianischen Christenverfolgung lägen. Und es ist natürlich nicht völlig auszuschließen, dass dem armen Vater der in dem Hinweis liegende, fast sarkastische Bezug entgangen war.7 Dennoch stand und steht es dem jeweiligen Leser der Inschrift natürlich ebenso frei, in dem Hinweis auch den impliziten Vergleich eines Zeugen der christlichen Religion und eines Zeugen verfehlter ärztlicher Kunst zu erkennen.
Man hat sich grundsätzlich gefragt,8 woher es komme, dass Ärzte und ihre Tätigkeit in der griechisch-römischen Antike nicht selten das Objekt grimmigen Humors waren.9 Aber die entsprechenden Erklärungen, die etwa auf den Rahmen einer teils auch ethnisch begründeten Ärztekritik verweisen, wie wir sie spezifisch römisch etwa bei dem älteren Cato vorfinden, gelten prinzipiell genauso für spätere Epochen und Kulturen und derartiger Humor lässt sich wohl als eine Art anthropologische Konstante verstehen. Er ist, wie gerade gesagt, ein Mittel der Patienten dem schicksalhaften Ausgeliefertsein an ärztliche Kunst etwas entgegenzusetzen.10 Eine Art Trumpf gewissermaßen, wenigstens das letzte Wort zu behalten. Im Sinne Freuds wäre auch der Ärztewitz die Befriedigung eines aggressiven Triebes durch den Tabubruch.11 Spielarten solchen Humors findet man auch heutzutage in Todesanzeigen12 oder in einem vielzitierten, angeblich von Robert Koch stammenden Satz: „Wenn ein Arzt hinter dem Sarg seines Patienten geht, so folgt manchmal tatsächlich die Ursache der Wirkung."13
Im Folgenden soll es weniger um die grundsätzliche Problematik des Patienten gehen, der sich einem vielfach ineffizienten, aber schmerzhaften ärztlichen Handeln ausgeliefert fühlt und dem als letztes Mittel ein mehr oder weniger schwarzer Humor bleibt, und auch nicht um eine kommentierende Sammlung entsprechender Witze,14 als um die Herausstellung bestimmter Grundtypen. ,Witz' soll dabei in einem offenen Verständnis als rhetorisch
6 Samama 2003, 413, Anm. 24. Auch Schulze 2005, 101 (Nr. 104) mit Anm. verweist auf den christlichen Kontext.
7 Das T|ir|9i<; in der griechischen Version lässt eher an ein Skalpell denken und klingt vielleicht nicht so drastisch wie das precisus in der lateinischen Version.
8 Schulten 2001.
9 Wobei, implizit zumindest, auch der mehr oder weniger leichtgläubige, weil hoffende, Patient eine Rolle spielt. So etwa, wenn die hellenistische Komödie Ärzte auftreten lässt, die einen besonderen Dialekt, dorisch oder ionisch, sprechen oder zu sprechen versuchen, um ihre Kompetenz zu unterstreichen. Dadurch lassen sich aber die Patienten offensichtlich beeindrucken. Siehe dazu Cordes 1994, 59 und Ihm 2005, 102-104.
10 Siehe Schulten 2001, 70. Es ist auf der anderen Seite klar, dass die entsprechenden Witze nicht die Realität spiegeln, sondern nur den Umgang mit der Realität bzw. den Realitäten. Vgl. dazu etwa den Beitrag von Ziha (2019).
11 „Er [der Witz] ermöglicht die Befriedigung eines Triebes (eines lüsternen und feindseligen) gegen ein im Weg stehendes Hindernis, er umgeht dieses Hindernis und schöpft somit Lust aus einer durch das Hindernis unzugänglich gewordenen Lustquelle" (Freud 1905, 83).
12 Siehe etwa die Sammlung von Nöllke und Sprang 2013, 110-111. In gewisser Weise kann man das antike Grabepigramm ja als Pendant zur modernen Zeitungsanzeige sehen.
13 Dieses vielzitierte Bonmot, das auch gelegentlich Voltaire zugeschrieben wird, lässt sich allerdings bei keinem dieser Autoren dingfest machen. In einem Internetbeitrag zur Zitatenverifizierung wird folgender Fundort genannt: Montags-Revue aus Böhmen, 9. November 1896, Rubrik: Humor der Woche, S. 2, https://falschzitate.blogspot.com/2019/01/wenn-ein-arzt-hinter-dem-sarg-seines.html.
14 Die wichtigsten epigrammatischen Belege hat Brecht (1930, 45-49) gesammelt. Eine unterhaltliche Zusammenstellung findet man bei Weeber 2020.
geprägte, pointierte Textsorte15 verstanden werden, die vom Wortwitz über die knappe Anekdote bis zur kürzeren Erzählung reicht, die sich natürlich alle in einem größeren Zusammenhang — wie etwa einer Komödie-^^finden können, aber in der Antike gerne in der Epigrammatik ihren Niederschlag fanden.16 Grundsätzlich lebt der Ärztewitz von dem, was Marion Lausberg das ,Berufsparadox' genannt hat: „Der Verspottete verwirklicht gerade das nicht, was für den betreffenden Beruf charakteristische Leistung ist".17
1. Der Arzt als personifiziertes Unheil
Auch wenn die ärztlichen Maßnahmen gar nicht weiter angesprochen sind, tritt wie in den bereits aufgeführten inschriftlichen Beispielen nicht selten der Arzt als eigentliche Todesursache in den satirischen Blick.18 So ebenso in einem Epigramm Martials (1, 47), wo es von einem Leichenträger (vispillo) namens Diaulus heißt, dass er kürzlich noch Arzt (medicus) gewesen sei. Das mache allerdings keinen Unterschied: quod vispillo facit, fece-rat et medicus. Auch Juvenal meint, leicht berichten zu können, „wieviele Kranke Themi-son in einem Herbst umgebracht hat (quot Themison aegros autumno occiderit uno)".19 Ja, es reicht offensichtlich, wenn man nur von einem Arzt träumt, um zum Todeskandidaten zu werden, wie man von Martial in einem weiteren Epigramm (6, 53) erfährt. Andragoras, mit dem man gestern noch heiter zusammen war, wurde am Morgen tot aufgefunden. Die Ursache des so plötzlichen Todes? Er hatte von dem Arzt Hermokrates geträumt.
Gelegentlich, so erfährt man es aus einem anderen Epigramm Martials (5, 9),20 ist schon die bloße ärztliche Berührung gefährlich. Ein Kranker hatte Visite vom Arzt Sym-machus, eine übermäßige Anzahl an Schülern im Gefolge, die ihn mit ihren eisigen Händen anfassten: „Ich hatte kein Fieber, Symmachus, jetzt habe ich es" (non habui febrem, Symmache, nunc habeo).
Was Lukillios, ein griechischer Epigrammatiker neronischer Zeit, von dem einige Epigramme auf oder besser gegen Ärzte erhalten sind,21 noch auf die Spitze treiben kann, wenn er derartige Berührungen sogar für Götterstatuen für gefährlich hält (11, 113). Da betastete gestern, wie es heißt, der Arzt Markos einen steinernen Zeus, der heute, gleichviel ob aus Stein und ob ein Zeus, zu Grabe gebracht werden muss. Ein weiteres Epigramm nutzt Lukillios für eine Art Rundumschlag gegen die Fachvertreter gleich zweier prominenter und sicherlich ähnlich umstrittener Metiers, der Astrologie22 und der Medizin (11, 114). Schlechter weg kommt dabei Letzterer. Denn während der Astrologe Diophantos dem Arzt Hermogenes eine Lebenszeit von nur noch neun Monaten voraussagt, genügt bereits eine bloße Berührung von diesem, um den armen Astrologen in kürzester Zeit ins Grab zu bringen. Schließlich kann noch die Mythologie bemüht werden, um einen Arzt
15 Im Sinne einer „produktiven Erwartungsenttäuschung" (Müller 2003, 1398).
16 Zu den Epigrammen auf Ärzte und deren Realienhintergrund vgl. jetzt vor allem Schatzmann 2012, 129-163.
17 Lausberg 1982, 403.
18 Die culpa curantium als Todesursache in der Inschrift auf Aurelia Deccia (oben S. 175) formuliert ja auch ein witziges Paradox, obwohl vermutlich vom Verfasser nicht so gemeint.
19 Sat. 10, 221. Juvenal verwendet hier den Namen eines prominenten Arztes augusteischer Zeit, um so die Überraschung der Aussage zu verstärken. Vgl. Murgatroyd 2017, 134.
20 Vgl. dazu Wenzel (2005), der das Gedicht aus der poetologischen Ich-Perspektive des Dichters deutet. Zu Martials ,Arztepigrammen' vgl. auch Mans (1994) 112-116.
21 AP 11, 112-116.
22 Vgl. AP 11,159 -161 (Spottepigramme auf Astrologen).
als Unheilsbringer zu klassifizieren (11, 116). Der Sprecher des Epigramms klagt, dass ihn der Arzt (6 käiviköc;) Menophanes in den Hades gesandt habe. So sollte er eigentlich eher Eurystheus heißen nach dem sagenhaften Eurystheus, der einst Herakles in den Hades sandte.
Von einem anderen Epigrammatiker, Nikarchos II (AP 11, 124), wird der Arzt Zopy-ros mit dem Seelengeleiter Hermes verglichen. Wie dieser führe er das Volk seiner Patienten zum Styx. Hübsch ist auch noch einmal ein Epigramm von Lukillios (11, 131), in dem er einen Dichter namens Potamon, der offensichtlich in seinen Epen durch mythische Katastrophen unzählige Menschenleben dahinraffen ließ, mit einem Arzt namens Her-mogenes vergleicht, der es dem Potamon mit Hilfe seiner chirurgischen Tätigkeit gleichtue. Es ist daher kein Wunder, dass Ärzte gelegentlich in einem Pakt mit Totengräbern gesehen werden.23 Martial identifizierte ja, wie gerade gesehen, gewissermaßen die beiden Tätigkeiten. Und der Dichter Hedylos (?) fordert die Sargfabrikanten auf, dem Arzt Agis Blumengewinde und Bänder zum Dank für sein Wirken zu spenden.24 Ja, man kann nur an den Namen eines Arztes denken und stirbt!25
Die kaiserzeitliche Altercatio Hadriani bringt die Sache in einem Kurzdialog irgendwie auf den Punkt: ,Quis occidit hominem impune?' — ,Medicus'.26
2. Das fachliche Defizit: Ärztliche Kurpfuscherei
2.1. Augenheilkunde
Die ärztliche Kunst oder vielmehr deren Schattenseiten gelangen allerdings nicht nur so pauschal wie in den eben genannten Beispielen in den Blick. Erblindung aufgrund irgendwelcher Erkrankungen des Auges von Entzündungen bis zu Starerkrankungen war sicherlich kein ganz seltenes Phänomen in der antiken Gesellschaft. Therapeutisch wurden in diesem Bereich gerne Salben eingesetzt, deren Wirkung aber offensichtlich auch nicht immer überzeugend war. In einem Epigramm Stratons (AP 11, 117, um 130. n. Chr.) gelingt es mithilfe solch einer Salbe einem Arzt namens Kapiton sogar, aus einem überaus Scharfsichtigen, der selbst noch eine Laus von weiterer Entfernung wahrnimmt, einen extrem Kurzsichtigen zu machen, der nicht einmal mehr einen Elefanten aus der Nähe erkennt. Und der Arzt Dion hatte, um erneut Lukillios zu zitieren (11, 112), in dieser Hinsicht sogar irgendwie übernatürliche Fähigkeiten, denn durch seine Behandlung verlor nicht nur der von ihm behandelte Olympikos sein Augenlicht, auch dessen eigenes Portrait brachte er um die Augen. Dem angesprochenen Demostratos rät das Epigramm daher dringend vor einer Behandlung durch Dion ab. Geradezu göttliche Fähigkeiten kommen schließlich nach demselben Dichter (11, 115) dem Arzt Simon zu. Einem Dio-nysios rät er, einen potentiellen Feind nicht bei einem blind machenden Gott wie Isis oder
23 Vgl. AP 11, 125 (anonym).
24 AP 11, 123; vgl. 11, 125 (anonym).
25 AP 11, 118 (Kallikter).
26 Daily, W. Suchier 1939, 131. Vgl. Stobaios Anth. CII. 6 (Bd. IV 38, 6a aus einem unbekannten Komiker). Weitere Belege zum Motiv des Arztes als Schlächter statt als Helfer bei Cordes (1994) 62. Fast noch glimpflich kommt da die ärztliche Profession in einem Syllogismus Ciceros davon: Wenn das Schicksal es so wolle, erhole man sich mit oder ohne ärztliche Hilfe von einer Krankheit; wenn aber das Schicksal das Gegenteil wolle, dann werde man mit oder ohne Arzt sterben. Also besage es nichts, ob man einen Arzt hinzuziehe (De fato 28-29). Vgl. Wöhrle 2010, 168.
Harpokrates zu verfluchen, sondern lieber (gleich) bei Simon. Dann sähe er, was ein Gott und was ein Simon vermag.
2.2. Chirurgie und Internistik
Zwei Epigramme des bereits zitierten27 Kallikter (um 100 n. Chr.) nehmen chirurgisches Handeln28 aufs Korn. Im ersten Fall (11, 120) verspricht ein Sokles, den krummen Diodor wieder gerade zu richten. Die Methode, ihm drei zentnerschwere Steine auf das Rückgrat zu legen, funktioniert nur teilweise. Diokles ist jetzt zwar gerade wie ein Lineal, aber leider tot. Im zweiten Epigramm (11, 121) wird durch die Junktur xeipoupyœv ea^a^ev die Drastik des Geschehens unterstrichen. Ein Agelaos metzelte Akestorides mithilfe seiner chirurgischen Kunst hin und fügt zur Entschuldigung noch an, dass er, hätte er überlebt, jetzt gelähmt wäre! Auf einen chirurgischen Eingriff besonderer Art spielt wiederum Martial an (11, 74), wenn er den Patienten nach erfolgter Operation mit einem Gallus-Priester, also einem entmannten Anhänger der Göttin Kybele vergleicht:
Curandum penem commisit Baccara Raetus rivali medico. Baccara Gallus erit.
„Baccara, ein Raeter, überließ die Therapie seines Gliedes seinem Arzt und Konkurrenten
[in Liebesdingen]; Baccara wird ein Gallus sein".29
Dass auch weniger delikate chirurgische Eingriffe jedenfalls meist äußert schmerzhaft waren, belegt eine humorvolle Anekdote, die Cicero von C. Marius berichtet. Dieser soll einmal darauf bestanden haben, eine Varizenoperation am Bein durchzustehen, ohne dass er dabei, wie üblich, von mehreren Helfern festgehalten wurde. Beim zweiten Bein verzichtete er dann auf diesen Eingriff ganz. Cicero schreibt dazu, dass Marius sich beim einen Bein als Held, beim zweiten aber als Mensch erwiesen habe. 30
Im internistischen Bereich gehören zu den ärztlichen Hilfsmitteln, die weiterhin epigrammatisch gerne aufs Korn genommen werden, besonders das Purgieren bzw. die Klistierspritze, die in späteren Zeiten durch Molière einige Berühmtheit erlangt hat. In dem oben bereits erwähnten Epigramm 11, 123 (Hedylos?), in dem ein Arzt als personifiziertes Unheil angesehen wird, stirbt der Patient namens Aristagoras kaum ist der Arzt Agis eingetreten. Dabei hatte dieser den Aristagoras noch nicht einmal klistiert oder betastet! 31
3. Das moralische Defizit: Der habgierige
und der sexuell übergriffige Arzt
Daneben gibt es schließlich noch eine Reihe epigrammatischer und nicht epigrammatische Witze, die weniger, wie bisher gesehen, in einer Art schwarzen Humors Arzt
27 Oben Anm. 25.
28 Das allein schon durch Verben wie precidere und secare in den eingangs zitierten Grabinschriften auf Octemus bzw. Euhelpistus oder die Bezeichnung eines Arztes als carnifex pointiert wird (vgl. Samama 2003, 413, Anm. 23).
29 Spiel mit der Doppelbedeutung von Gallus'. Baccara kommt immerhin mit dem Leben davon (vgl. Martial 6, 31 und Grewing 1997, 231).
30 Tusc. 2, 35 und 53 (s. Wöhrle 2010, 171).
31 Vgl. auch AP 11, 118; 119; 122 (Kallikter). Vgl. dazu ausführlich Schatzmann 2012, 136-139.
und Totengräber in Eins setzen, oder sogar den Verstand von Behandlern in Frage stellen, die etwa einen Buckligen mit schweren Steinen zu Tode misshandeln. Vielmehr wird hier die Basis ärztlichen Handelns im Blick auf bestimmte moralische Defizite überhaupt bezweifelt. Es geht nicht um den (bloß) unfähigen, es geht um den (nur) eigennützigen Arzt.
Dass gute Ärzte auch Geld kosten, macht schon Aristophanes deutlich. In der Komödie Plutos antwortet Chremylos auf die Frage seines Gesprächspartners Blepsidemos, ob man für den (blinden) Plutos nicht einen Arzt holen sollte: „Wo ist denn noch ein Arzt in dieser Stadt? Denn so wie nichts der Lohn ist, so ist es auch die Kunst!"32 Gelegentlich, so könnte man aus einem Epigramm (11, 333) des bereits bekannten, notorisch arztfeindlichen Kallikter schließen, muss sich so ein Arzt seine Einkünfte auch anderweitig vermehren. Dort heißt es von einem Rhodon, dass er mit Hilfe von Arzneien Lepra und bestimmte Schwellungen beseitige (aipei), alles andere aber nehme er auch ohne Arzneien weg (aipei).33
In der Witze-Sammlung mit dem Titel Philogelos, das antike Witze aus mehreren Jahrhunderten vereint,34 behandelt in einem Witz ein Arzt die Augen seines Patienten, indem er sie mit einer Salbe bestreicht. Bei der Gelegenheit stiehlt er ihm eine silberne Lampe. Der Patient ist selbst witzig genug, auf die Frage seines Arztes nach einiger Zeit, wie es seinen Augen gehe, zu antworten: „Seitdem du mir die Augen behandelt hast, sehe ich die Lampe nicht mehr".35 Eine Steigerung gewissermaßen des Witzes vom schlechten Augenarzt, der auch noch zum Dieb wird.
Auch sexueller Missbrauch ist ein nicht seltenes epigrammatisches Thema. So bei Martial, wo einmal die Ärzte zur Sexualtherapie einer unbefriedigten ,Leda' anrücken: o medicina gravis!3 Entschiedener Missbrauch klingt auch in einem Witz an, der sowohl von Diogenes Laertios als auch vom Philogelos überliefert wird.37 Bei Diogenes Laertios findet sich der Witz in der Vita des Philosophen Diogenes, der, wie es dort heißt, zu Di-dymon, dem Arzt und Frauenverführer, der gerade das Auge eines Mädchens behandelte, sagte: „Pass auf, dass du, wenn du das Auge der Jungfrau behandelst, nicht die Pupille verletzt (opa, xöv Ö90aX|öv x^; napöevou öepaneuwv x^v KÖp^v ^öeipflt;)". Ein
Spiel mit der Doppelbedeutung von Köpn ,Pupille' bzw. .jungfräuliches Mädchen'.
4. Eine Fundamentalkritik und eine Empfehlung
Die Ärzte in den Witzen der gerade erwähnten Philogelos-Sammlung sind zumeist töricht, dumm und grob. Wie der Arzt, der einem Mann, der klagte, dass ihm nach dem Aufstehen eine halbe Stunde schwindlig sei, dann erst werde ihm besser, antwortete: „Stehe eine halbe Stunde später auf!"38 Oder der Arzt, der zu einem Patienten, der klagt, we-
32 Arph. Plut. 408-409: xi; S^x'iaxpö; ¿axi vuv ¿v xfj nöXei; ouxe yap 6 |ia9ö; oüSsv sax' ou9'^ T£xvr|. Vgl. Nub. 332.
33 Geldgier ist ein häufiger Vorwurf gegenüber Ärzten, auch von Seite der eigenen Kollegen natürlich. Das ist dann mit besonderer Vorsicht zu sehen. Vgl. etwa Galen De praecognitione (XIV 622 K. = CMG V 8, 1, 90-92) und dazu den Kommentar von Nutton 1979, 183.
34 „Ein Buch des Altertums, wenn schon des späten Altertums, aber nicht des byzantinischen Mittelalters" (Thierfelder 1968, 15).
35 Philogelos 142.
36 Martial 11, 71. Dazu Watson and Watson 2015, 61f. Zum Typus des, ehebrecherischen Arztes' in der Epigrammatik vgl. auch Grewing 1997, 231.
37 Diogenes Laertios 6.68; Philogelos 151b.
38 Philogelos 3 (Übersetzung: Thierfelder 1968).
der liegen noch stehen noch auch sitzen zu können, sagt, dass ihm dann nichts übrigbleibe als sich aufzuhängen.39 Oder schließlich der kymäische Arzt, der bei einer Operation, als der Patient vor Schmerzen furchtbar schrie, sein Messer mit einem stumpferen vertausch-te.40 Die Einwohner des äolischen Kyme galten als besondere Dummköpfe, und so macht gerade der letzte Witz deutlich, dass diese Sorte Arztwitze, wie man sie im Philogelos findet, weniger, wie vergleichbar die epigrammatische Witze Martials oder der Anthologie, die Defizienz einer ganzen Kunst und eines ganzen Könnens vor Augen haben, als eben den dummen oder groben Menschen, der zufällig als Arzt tätig ist.41 Oder anders gesagt: Ein dummer oder grober Mensch erweist sich immer als ein solcher.42 Letztlich fehlt also hier der artifizielle Sarkasmus der Epigrammatik, der nicht nur einzelne Protagonisten in ihrer Dummheit und Unfähigkeit, sondern eine ganze Profession aufs Korn nimmt.
Blicken wir also noch einmal auf die Sammlung der Anthologia Palatina und hier auf ein besonders interessantes Epigramm, das zwar bereits aus byzantinischer Zeit stammt,43 aber sich in seiner Argumentation ausdrücklich auf die hippokratische Medizin beruft. Auch hier geht es um ein moralisches Defizit.
Hervorzuheben ist zunächst die relative Länge des Gedichtes. Die meisten der Witzattacken auf Ärzte sind knappgehalten. Ein Arzt wird genannt, gelegentlich namentlich, gelegentlich nicht, darauf folgt das ärztliche Handeln mit entsprechend paradoxem Ausgang. Über einen beruflichen Hintergrund der Ärzte erfahren wir in der Regel nichts. In der Realität konnten sicher viele, wenn nicht die meisten ,Ärzte' ohnehin keine sachgemäße und zeitlich aufwändige Ausbildung vorweisen.44 Anders erweist sich das in dem folgenden Epigramm des Agathias. Das ärztliche Handeln und die zugrundeliegende Methode werden ausführlich expliziert:
KetTo [i£v ÄÄKi^svn; KeKaKw^svoc; ¿k nupeToto,
Kai nepi AauKavir|v ßpayx^ AapuYYiöwv vuaaö^evö; Te to nAeupov äTe ^i^seaaiv ä^uxösv
Kai 9a^ä SuaKeAdSoi; aaG^aai nveuauöwv' r|A9e 5s KaAAiYvwTo; o Kwio;, o nAaTuAsaxn;,
t^; naiwvidSo; nAr|9ö^evoc; ao^i^;, naaav sx«v npöyvwaiv ¿v aAYeaiv, ou Ti nepiTTov
aAAo npoaYYEÄÄwv ^ to Yevr|aö^evov. ÄÄKi^svou; 5' ¿SöKeuev ävdKÄiaiv sk Te npoawnou fpd^eTo, Kai naAd^n; ^auev ¿maTa^svw; Kai to nepl Kpiai^wv ^aswv ¿AoYiZeTo Ypd^a ndvT' ävane^ndZwv oüx £Kä; 'InnoKpdTou;. Kai TöTe t^v npöYvwaiv ¿; ÄAKi^svr|v ave^wvei ae^vonpoawn^aa; Kai aoßapeuö^evo;
39 Philogelos 183 (Übersetzung: Thierfelder 1968).
40 Philogelos 177.
41 Im Witz Philogelos 3 ist der Arzt ein Scholastikas, ohnehin der „Erz-Dummkopf" des Philogelos (vgl. Thierfelder 1968, 17).
42 „Die Dummheitswitze nehmen rund zwei Drittel der Philogelossammlung ein" (Thierfelder 1968, 23).
43 AP 11, 382 (Agathias Scholastikos, um 536 — 582, Text und Übersetzung: Beckby 1958).
44 Die Anmaßung der sog. Methodiker, jeder könne die Medizin in sechs Monaten erlernen, zog den Zorn Galens auf sich (Gal. De sectis 6 = I 83K.). Als Begründer der methodischen Schule galt Themison, der von Juvenal (vgl. oben Anm. 19) erwähnt wird.
„Ei Ye fdpuY^ ßo^ßeuaa Kai &YPia xu||axa nAeupoü
Kai nupexwi Ar|^r|i nveü|a 5aauvö|evov oÜKsxi xeGvr^ei nAeupmSi- xouxo Yäp
au^ßoAov ¿aao|£vn; ¿axlv änr||oauvr|c;. Gdpaei^ xöv vo|iKÖv 5s KdÄei Kai xp||axa aauxoü eu 5ia0el; ßiöxou X^e |epi|voxÖKou, Kai |e xöv Inxpöv npopp|aio; eiveKev ¿a9Ä^; ¿v тplтdт^ |oipr| KdÄÄine KÄr|povö|ov."
„Jüngst war Alkimenes krank; schwer lag er mit Fieber zu Bette;
hohl und heiser entwand sich seine Stimme dem Schlund; tief in der Seite empfand er wie Dolchstöße stechende Schmerzen,
rasch ging der Atem und stieg rasselnd und pfeifend herauf. Endlich erschien Kallignotos, der Doktor von Kos, der Salbader,
der, von der ärztlichen Kunst bis in die Finger erfüllt, eine Prognose euch stellt für jedwede Krankheit und immer
einen Verlauf prophezeit, der keinen Irrtum belässt. Forschend besah er den Fall des Alkimenes, prüfte das Antlitz nach Symptomen und griff sinnend zum Puls an der Hand, er überdachte die Weisung vom Tage der Krisis und rief sich
alles noch einmal zurück, wie es Hippokrates hieß. Dann aber zog er die Miene gewichtig zusammen, und würdig
gab er Alkimenes darauf seine Prognose bekannt: „Falls sich das Rasseln im Schlund, die Schwere des fiebrigen Atems
und der heftige Stich dir in der Seite verliert, geht die Pleuritis vorbei, und du bleibst noch am Leben. Das ist mir
ein überzeugend Symptom, dass die Genesung erfolgt. Mut nur! Ruf den Notar, bestell dein Vermögen und fahre
Aus einem Leben hinweg, das dir doch Sorgen nur bringt. Und mir selber, dem Arzt, vermachst du für meinen gelehrten Ausspruch dann dreißig Prozent aus deiner Nachlassenschaft."
Hermann Beckby, der Herausgeber und Übersetzer der Anthologia Graeca, verweist zu diesem Gedicht auf eine „ähnliche Geschichte" bei dem jüngeren Plinius (Ep. 2, 20)45. Auch bei Plinius geht es um Erbschleicherei im Angesicht eines bzw. hier einer Schwerkranken. Doch ist der Erbschleicher Regulus kein Arzt und er beruft sich auch auf Horoskope und Eingeweideschau. In dem Epigramm des Agathias ist die Sache doch noch anders. Vordergründig steht zwar auch hier die Habgier des Arztes im Blick, ein moralisches Defizit, das, wie gesehen, immer wieder gern aufs Korn genommen wurde. Aber da ist noch mehr. Nach der Diagnose einer Pleuritis, einer im Corpus Hippocraticum beschriebenen fieberhaften Erkrankung der Seite und der Brusthöhle mit oft tödlichem Ausgang, folgt nach allen Regeln der Kunst (die Schilderung des Gesichtsausdrucks, die — erst hellenistische — Pulsanalyse, die Lehre von den kritischen Tagen) die Prognose. Die besteht darin, dass, wenn die die Pleuritis anzeigenden Symptome verschwunden seien, die Genesung erfolge. Wenn das die ganze Einsicht der medizinischen Kunst sein sollte, der naiwviä; aoqtq, wirkt das ziemlich bescheiden. Man geht daher wohl nicht zu weit, wenn
45 Beckby 1958, 832.
man Agathias' Epigramm auch als eine grundsätzliche Attacke gegenüber der hippokra-tisch begründeten Medizin und ihren Erfolgsmöglichkeiten liest. Da Kallignotos immerhin so viel weiß oder zu wissen scheint, dass die Heilungschancen der Erkrankung gering sind, sucht er, mit weiteren Platitüden, eingangs wird er ja als „Salbader" (wörtlich als „Breitschwätzer") apostrophiert, gleich noch einen Teil des Vermögens des Erkrankten zu ergattern. Die Pointe also: Selbst die Berufung auf den großen Hippokrates und sein System, Kallignotos stammt ja angeblich selbst aus Kos, führt medizinisch nicht wirklich weit,46 der anschließende Blick auf einen möglichen finanziellen Gewinn aber schon.47
Blicken wir zum Schluss noch einmal etwas in der Zeit zurück, dieses Mal auf ein Epigramm des Decimus Magnus Ausonius auf den Arzt Eunomus.48 Dieser Eunomus hatte seinem Patienten Gaius vorausgesagt, dass er an seiner Erkrankung sterben werde. Doch Gaius entging dem Tod mit Hilfe des Schicksals — nicht des Arztes (fati ope, non medici). Bald darauf sah oder glaubte Eunomus, den totenblassen Mann zu sehen. „Wer bist du?" — „Gaius", sagte der. „Du lebst?" — „Nein". „Und was treibst du dann hier?" „Ich komme im Auftrag Jupiters", sagte er, „um, da ich ja Kenntnis der Welt und der Menschen besitze, die Ärzte zu holen." Eunomus erstarrte vor Furcht. Da sagte Gaius: „Fürchte nichts, Eunomus! Wie alle habe ich gesagt, dass kein vernünftiger Mensch dich einen Arzt nennt (dixi ego et omnes / nullum qui saperet dicere te medicum)."
In diesem kurzen Gedicht wird gewissermaßen als finales und vernünftiges ,Re-zept', einer Auslieferung an unfähige Ärzte — deren prototypischer Vertreter ausgerechnet ,Gutgesetz' heißt — zu entkommen, vorgeschlagen, diese gar nicht erst als solche anzuerkennen!49
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46 Dass eine hippokratische Ausbildung allein keine Garantie bildet, zeigt auch Lukian in seinem satirischen Dialog Die Lügenfreunde, in dem der Arzt Antigonos eher den merkwürdigen Vorstellungen der um ein Krankenbett anwesenden philosophischen Gesprächspartner über die Wirkkraft magischer Rezepte beipflichtet. Vgl. Ebner 2001, 41.
47 Cameron (1970, 20) weist etwas kritisch darauf hin (u. a. in Bezug auf das vorliegende Epigramm), dass „length is a feature of Agathias' poetry in general". Doch gerade hier scheint diese Länge angemessen. Dadurch erhält das aufgeblasene Scheinwissen des Arztes, das am Ende in sich zusammenfällt, äußere Form.
48 Kay 2001, Nr. 79. Zu der aesopischen ,Vorlage' dieses Epigramms s. ibid. 228-229.
49 Dieser Beitrag ist Alexander Gavrilov anlässlich seines 80. Geburtstages gewidmet. Ein kleiner Dank für seine wesentliche Unterstützung beim Aufbau der Partnerschaft zwischen den Klassischen Philologen aus St. Petersburg und Trier.
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Fended off with Humour. Medics and Medical Procedures as Objects of Ancient Jokes
Georg Wöhrle
Universität Trier, Universitätsring 15, 54286, Trier, Deutschland; [email protected]
For citation: Georg Wöhrle. Fended off with Humour. Medics and Medical Procedures as Objects of
Ancient Jokes. Philologia Classica 2021, 16 (2), 174-185. https://doi.org/10.21638/spbu20.2021.201
(In German)
Ancient literature, especially funerary epigrams, offers a large number of jokes about bad doctors where they are presented as (often) being dangerous, stupid, incompetent or greedy. In the present study, a basic classification of these jokes, as found for example in Martial or in
the Anthologia Graeca, is suggested where the ubiquity of such outpours are recognized as a kind of psychological valve intended to counter the utter powerlessness of a man in the face of an all-powerful profession. On these grounds, the doctor can be attacked as personified evil to an extent that the very name of one spelt death. In addition, medics can be satirized as dangerously ignorant quacks dealing in dubious procedures, and this is applicable to various areas of medicine from ophthalmology to surgery and internal medicine. Finally, the moral misconduct of doctors, their greed, as well as sexual abuse is humorously put in the spotlight. An analysis of a piece by Ausonius is appended to offer a recognized way to tackle inept physicians — to deny them of their status as medics.
Keywords: ancient medicine and ancient literature, jokes about bad doctors, Anthologia Grae-ca, Ausonius.
Received: August 11, 2021 Accepted: October 21, 2021