Globalisierung und Digitalisierung -
Die exponentielle Ausbreitung ansteckender Information
und deren mögliche Eindämmung
Globalisation and Digitisation - The Exponential Spread of Infectious Information and its Possible Containment
Wolfgang Sassin1
Wolfgang Sassin,
Dr-Ing,
Independent researcher,
formerly Senior Scientist of International Institute for Applied Systems Analysis
and Lecturer of Technical University Vienna
Austria
Вольфгангъ Зассинъ,
докторъ-инженеръ,
независимый изслЪдователь,
въ прошломъ главный научный сотрудникъ
Международная института прикладного системнаго анализа
и лекторъ Техническаго университета ВЪны
(Авс^я)
Article No / Номеръ статьи: 010510201
1 Please send the correspondence to e-mail: w.sassin@aon.at.
010510201-1
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In German:
Sassin, Wolfgang. 2020. "Globalisierung und Digitalisierung - Die exponentielle Ausbreitung ansteckender Information und deren mögliche Eindämmung." The Beacon: Journal for Studying Ideologies and Mental Dimensions 3, 010510201.
In English:
Sassin, Wolfgang. 2020. "Globalisation and Digitisation - The Exponential Spread of Infectious Information and its Possible Containment." The Beacon: Journal for Studying Ideologies and Mental Dimensions 3, 010510201.
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Received in the original form: 17 January 2019 Review cycles: 2
1st review cycle ready: 18 March 2019 Review outcome: 3 of 3 positive Decision: To publish with minor revisions 2nd review cycle ready: 24 March 2020 Accepted: 30 March 2020 Published online: 1 April 2020
HEADLINE. „Pandemien" - ein biologisches und ein psychologisches Phänomen ["Pandemics" - a Biological and a Psychological Phenomenon].
ABSTRACT
Wolfgang Sassin. Globalization and Digitization - The Exponential Spread of Infectious Information and its Possible Containment There is a fundamental difference between the human migration movements of the past and those of the beginning of the 21st century. The latter impose the need for a cultural assimilation of the migrants which they cannot master within one generation. This cultural transformation includes the necessity to adapt to the compression of humans into a new living space, into technology-based megapolises, which altogether represent the equivalent of an artificial planet. This new planet does not provide new resources nor additional free spaces for an overall growth of material wealth. On the contrary, it asks for a drastic reduction of individual freedoms. The stability, even the survival of these mega centres, is at stake without consistent subdivisions of an overall shrinking of spaces needed for all kinds of movements and of a consistent restriction of the exploding communicative interference within and between these mega centres. This essay aims at a first-hand analysis of a possible introduction of digital borders without which adequate legal spaces appear in-feasible as the constituting framework of "our" artificial new planet.
Key words: humanity, legal space, digital ideological restriction, technological dominance, mega centre, individual freedom diminishing, migration, digital boundary, infection, infectious disease, COVID-19 social implications, coronavirus containment, globalisatoin, digitalisation, information, social immunity
ZUSAMMENFASSUNG
Wolfgang Sassin. Globalisierung und Digitalisierung - Die exponentielle Ausbreitung ansteckender Information und deren mögliche Eindämmung. Zwischen den Wanderungsbewegungen des Menschen in der Vergangenheit und jenen des beginnenden 21. Jahrhunderts besteht ein fundamentaler Unterschied. Letztere zwingen Migranten eine kulturelle Transformation auf, die sie innerhalb einer Generation nicht bewältigen können und sie führen zu einer Verdichtung in dem sich gerade bildenden neuen Lebensraum, nämlich den auf Hochtechnologie ruhenden Megastädten, die in ihrer Summe das Äquivalent eines künstlichen Planeten bilden. Dieser neue Planet bietet aber weder neue Ressourcen noch zusätzliche Freiräume für allgemeines materielles Wachstum. Im Gegenteil, er zwingt vielmehr zu drastischen Einschränkungen auf Seiten der Individuen und zu einer schmerzlichen Beschränkung von deren Freiheiten. Ohne strikte Unterteilung der insgesamt schrumpfenden physischen Bewegungsspielräume und auch ohne Beschränkung der explosiv wachsenden kommunikativen Interaktionen innerhalb und zwischen diesen Megazentren steht deren Stabilität und deren Überlebensfähigkeit auf dem Spiel. Dieser Essay versucht eine erste Analyse wie effektive digitale Grenzen eingeführt werden können, ohne die adäquate Rechtsräume für diesen künstlichen neuen Planeten kaum denkbar erscheinen.
Schlüsselwörter: Menschlichkeit, Rechtsraum, digitale ideologische Einschränkung, technologische Dominanz, Megazentrum, Abnahme der individuellen Freiheit, Migration, digitale Grenze, Infektion, Infektionskrankheit, soziale Auswirkungen von COVID-19, Globalisierung, Eindämmung von Coronavirus, Digitalisierung, Information, soziale Immunität
РЕЗЮМЕ
Вольфгангъ Зассинъ. Глобализаця и дигптализацт - экспоненциальное распростране^е инфекционной информаци и его возможное сдержи-ване. Существуетъ фундаментальная разница между миграцюнными дви-жеыями прошлаго и движеНями начала XXI в-Ька. Посл-Ьд-ле навязываютъ необходимость культурной ассимиляцИ мигрантовъ, которой они не смо-гутъ овладЬть въ теченiе одного покол-ЬНя. Эта культурная трансформащя включаетъ необходимость компреоти людей въ новыя жизненныя пространства, въ мегаполисы, основанные на технолопяхъ, которыя въ ц-Ьломъ представляютъ собой эквивалентъ искусственной планеты. Эта новая планета не предоставляетъ ни новыхъ рессурсовъ, ни дополнительныхъ сво-бодныхъ мЬстъ для общаго роста матерiальныхъ благъ. Напротивъ, она требуетъ рЬзкаго сокращенiя индивидуальныхъ свободъ. На карту поставлена стабильность, даже выживаые этихъ мегацентровъ, безъ посл-Ьдова-тельнаго раздЬлеНя общаго сокращеНя пространства, необходимаго для всЬхъ видовъ движенй и послЬдовательнаго ограниченiя взрывныхъ ком-муникативныхъ помЬхъ внутри и между этими мегацентрами. Это эссе имЬетъ своей задачей непосредственный анализъ возможнаго введеНя цифровыхъ границъ, безъ которыхъ адекватныя правовыя пространства представляются невозможными въ качеств- составляющей основы «нашей» искусственной новой планеты.
Ключевым слова: человечество, правовое пространство, цифровое идеологическое ограничение, технологическое доминироваНе, мегацентръ, уменьшеНе индивидуальной свободы, мигращя, цифровая граница, инфек-ц1я, инфекцiонное забол-Ьваые, соцiальныя послЪдсттая СОУО-19, сдержи-ваНе коронавруса, глобализацiя, цифровизацiя, информацiя, сощальный иммунитетъ
CORONAVIRUS-PANDEMIE:
WIE KÖNNEN „SOZIALE KONTAKTE" EFFEKTIV KONTROLLIERT UND GESELLSCHAFTLICHE AUSWIRKUNGEN MINIMIERT WERDEN?
Das unerwartete Auftreten und die rasche Verbreitung des Corona Virus (Covid-19) stellen nach Aussagen führender Politiker eine Herausforderung für die betroffenen Gesellschaften dar, wie sie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht wieder vorgekommen ist.2
2 Als Beispiel für die Botschaften von Regierungschefs aus vielen betroffenen Ländern: In der Ansprache der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 18.03.2020 heißt es: »Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt«
M.
Bedenkt man, dass die in vielen Ländern ergriffenen Maßnahmen, um sich vor einer exponentiell wachsenden Erkrankungswelle zu schützen, aus eben den Zeiten des Zweiten Weltkrieges stammen, dann wird deutlich welche Folgewirkungen der Schwarze Schwan Corona langfristig haben muss. Die bislang ergriffenen und selbst die in den Medien intensiv diskutierten Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 konzentrieren sich auf die physische und mentale Steuerung von Massen, deren potentiell „gefährliche" Mitglieder nicht ausreichend und nicht schnell genug identifiziert werden können, um diese zu isolieren und sie dann einer gezielten Sonderbehandlung zuzuführen.
Das soziale und das juristische Regelwerk ganzer Gesellschaften wird deshalb stufenweise außer Kraft gesetzt und in eine Art Kriegsrecht überführt, wobei der Feind eigentlich ein „Virus" ist, aber die Träger dieses Virus das Unheil verbreiten. Sie und nicht das Virus können isoliert werden und die Hoffnung besteht sie durch eine noch zu entwickelnde Impfung immun zu machen. Die eigentliche „Abwehrschlacht" muss also in den individuellen Trägern geführt werden, die eine bestehende gesellschaftliche Ordnung aufrechterhalten sollen und müssen.
Insoweit ist die Corona Pandemie nicht mehr und nicht weniger als ein Beispiel für die Störung eines bestehenden Gleichgewichtes zwischen den übergeordneten Interessen eines Metaorganismus und dessen Verteidigungsstrategien, seien sie nun reaktiv oder proaktiv, und den Interessen und Motiven eines „im Untergrund" asymmetrisch agierenden „Feindes".
Die Parallelen zu „Systemstörern", seien es Drogenkartelle, seien es Menschen die ihre „Profite" in Steueroasen verstecken, seien es aus der Sicht demokratisch verfasster Gesellschaften etwa ein Islamischer Staat oder gar ein Kalifat, sie sind unübersehbar. Das gilt horribile dictu generell für „Migration von Bedürftigen", seien es Einzelne oder größere Gruppen, in andere Lebensräume hinein, in denen sie sich auf Kosten und in Konkurrenz zu den dort lebenden Gemeinschaften besser entfalten können als da wo sie herkommen. Der Prozess der Verstädterung, das Wandern in urbane Strukturen und in Sozialsysteme hinein die andere für sich geschaffen haben, er gleicht im Prinzip einer Pandemie. Dieser kulturelle Konflikt, der sich gerade in unserer Zeit pandemisch ausbreitet, er entzündete sich mit der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht, einer Lebensform, die das Sammeln und Jagen weitgehend abgelegt und den Eigentumsbegriff entwickelt hat. Dieses so geschaffene tragende Eigentum musste verteidigt werden gegen jene, die es sich nehmen wollten, heimlich oder mit Gewalt. Die Vorstellung einer göttlichen Schöpfung, die allen frei zugänglich sein sollte und diese neu entstandenen Eigentumsrechte, sie prallten fortan aufeinander. Selbst die heiligen Schriften der Abrahamiter verirren sich bis heute moralisch und ethisch in diesem Dilemma zwischen Freiheit und Eigentum.3 Der Versuch des Bauern Kain sein Eigentum gegen den Hirten Abel zu verteidigen endet damit, dass Kain den Abel erschlägt, weil dessen Opfer „Gott wohlgefälliger" war. Grenzen gegen den Zugriff Dritter auf „das Eigene" sind unabdingbar für Leben. Sie gelten nicht nur für Menschen, sie gelten für jede Zelle und für jeden Organismus. Und die „Armee", die diese Grenzen verteidigt nennen wir Immunsystem. Um es zu ertüchtigen helfen aber keine generellen Einschränkungen „sozialer Kontakte". Das Immunsystem muss lernen und es braucht geeignete Informationen über „den Virus", die es auch über Impfungen bekommen kann.
Die aktuell sehr unterschiedlich verfügten Ausgangssperren, Reisebeschränkungen und Geschäftsschließungen können nur eine Verzögerung der globalen Ausbreitung von Covid-19 bewirken, da sie wegen unabwendbarer Notversorgungen immer nur unvollständig sein können. Darüber hinaus stellt allein die physische Kontrolle verfügter regionaler Mobilitätsund Kontakteinschränkungen ein Problem in sich selbst dar. Auch Polizisten, Ärzte und medizinisches Personal stecken sich trotz mancher Schutzmaßnahmen selbst an. Gerade diese Gruppen haben unvermeidlich eine extrem hohe Kontakthäufigkeit (Ong et al. 2020; Pung et al. 2020).
All die von Regierungen und Gesundheitsorganisationen empfohlenen Maßnahmen sind deshalb nur geeignet eine zeitlich unterschiedlich verzögerte globale Ausbreitung einer Pandemie mit potentiell tödlichen Folgen für Teile von sehr unterschiedlich strukturierten Bevölkerungen zu erreichen. Sie können deren Ausbreitungsgeschwindigkeit zwar etwas verlangsamen. Aber sie können unterschiedliche Schadensdichten grundsätzlich nicht
3 Frei(-heit) und Eigen(-tum).
Um es an einem Bild zu verdeutlichen. Der einzelne Mensch stirbt nicht oder eine Gesellschaft kollabiert nicht „an einem Virus", sei sei er biologisch oder mental, beide (ver)enden an der durch einen Virus ausgelösten Störung ihres inneren Organisationssystems. Und System emit labiler innerer Organisation, insbesondere mit gravierenden Informationsdefiziten, sind dabei besonders gefährdet.
verhindern. Denn diese hängen von der Sensitivität komplexer Versorgungsstrukturen ab, gleichgültig ob es sich um medizinische Schutz- und Behandlungseinrichtungen handelt, oder um volkswirtschaftlich entscheidende Produktionseinrichtungen. Moderne Gesellschaften leben nicht von der Bereitstellung von Grundnahrungsmitteln. Sie kollabieren, wenn ihre komplexen, höchst spezialisierten Austauschprozesse ausreichend gestört werden.
Maßnahmen, um „soziale Kontakte" auf „das Nötigste" einzuschränken, stellen ohne Zweifel eine solche massive Störung der inzwischen auf globale Versorgungsketten gestützten Weltwirtschaft dar. Deren potentiell viel dramatischere längerfristige Folgen werden in dem Bemühen weitgehend ausgeblendet, den Bevölkerungen den „Ernst der Lage" zu einem Zeitpunkt zu vermitteln in dem erst ein verschwindend geringer Bruchteil, als infiziert bekannt ist. Ohne Zweifel ist aber das Virus längst deutlich weiter verbreitet, denn die befallenen Personen brauchen ein paar Tage Zeit, um die Viren in ihrem Körper ausreichend zu vermehren, ehe sie „ansteckend" sind und auffällige Symptome zeigen. Flächendeckende Tests sind praktisch unmöglich, nicht nur wegen fehlender Testausrüstungen, sondern wegen der damit verbundenen intensiven „sozialen Kontakte".
Macht man sich klar, dass in modernen arbeitsteiligen Gesellschaften sowohl die „Versorgungsketten" wie die „Nachfrageintensität" durch die Reduktion der sozialen Kontakte auf das Nötigste, voraussichtlich über mehrere Monate hinweg gestört bleiben, dann gilt es sich bei der anstehenden zweiten Phase der „Auseinandersetzung mit dem Coronavirus" mit den ökonomischen Folgen von Revolutionen oder von Bürgerkriegen zu befassen. Denn dass die so ausgelösten längerfristigen ökonomischen, psychologischen und dann auch politischen Folgen nicht mit dem Drucken leeren Geldes durch die Zentralbanken hintan gehalten werden können, dazu bedarf es keiner volkswirtschaftlichen oder finanzwirtschaftlichen Modelle. Letztere Modelle stützen sich auf Erfahrungen mit Störungen, die die Struktur einer hochgradig vernetzten Zivilisation nicht grundsätzlich in Frage stellen.
Der Fall Corona und der politische und gesellschaftlich Umgang damit wirft deshalb die Frage nach der Reorganisation einer inzwischen materiell und informationell vernetzten Globalgesellschaft auf, die aus vielen anderen, im Moment beiseite geschobenen Gründen an mehrere harte Grenzen stößt. Das Problem der globalen „Armutsmigration", das sich 2015 für die Öffentlichkeit und die Politik ähnlich dramatisch manifestiert hat, ist dabei nur eines von vielen. Das gilt für die Klimakrise, deren Auslöser gerade nicht nur das „Virus CO2" ist, es gilt für die „Viren" Bevölkerungswachstum und für das Streben den „Lebensstandard" der „Armen" durch globale Umverteilung und Entwicklung jenem der „Reichen" anzugleichen -die tiefere moralische Begründung für die Foderung nach permanentem exponentiellen Wachstum. „Ansteckend" war und ist ganz allgemein die Hoffnung auf ein besseres Leben, die Menschen, ähnlich wie Viren oder Bakterien, dazu veranlasst nach neuen „Wirten" zu suchen und das in globalem Maßstab.
Die aktuelle Situation macht deutlich, dass die Kontrolle von „Pandemien", gleich welcher Art, nicht über Isolation, sondern nur über gezielte Abwehrmaßnahmen gelingen kann, und das heißt über die möglichst genaue Identifikation parasitär angelegten Verhaltens.
Wachstum jenseits einer bestimmten Grenze gerät immer zum unkontrollierten Wuchern des vermeintlich Eigenen, das letztlich jeden Organismus und jede Organisation zerstört.
Angesichts dieser Situation scheint überfällig in einer Zeit in der bereits rund 4 Milliarden Menschen, also die Hälfte der Menschheit, ein Smartphone besitzen, dieses Informationsund Kommunikationsmittel genauer daraufhin zu untersuchen, in welcher Weise es zur Verbreitung von allen weiter oben erwähnten „Pandemien" - und auch zu deren Bekämpfung eingesetzt werden kann. Denn flächendeckende Reisebeschränkungen, mehr noch, die Beschränkung individueller Freiheiten in absehbar zunehmenden ökonomischen und gesellschaftlichen Notlagen stellen jene Ordnung in Frage, ohne die eine hoch arbeits- und funktionsteilige Zivilisation kollabieren muss.
Ohne eine gezielte und aufeinander abgestimmte Begrenzung, ja Steuerung von physischen und von digitalen sozialen Kontakten dürften weder die „Migration" von Viren noch die „Migration" von Bedürftigkeit künftig unter Kontrolle zu bringen sein.
Vor diesem Hintergrund werden im folgendem die schon vor dem Auftreten des Coronavirus entwickelten und separate publiezirten Gedanken zu Globalisierung und Digitalisierung - Die exponentielle Ausbreitung ansteckender Information und deren mögliche Eindämmung hier zur Diskussion gestellt. Sie sind mit Blick auf die notwendige Ordnung und Kontrolle des digitalen Informationsraumes entstanden, eines die Realität verändernden Phänomens dessen Bedeutung uns erst langsam bewusst wird. Vielleicht lenkt das Coro-navirus und die dadurch ausgelöste Pandemie unseren Blick ja noch rechtzeitig auf die unvermeidlichen Änderungen unserer überkommenen Welt- und Menschenbilder und die damit verbundenen Werte. Nur Ängste zu verbreiten, um so das Verhalten von Massen zu beeinflussen ist höchst riskant. Notwendig sind chirurgische Maßnahmen die von der Logik, nicht aber von Emotionen bestimmt werden dürfen. Und solche Maßnahmen müssen dem „einfachen Volk", insbesondere den Spezialisten verständlich gemacht werden. Denn ethisch-moralische Diskussionen bekämpfen keine „Viren".
DIGITALISIERUNG, GLOBALISIERUNG
UND DIE BESCHRÄNKUNG „NATÜRLICHER FREIRÄUME"
Massenhafte Migration hat sich in den vergangenen Jahren zu einer gesellschaftlichen und politischen Herausforderung in den entwickelten Ländern des Westens entwickelt, aber nicht nur dort (Sassin 2018). Sie lässt sich für die Erste Welt in mancherlei Hinsicht mit der Erfahrung jener Gesellschaften vergleichen, die sich nach einiger Zeit als teilweise Entrechtete, manche sogar als Sklaven eines Vorganges wiederfanden, den „der Westen" als Auswanderung und Inbesitznahme neuer Welten mit Hilfe überlegener Techniken und eines Missionsgedankens positiv in seiner kollektiven Erinnerung abgespeichert hat. Der einzige wirkliche Unterschied der aktuellen Migration zu dem historischen Vorgang der „Auswanderung" besteht darin, dass die gegenwärtige „Einwanderung" anstelle überlegener Waffen das Mittel der Hilfsbedürftigkeit benützt und sich auf eben jenen Glauben stützt, der
den Kern der christlichen Überzeugungen ausmacht: Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.
Die politischen Diskussionen wie „der Westen" dieser historischen Herausforderung begegnen könnte brechen inzwischen bestehende politische Lager auf (Gen$ 2010, 186). Sie führen zu überraschenden Wahlergebnissen. Und sie verstören nicht nur die Gesellschaften Europas, sie haben sogar das klassische Einwanderungsland, die USA erreicht (Goodman and Schimmelfennig 2019). Die Ereignisse des Jahres 2015 haben gezeigt, dass die Grenzregime der Europäischen Union nicht einfach lückenhaft sind. Die durch die ungeordnete Zuwanderung ausgelösten politischen Konflikte stehen, analysiert man sie etwas genauer, in ursächlichem Zusammenhang mit der „gewünschten" wirtschaftlichen Globalisierung (Straubhaar and Zimmermann 1993, 230; Zorko 2018, 192, 196). Das macht es so schwierig sowohl die weitere Entwicklung des Migrationsdruckes einigermaßen abzuschätzen, als auch ein in sich widerspruchsfreies Konzept zu entwickeln, um den überbordenden „Austausch" von Waren, Dienstleistungen, Regeln und schließlich immer auch Menschen zu ordnen und das heißt immer auch ihn zu beschränken. Und dabei ist zu bedenken, dass dieser „Austausch" Quellen wie Senken verändert und das inzwischen grundlegend.
Dass die Globalisierung den Zenit ihres ökonomischen Nutzens inzwischen überschritten hat ist offenkundig, aber nicht Gemeingut von Ökonomen (Colantone and Stanig 2019; Tagliapietra 2019). Letztere berücksichtigen eigentlich nur jene Vorgänge die über Märkte bewertet werden (Hix and Noury 2007, 187, 190-191). Eine Volkswirtschaft wächst durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen; durch Arbeitsteilung, Erschließung einfach zugänglicher Ressourcen, räumlicher Verdichtung, Nutzung von Größenvorteilen, Vereinheitlichung von Normen und einer immer komplexeren Technik. Der daraus resultierende „Gewinn", genauer der „Profit" wird aber nur unvollständig in monetären Einheiten erfasst. Nicht erfasst, und im Rahmen der ökonomischen Wissenschaften grundsätzlich auch nicht erfassbar, sind etwa die Veränderungen der natürlichen Umwelt, beispielsweise die Folgen von Klimaveränderungen oder die Erschöpfung einfach zu nutzender Ressourcen. Ebenfalls nicht erfasst werden die Abschreibungen obsolet werdender Investitionen, sei es im Kapitalstock oder im „Stock" des Wissens produktiv tätiger Menschen. Dass Politik in einer solchen unübersichtlichen, weil nicht zutreffend erfassten Situation einer Gesellschaft versagt, die sich in einer bislang nie da gewesenen Transformation befindet, die mit bislang unvorstellbarer Geschwindigkeit abläuft, das kann nicht wirklich überraschen (Kü^üksu 2019; McMillan 2003, 9).
Eine kurzsichtig auf die Bekämpfung von Symptomen ausgerichtete Politik verschleißt enorme Ressourcen. Das gilt insbesondere für jene politischen Entscheidungen, die demokratisch legitimiert werden wollen. Die administrativen Aufwendungen zur Organisation der Umverteilung von Gewinnen und Verlusten aus einer sich rasant verändernden Produktionsund Konsumstruktur, also der Sozialstaat mit all seinen verästelten Institutionen und den in ihm wuchernden staatlichen „Arbeitsplätzen" verursacht Kosten, die ähnlich wie die Beseitigung von Unfällen oder Umweltschäden als positiver Beitrag zur volkswirtschaftlichen Leistung verrechnet werden.
Angesichts der durch die „Entwicklung" von Gesellschaften, sei es in der ersten, der zweiten oder der dritten Welt entstandenen Probleme, die ganze Staaten, ja Regionen zunehmend in Chaos und Gewalt versinken lassen, trägt die mit rasanter Geschwindigkeit ablaufende Digitalisierung zu einem weiteren Auseinanderfallen zwischen der harten Realität und den vorherrschenden sozioökonomischen Theorien bei. Der Katalysator für dieses Schisma ist diesmal die digitale Informationsverarbeitung und die damit gekoppelte digitale Kommunikation. Deren bereits jetzt erkennbare Konsequenzen scheinen, was die Geschwindigkeit wie auch die strukturelle Veränderung der im Dunkeln tappenden Gesellschaften angeht, die Folgen der industriellen Revolution des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in den Schatten zu stellen.
Es gibt erste Anzeichen, dass eine neue gesellschaftliche Revolution von jungen „Progressiven" herbeigewünscht wird, die ähnlich wie einst Marx, dann Lenin oder später Mao zu einer kollektiven Exkursion mit dramatischen Folgen führen kann.4
Vor diesem Hintergrund wurde in dem Memorandum „Sicherung nationaler Rechtsräume schon 2016 ein Projekt zur technischen Einrichtung von Grenzen im digitalen Raum skizziert.5 Die darin enthaltenen Überlegungen, ebenso wie die an anderer Stelle vorgebrachten juristischen Überlegungen, ob und wie zwischen Asylberechtigten, Wirtschaftsflüchtlingen, der Einwanderung von qualifizierten Fachkräften, oder gar der Kompensation demographischer Defizite zu unterscheiden wäre, sie führen hin zu einer einfachen Tatsache, nämlich dass die Migration von Menschen nicht mit nationalstaatlichen Gesetzen oder mit internationalen Konventionen beherrschbar ist, weil diese sich auf Rechte des einzelnen Individuums, nicht aber auf Massenphänomene beziehen. Insofern unterscheidet sie sich von dem massenhaften Austausch von Waren und Dienstleistungen grundlegend. Denn deren „Migration" beschränken Zölle, technische Normen und auch Finanzmärkte und Rating Agenturen. Die wirtschaftliche Globalisierung hat nicht die Freiheit der Bewegung einzelner Menschen zum Ziel. Vielmehr dient sie der Errichtung einer Nationen übergreifenden artifiziellen technischen Lebensgrundlage. Insoweit strebt Globalisierung die Errichtung von global abgestützten Infrastrukturen und von Prozessen an, die typisch für Massenproduktion und Massenversorgung sind. In ihrer Konsequenz schafft sie, ungewollt, eine Situation die sich nicht wesentlich von den Notwendigkeiten und den Methoden der Massentierhaltung unterscheidet. Das sich auch nur einzugestehen fällt extrem schwer.
4 In der Zeitschrift IPG (Internationale Politik und Gesellschaft) vom 6.10.2017: Windrädert doch wie ihr wollt. fordert Jason Hickel, ein Anthropologe an der London School of Economics »eine grundlegende Wirtschaftswende, denn erneuerbare Energien werden und können die Klimakatastrophe nicht mehr verhindern.«
5 W. Sassin: Sicherung nationaler Rechtsräume - Projektvorschlag Entwicklung digitaler Techniken zur Sicherung nationaler Rechtsräume vom 18.01.2016.
MIGRATION ALS SYMPTOM DER GLOBALEN MENSCHHEIT
Migration wird deshalb unverändert als Teil eines umfassenderen Naturrechtes des Menschen, als eine Art elementarer Freiheit verstanden, die auch den Austausch von Überzeugungen, von Wissen und eben den unmittelbaren Zugriff auf eine freie „Umwelt" umfasst. Dieses Naturrecht bezog sich auf die physische und auf die sensorische Reichweite des Menschen, also soweit Ohren und Augen reichen, soweit die Umwelt durch Hände manipulierbar ist und soweit die Füße tragen. Diese elementare Freiheit der Bewegung und des bewusst handeln Könnens fand aber schon sehr früh ihre Grenzen als Folge der Entwicklung von Techniken, die über den natürlichen Wahrnehmungshorizont des Menschen hinaus reichten.
Man schießt keinen Pfeil ab ohne das Ziel sehen zu können. Das Risiko einen ungewollten Schaden anzurichten schränkt deshalb jeden Aspekt dieses Naturrechtes auf Freiheit ein. Aber nicht nur unbekannte Risiken, sondern die Notwendigkeit Gemeinschaften zu bilden schränkt die „Freiheit der Bewegung und des Handelns" drastisch ein. Denn nur gemeinsam lassen sich Lebensmöglichkeiten erweitern und sichern, die die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Einzelnen weit übersteigen. Gemeinschaften müssen deshalb die Freiheit des Einzelnen aus beiden Gründen beschränken, wegen der mit ihrer Größe wachsenden Risiken und wegen der Komplexität ihrer kooperativen Unternehmungen. Diese doppelte Beschränkung von etwas das wir als elementares Naturrecht, als Freiheit schlechthin zu verstehen meinen, sie nimmt überproportional mit der Größe der Gesellschaften zu, die ihre Lebensgrundlagen künstlich errichten, erhalten und sichern müssen. An dieser Stelle sei vermerkt, dass es eine globale Rückfallmöglichkeit in die Freiheiten nomadischer oder agrarischer Gesellschaften für 7,5 Milliarden Menschen schlicht nicht mehr gibt.
Vor diesem Hintergrund listen die im zweiten Abschnitt enthaltenen 10 Punkte zunächst grundlegende veränderungen auf, die den schleichenden Übergang charakterisieren von höchst unterschiedlichen natürlichen Lebensräumen mit spezifisch daran angepassten kleineren Gesellschaften hin zu einer universalen technisch basierten Lebensgrundlage. Diese neue Lebensgrundlage ist nicht mehr territorial beschränkt. Sie wird nämlich von einer globalen urbanen Kultur bereitgestellt, die sich nahezu identisch auf allen Kontinenten ausgebreitet hat (Abel 2018; Martin 2016). Diese moderne urbane Kultur ist prinzipiell nicht nachhaltig. Denn sie muss erstens durch menschliche Investitionen laufend erneuert werden und ist deshalb keine freie, sich selbst erhaltende Almende. Und zweitens hängt sie existentiell von der Ausbeutung „ihres" flachen Landes, weiter von der Ausbeutung der Biosphäre, der Ozeane, der Atmosphäre, und von natürlichen Stoffkreisläufen ab, die zivilisatorische Abfälle und schadstoffe nur begrenzt puffern und aufarbeiten können.
Es ist eine Situation entstanden in der „Migration" ein Symptom, nicht aber die eigentliche Ursache der großen aktuellen Probleme darstellt, die sich in verschiedenen Gesellschaften in unterschiedlicher Form ausprägen.
Jede von Menschen entwickelte Lebensgrundlage ist existentielles Eigentum, und zwar das Eigentum jener, die sich diese Grundlage schaffen. Die globale urbane Kultur kann deshalb weder durch „Einwanderung" noch durch schlichtes „Hineingeboren werden" in Besitz
genommen werden, noch lässt sie sich an überkommene agrarische und nomadische Kulturvorstellungen anpassen.
Im Gegensatz zur heutigen Migration führten frühere Wanderungsbewegungen in freie, noch unberührte Naturräume, dort aber zwingend zur Anpassung der „wandernden" Kulturen an die höchst unterschiedlichen natürlichen Gegebenheiten. Migration heute lässt sich nicht mit den historischen Wanderungen des Menschen vergleichen, die sich etwa 300.000 bis 400.000 Jahren zurückverfolgen lassen. Die ursprüngliche Besiedelung des Planeten hat jedenfalls zu ganz spezifischen Ausprägungen des Individuums und ebenso zu klar unterscheidbaren Kulturen geführt. De facto ist zumindest die Hälfte des homo sapiens im Verlauf des letzten Jahrhunderts auf einem „anderen Planeten" angekommen, auf dem sie mit ihren natürlichen Fähigkeiten nicht überleben kann. Was aus einer Spezies wird, der traditionelle Werte und heilige Bücher keine Zukunft garantieren, das ist ein offensichtliches Denktabu, insbesondere für ihre mitgereisten Schamanen und Priester, auch für ihre Juristen und Philosophen.
Die gegenwärtigen Migrationsströme, primär vom Land in hoch verdichtete urbane Gebiete hinein und erst in einem zweiten Schritt von dort „grenzüberschreitend" in „reiche" urbane Gesellschaften, eröffnen keine neuen zivilisatorischen Horizonte und auch keine neuen Ressourcen, wie das noch für die Besiedelung der Neuen Welt bis ins 19. und frühe 20. Jahrhundert galt (Sassin et al. 2018, chap. 12).
Für die durch wirtschaftliche, nicht aber durch staatliche und kulturelle Expansion entstandene heutige post-natürliche Lebensgrundlage stellt Migration deshalb immer einen Akt partieller Enteignung dar, ab einer bestimmten „Präsenzdichte der Migranten" sogar einen unbeabsichtigten, jedoch unvermeidlichen Angriff auf die Stabilität, ja die Existenz dieser modernen urbanen Kultur.
Die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandenen urbanen Verdichtungsräume mit vielen Millionen Bewohnern, in denen sich inzwischen etwa die Hälfte der Weltbevölkerung aufhält, sie unterscheiden sich von Kontinent zu Kontinent deshalb nur noch marginal. Deren Situation gleicht Archen die, weil überbelegt, verzweifelt auf der Suche nach noch nicht überschwemmtem oder ausgebeutetem Land sind.
Das sich absehbar verschärfende Migrationsproblem ist deshalb nur ein Symptom einer viel umfassenderen existentiellen Herausforderung, der sich „der Mensch als Milliardenphänomen" inzwischen gegenüber sieht. Diese Herausforderung lässt sich am treffendsten als Raumschiffproblem Erde bezeichnen. Erst in einem solchen Bild wird deutlich, dass „die Besatzung", also die globalisierte Gesellschaft sich an die durch ihr Wachstum verursachten Grenzen anpassen muss, nicht umgekehrt. Denn diese Grenzen ziehen keineswegs ein verändertes Klima oder erschöpfte natürliche Ressourcen, sondern vor allem die zu dicht aufgerückten, um Raum und Ressourcen konkurrierenden „Nachbarn" mit ihren wachsenden Ansprüchen und ihrem Glauben an vermeintliche (Natur-) Rechte (Bonini Baldini 2019; Mazzucelli et al. 2016).
Die implizite Annahme, die bestehenden höchst unterschiedlichen Kulturen, deren spezielle Werte und deren objektiv betrachtet archaische Rechtssysteme, könnten und
müssten Teil eines global einheitlichen Rechtsraumes werden, sie stellt nicht nur alle bisherigen Rechtsvorstellungen in Frage. Sie stellt vor allem die diesen Rechtsvorstellungen zugrunde liegenden Prinzipien zwischenmenschlichen Verhaltens bloß. Dazu ist es wichtig sich daran zu erinnern, dass die „Westlichen Werte" aus dem Aufbegehren der Schwachen entstanden sind, die ihre Leistungsträger nicht nur zu entmachten, sondern zu versklaven suchten. Das nach den Erfahrungen der Französischen Revolution und der versuchten Unterjochung eines ganzen Kontinentes unter Napoleon einsetzende erneute Streben nach Freiheit setzt freie Räume voraus. Es schließt den Anspruch auf Unabhängigkeit ein, auf Lösung von den Ketten des Ungenügenden und des Mitschleppens sozialer Ketten, dienten sie der Alimentation einer selbsternannten Elite oder dem Bodensatz einer Gesellschaft. Anders ist die Trennung der Neuengland Staaten von Britannien (1776) und das Zustandekommen der Amerikanischen Verfassung (1788) nicht zu verstehen. Dass „Amerika" ein Modell für die Probleme des 19. Jahrhunderts war, nicht aber als Blaupause für das 21. Jahrhunderts taugt folgt schlicht aus der Tatsache, dass uns heute keine zweite Neue Welt zur Verfügung steht. Die in dieser Verfassung aus zwei unvereinbaren Bestrebungen festgeschriebene Tradition, nämlich der Unabhängigkeit sich selbst definierender Gemeinschaften und der gleichzeitigen inneren Verpflichtung ihrer Individuen, sie findet sich symbolisch zusammengefasst, aber unvollständig im Menschenrechtskatalog der Vereinten Nationen.6
Dieser Katalog bildet deshalb keine Grundlage für eine nachhaltige Ordnung im Raumschiff Erde. Seine impliziten Werte verdrängen, ja sie leugnen wider besseres Wissen, dass Rechte erst aus der Erfüllung von Pflichten erwachsen können. Die vorherrschende und weitgehend unbewusste, in jedem Fall aber naive Idee eines weiteren „Zusammenrückens" aus humanitären Gründen kann keinen der dramatischen Nebeneffekte der globalen Explosion von menschlichen Bedürfnissen und des davon getriebenen wirtschaftlichen Wachstums kompensieren, im Gegenteil. Bei der Globalisierung des Menschen handelt es sich um nichts weniger als das Verfolgen einer Utopie, für die es - jedenfalls bislang - kein in sich widerspruchsfreies Organisationsmodell gibt.
IST DIE ERDE KLEIN FÜR DIE BEDÜRFNISSE DER MENSCHHEIT?
Die Erde ist endlich und nach allem was die Wissenschaft bislang untersucht hat bereits zu klein für die Ansprüche des Menschen schon heute. Das heißt nicht
6 Die Gruppe um George Washington musste nur deshalb nicht zur Guillotine greifen, weil die Adeligen und die erfolgreichen Unternehmer in England saßen und nicht in ihren Kolonien in Neuengland. Um die Unabhängigkeit durchzusetzen reichten deshalb Schusswaffen, um erfolgreich gegen die Kolonialarmee der britischen Krone zu kämpfen. Getötet wurde aber auch da, aber eben nach Kriegsrecht. Eine wirkliche Revolution der Gesellschaftsordnung fand anders als in Frankreich nach dem Sturm auf die Bastille deshalb nicht statt.
weniger als: Der Mensch muss nicht die eine oder andere Technik sondern sich selbst grundlegend ändern.
Und vor allem: Die eigentliche Herausforderung besteht nicht in der absoluten Zahl der Menschen die miteinander in Verbindung stehen oder gebracht werden, sondern in deren Dichte im Raum und in der Zeit, sprich in der Dichte der kommunikativen Austauschvorgänge, die Individuen nicht nur verbinden sondern stets auch bedrängen und die nach Kontrolle verlangen.
Würde die Menschheit als Ganzes, als eine globale Union organisiert, so führte das zwangsläufig zu einem geschlossenen Gesellschaftssystem. In einem solchen System aber kann es keine unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Anpassung von Leistungsstandards und keine „Märkte" geben, die einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage über Preismechanismen ermöglichen und die, horribile dictu, eine stillschweigende Verteilung von Knappheit bewerkstelligen. Darüber hinaus könnte ein solches geschlossenes Gesellschaftssystem keine nennenswerte Toleranz aufbringen gegenüber höchst unterschiedlichen Gewohnheiten, also das was unter persönlicher Freiheit, einschließlich kultureller und religiöser Freiheiten heute als selbstverständlich angesehen wird.7
Ein Raumschiff Erde lässt sich am ehesten mit den Bedingungen in einer belagerten Festung vergleichen. Ohne die Möglichkeit zu äußerer Expansion, zur Verlagerung jeder Art
7 Um sich die entstehenden Probleme zu verdeutlichen, die die „humane Idee" der Integration und der Toleranz mit sich bringt genügt es eine reale Situation mit unüblichen Begriffen oder als einen nur scheinbar skurrilen Vorgang zu beschreiben:
In Verkehrsmeldungen wird häufig vor Geisterfahrern gewarnt. Das sind Fahrzeuglenker, die auf Autobahnen entgegen der vorgeschrieben Fahrtrichtung unterwegs sind. In Ländern wie Deutschland mit Rechtsverkehr sind das also Menschen die „links" fahren. Würden ein Engländer, ein Japaner oder ein Inder, also Menschen aus Ländern mit Linksverkehr darauf bestehen, dass sie nicht nur ihre Gewohnheiten, sondern ihre inzwischen unbewussten Reaktionen im Strassenverkehr beibehalten müssen um wirklich sicher unterwegs zu sein, dann hätte das zur Konsequenz, dass Geisterfahrer im Verkehr die Regel wären. Im Fußgängerverkehr ist das ja akzeptiert, so könnte man vorbringen, also in der dominanten und noch immer existierenden vortechnischen Bewegungsform. Die Integration einer solchen Vorstellung einer natürlichen Freiheit in eine minutiös reglementierte Hochtechnologiegesellschaft liefe dann auf die unumgängliche Diskriminierung, ja die Kriminalisierung von solchen „Geisterfahrern" hinaus.
Nicht viel anders stellt sich die Vorstellung dar, unterschiedliche Feiertage einzuführen, mit deren Hilfe sich Religionen unter Bezug auf unterschiedliche Heilsgeschichten bislang voneinander unterscheiden, um Kulturmigranten die „Integration" zu erleichtern. Eine moderne Volkswirtschaft, in der es beispielsweise drei „Arten von „Sonntagen" gäbe, nämlich den gesegneten Freitag der Mohammedaner, den Sabbat der Juden und eben den Sonntag der Christen wäre ebenso effizient wie eine Autobahn mit der individuellen Freiheit links oder rechts zu fahren. Solche Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Sie zeigen, dass die Komplexität eines Systems zur Standardisierung von dessen konstituierenden Elementen zwingt, und zwar um so umfassender je größer und komplexer ein System ist. Geistes- und Sozialwissenschaften, erst recht Politikwissenschaften müssen sich diese Erkenntnisse der Naturwissenschaften erst noch erarbeiten.
von Problem nach „außen" müssten ein freier Austausch von Waren, von Dienstleistungen und auch die freie Bewegung von Menschen im Innern dieser Festung drastisch eingeschränkt werden und letztlich zu einer umfassenden Planwirtschaft führen. Ein derartiges System würde alle geforderten Grundfreiheiten des Individuums auflösen, und zwar mit der Begründung einer universalen „sozialen Gerechtigkeit".
Die unter der Oberfläche des öffentlichen Bewusstseins tatsächlich längst ablaufende Transformation in Richtung einer globalen Planwirtschaft, seit 70 Jahren unter der Parole der Entwicklung von Entwicklungsländern, schreitet unterdessen schnell voran. Die Digitalisierung und mit ihr der so erst entstandene offene Informationsraum beschleunigen diese Transformation in ungeahnter Weise. Wie jeder neu entdeckte Raum kennt dieser zusätzliche „Spielraum" bislang aber noch kaum Grenzen und erst recht keine inneren Strukturen.
Vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Raumschiffsituation, oder was auf das gleiche hinausläuft, der zunehmenden Vorstellung von der Einen Menschheit ist die Errichtung effektiv kontrollierbarer Grenzen im Informationsraum eine der dringlichsten Aufgaben. Geschieht dies nicht, dann werden sich Meuterei und Chaos im Raumschiff weiter verbreiten. 8
Digitale Grenzen stellen nicht nur ein dringend benötigtes Mittel zur Begrenzung einer enteignenden Migration dar, sondern sie sind auf Sicht zum Erhalt der technisch-wissenschaftlichen Existenzgrundlagen unabdingbar, gerade auch aus Sicht der „Schwächeren". Wie digitale Grenzen in einer Informationsgesellschaft ohne großen Aufwand zur Sicherung und Stabilisierung von Rechtsräumen eingeführt werden können, das skizziert der dritte Teil. Er stützt sich auf die Tatsache, dass Kommunikation stets Grundlage wie auch Begrenzung von Gemeinschaft ist.
Ohne Grenzen im physischen Raum und parallel dazu auch im Informationsraum würden Märkte als Mittel zur Verbesserung ökonomischer Effizienz nämlich ihre Funktion verlieren, weil jeder Fortschritt der ökonomisch Erfolgreichen zur Subvention der weniger Erfolgreichen umverteilt werden müsste. Die vermeintliche Notwendigkeit zur Umverteilung, die in ideologisch begründeten Konstitutionen festgeschrieben ist, auch im kapitalistischen Westen, zerstört in der Realität bereits heute die Funktion von Geld als dem zentralen politischen Steuerungsmittel von größeren Gesellschaften. Die wachsende Verschuldung von Staaten, von Unternehmen und privaten Bürgern die die globale Finanzkrise nach dem Beginn dieses Jahrhunderts ausgelöst hat, sie gehört zu den Problemen die aus dem Vorgang des „Zusammenwachsens" unterschiedlich entwickelter Ökonomien resultieren. Einheitswährungen wie der Euro zwingen zur „Finanzierung", und d.h. nichts anderes als zur
8 Nicht nur Staaten in ehemaligen Kolonialgebieten zerfallen. Zerfallserscheinungen treten auch in Europa auf. Schottische, irische, baskische und katalanische Autonomiebestrebungen, die Ostukraine, die Krim, ebenso wie der Brexit oder die Position der Visegrad Staaten in Sachen Zuwanderung belegen die Instabilität und einen nicht mehr auszuschließenden Zerfall der EU. Es ist wichtig sich klar zu machen, dass auch die Sowjetunion erst vor kurzem zerfallen ist. Funktional ist dieses Beispiel interessanter als der Untergang des Römischen Reiches und ein Menetekel für alle aktuellen großen Unionsbestrebungen.
Kompensation von Leistungsdefiziten einzelner Mitglieder und Gruppen. Das geschieht entweder über Steuern, die aber nur beschränkt erhöht werden können, oder eben über Schulden, die sich scheinbar unbegrenzt erhöhen lassen und die vor allem in der Zeit nahezu beliebig erstreckt werden können. Der laufende Prozess der Globalisierung und Digitalisierung führt zu immer neuen monetären Hilfsprogrammen. Diese sind aber letztlich nur eine andere Bezeichnung für „Bezugsrechte", ein Mittel das noch jede Planwirtschaft einführen musste - und an dem sie notwendig scheitert, früher oder später.
GRUNDLEGENDE VERÄNDERUNGEN
IM GEFOLGE WISSENSCHAFTLICHER, TECHNISCHER UND INDUSTRIELLER REVOLUTIONEN UND DEREN GLOBALER VERBREITUNG
1. Recht hinkt immer hinter einer zuvor entstandenen neuen Realität her, die es mühsam zu ordnen sucht. Rechtsräume setzen Staaten voraus, die autonom Recht für ihre Bürger setzen und die bindende Vereinbarungen treffen für „ihre" Rechtssubjekte.
Internationales Recht bezieht sich deshalb entweder auf Territorien, für die Staaten Hoheitsrechte beanspruchen, oder auf nicht unter solchen Hoheitsrechten stehende Gebiete, wie die Ozeane, die Antarktis oder der erdnahe Weltraum einschließlich des Mondes. Die geologischen Volumina unterhalb einer sehr dünnen Schicht der Kontinente sind bislang rechtsfrei, ebenso wie der erdferne Weltraum. Das gleiche gilt für den neu entstandenen digitalen Informationsraum.
Das Recht eines Staates auf ein fremdes Territorium erstrecken zu wollen läuft notwendig auf Eroberung, bzw. Unterwerfung mit militärischen, wirtschaftlichen und/oder medialen Mitteln hinaus.
Der Vorgang der Unterwerfung anderer Rechtssysteme hat im 20 Jahrhundert mit dem Entstehen des Duopols USA-Sowjetunion und der Etablierung von globalen Einflusssphären ein bislang nicht gekanntes Ausmaß angenommen.
Die „Vereinten Nationen" und die von diesen initiierten Menschenrechtskataloge sind das Ergebnis des Versuches der beiden Großmächte nach dem Ende des zweiten, des praktisch ersten weltweit geführten Krieges eine Koexistenz zwischen ihren prinzipiell unvereinbaren Rechtssystemen und den diesen zugrunde liegenden unterschiedlichen Menschenbildern zu begründen.
Ungeachtet des Zerfalls der Sowjetunion und der damit für eine gewisse Zeit entstandenen Hegemonie der USA verfolgen die Vereinten Nationen seither einseitig das Ziel ein globales Rechtsregime zu etablieren, ohne wegen ihrer bestehenden Struktur auf die inzwischen entstandene Multipolarität wirklich Rücksicht nehmen zu können.
2. Der „Äther" und die sich in ihm ausbreitenden elektromagnetischen „langen Wellen" haben erst die Möglichkeit einer weltweiten militärischen Kommandostruktur eröffnet. Ohne den Äther hätte es gar keinen zweiten Weltkrieg geben können. Genau betrachtet war der Erste Weltkrieg nämlich „nur" ein Europäischer Krieg.
Der „Äther" als Ausbreitungsmedium für alle Arten elektromagnetischer Wellen ist hinsichtlich seiner militärischen Nutzbarkeit mental nicht konsistent erfasst, rechtlich schon gar nicht Es gibt keine „Rüstungsbegrenzung" im Äther. Als „Medium" für elektromagnetische Impulse eröffnet er sogar höchst effektive Möglichkeiten zur Zerstörung lebenswichtiger Kommunikationssysteme, etwa durch Nukleare Sprengköpfe, die im erdnahen Weltraum gezündet werden und einen „Magnetischen Puls" auslösen können.
In zivilen Teilbereichen, etwa hinsichtlich der Intensität bestimmter hochenergetischer Strahlung ( Röntgen- und Gammastrahlung ) existieren nationale Normen. Dort wird Einfluss auf die Quellen genommen.
3. Zum Zwecke der Vermeidung von Störungen von „Sendern" und „Empfängern" elektromagnetischer Wellen existieren seit langem internationale Vereinbarungen über die „Nutzung" von Frequenzbändern. Die bestehenden Normen zur Begrenzung von Feldstärken elektromagnetischer Wellen beziehen sich aber nur auf deren biologische Auswirkungen (ähnliche Problematik wie in Punkt 2).
4. Die allen „Trägermitteln" durch Menschen aufgeprägte Information und deren Verbreitung ist und war bisher noch nie frei. Denn sie ist zentrales Instrument extensiver Herrschaft. Mit dem Aufkommen nicht-materieller Träger von Information, insbesondere der elektronischen Kommunikation, haben sich neben juristischen Beschränkungen der „Informationsfreiheit" zunächst auch technische Maßnahmen von einzelnen Staaten zur Abwehr von unerwünschten Informationsübertragungen entwickelt.
Solange die Informationsübertragung durch öffentliche Einrichtungen erfolgte und es nur wenige solcher Dienstleistungseinrichtungen gab, handelte es sich praktisch um Monopole, die der Staat tatsächlich kontrollieren konnte und zwar sowohl hinsichtlich ihres Informationsgehaltes wie auch hinsichtlich ihrer technischen Übertragungsmöglichkeit. ( Pressezensur, Postmonopol, Staatlicher Rundfunk, einschließlich staatlich betriebener Störsender, sowie Funk- und Fernmeldelizenzen )
Mit dem Aufkommen des Mobilfunks haben Staaten in großem Stil die technische Übertragungsmöglichkeit als hoheitlich zu schützendes Gemeineigentum, vergleichbar etwa mit Bodenschätzen, gegen massive Besteuerung privatisiert. ( Versteigerung von Mobilfunklizenzen ) Die Hoheit über den Mobilfunk haben fast alle Staaten inzwischen verloren. Das gleiche gilt für das digital funktionierende Internet, das ein globales Netz mit verteilten Knoten darstellt.
5. Der Übergang von analoger zu digitaler Repräsentation von Information in Verbindung mit dem für militärische Zwecke entwickelten ARPA Netz und dem daraus hervorgegangenen kommerziellen Internet hat eine Situation geschaffen, in der de facto alle Staaten die Kontrolle und den Schutz der Informationsübertragung verloren haben.
Tatsächlich hat sich auf diese Weise ein weitgehend unverstandener, prinzipiell neuer globaler Informationsraum entwickelt, der sich supranational erstreckt und zu dem fast jedermann der das will anonymen Zugang hat. ( Die Parallelen zwischen Graffiti Sprayern und digitalen Nerds sind unübersehbar. Erstere sind in ihren Aktivitäten räumlich extrem beschränkt, letztere fast gar nicht.)
6. Der tiefere Grund für den Verlust der staatlichen Kontrolle über die Informationsinfrastruktur liegt in dem bislang nicht entwickelten Begriff der digitalen Person im Sinne einer Ergänzung und Erweiterung der Institute der natürlichen und der juristischen Person. Dieses Versäumnis schafft existentielle Probleme für ganze Zivilisationen, nicht nur für Staaten, und zwar durch die Entwicklung und den Einsatz von autonom agierenden Informationsverarbeitungsprogrammen. Auch für letztere fehlt ein zutreffender Begriff. Denn in dem Augenblick in dem mathematisch-logische Algorithmen und die diesen zugrunde liegenden Modelle der realen Welt Einfluss nehmen auf materielle oder geistige Prozesse, entsteht eine Art von selbständig handelnder Intelligenz. Diese fälschlich als „künstlich" bezeichnete Intelligenz operiert und kommuniziert ebenso wie jede natürliche Person oder jede juristische Person im Informationsraum. Die technische Nachbildung neuronaler Netze und deren Verknüpfung mit von Menschen nicht mehr zu bewältigenden Datenmengen, das so genannte "deep learning" zeigen, dass Intelligenz sich auch auf anderen als auf biologischen Substraten entwickeln kann. Diese nicht biologischen Informations- und Entscheidungsträger sind aber bislang keine Rechtssubjekte.
7. Mit Algorithmen und den sie tragenden technischen Geräten ist also quasi eine neue Art „handelnder Individuen" entstanden. Solange aber diese neuen digitalen Individuen nicht identifiziert werden können, ähnlich wie bisherige Personen, ob natürlicher oder juristischer Art, entziehen sie sich grundsätzlich jeder Art von Recht. (Hier sei beispielhaft auf die Existenz von Bots im Netz hingewiesen, die Meinungen oder so genannte Fake News verbreiten, ebenso auf die Beeinflussung demokratischer Wahlvorgänge durch „ausländische Akteure", aber auch auf das ungelöste Problem der juristischen Verantwortung von Schäden die autonom fahrende Fahrzeuge zweifelsohne verursachen werden.)
8. Diese neuen „digitalen Individuen" bedürfen letztendlich der Erfassung als „aktive Mitbürger", wenn durch sie nicht jede Art von Rechtssystem in Frage gestellt werden soll.
Man könnte sie als besondere Art von „Aliens" bezeichnen. In Verkennung von deren Potential unabhängig von Menschen Entscheidungen zu treffen vermehren wir sie, so als ob es nützliche Sklaven wären die, ähnlich wie frühere Sklaven vermeintlich angekettet, kein Unheil anrichten können. Tatsächlich aber lassen deren Besitzer sie frei agieren, jedenfalls im Informationsraum, der weder „kartiert" noch durch territorial gebundene Rechtssysteme überwacht und kontrolliert werden kann. Dabei hängen unsere existentiellen Grundlagen von der Tätigkeit dieser „Aliens" immer stärker ab. Die damit bereits entstandene und sich immer weiter verschärfende Sicherheitsproblematik geht über die bekannten militärischen Bedrohungen weit hinaus. Das gilt insbesondere mit Blick auf Nuklearwaffen. Ein durch Algorithmen verursachter möglicher Ausfall größerer Teile der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur würde zu einem unvorhersehbaren Zerfall der modernen, technisch inzwischen globalisierten Zivilisation führen, ohne dass auch nur eine einzige Rakete abgefeuert oder eine Bombe gezündet werden müsste (Sieferle 2016, 544f).
9. Die naheliegende Möglichkeit diese neuen „intelligenten Mitbürger" zu erfassen besteht über deren Kommunikation mit ihren menschlichen Besitzern und Auftraggebern, also mit natürlichen und juristischen Personen.
Der menschliche Zugang zum Informationsraum erfordert nämlich stets ein physisches „Instrument", ein vermittelndes „Etwas" zwischen unseren neuronalen Netzen, die unser Bewusstsein produzieren, und der Umwelt die nicht physisch sondern nur in Form von Information erfasst, verarbeitet und abgespeichert werden kann.
In archaischen Kulturen waren das die Stimme und die Gesten einschließlich der Mimik, mit deren Hilfe Informationen ausgetauscht wurden. Nicht der Inhalt der Kommunikation, aber die Stimme und das Gesicht eines handelnden Individuums waren stets ein öffentliches Identifikationsmerkmal. Das sind sie unverändert. Später kam die Schrift hinzu. Handschriften dienen in Verbindung mit Namen und Personenregistern zur Identifikation von Bürgern.
Seit es elektrische/elektronische Kommunikationsmittel gibt, angefangen von den Morseapparaten über Telefax, Radio, Fernsehen bis hin zu Smartphones und Computern fehlen die Möglichkeiten der unmittelbaren individuellen Erkennung der kommunizierenden menschlichen Akteure.
Das Phänomen der Anonymisierung von Informationsquellen ist weit verbreitet. Es reicht von Pressesprechern über Nachrichtensprecher bis hin zur „Gestaltung" von journalistischen Berichten und zur vorgeblichen Erfassung der Realität durch Einrichtungen, die sich des Mittels der Statistik bedienen.
Das gilt auch für die Erfassung von Informationsempfängern, mit Hilfe von „Einschaltquoten", oder für Wirksamkeitsanalysen von Werbe- und Wahlkampagnen.
Schließlich sind wachsende Teile der staatlichen Sicherheitsorgane damit beschäftigt „unbekannte" Zuhörer und Leser von Kommunikationsvorgängen und -inhalten zu ermitteln, etwa jene die IT Geräte „hacken", Trojaner installieren und „klassifizierte" Informationen zu erlangen suchen.
10. Jede über die natürliche Reichweite der menschlichen Sinnesorgane hinaus erfolgende Kommunikation bedient sich zwangsläufig technischer Hilfsmittel. Die Nutzung entsprechender Infrastrukturen ist ein ökonomischer Vorgang. Zum Zweck der Begleichung daraus entstehender Forderungen liegen bei den Telekommunikationsunternehmen Kundenverzeichnisse vor. Wenn diese mit bestehenden Melderegistern verknüpft werden, sind praktisch alle Handlungen, die über den Informationsraum ausgelöst werden mit der territorialen Position der „digitalen Agenten", und zwar sowohl der „Sender" wie der „Empfänger", und damit der Auftraggeber und der Auftragnehmer einer Handlung feststellbar.
Wird diese Verknüpfung durch den Staat vorgenommen und nicht allein wie bisher durch private Unternehmen, dann ließe sich damit den ganz oder teilweise autonom handelnden digitalen Agenten eine rechtsverbindliche Identität zuordnen. Das entspricht etwa der Kennzeichenvergabe für ein Kraftfahrzeug über das der Halter von den Behörden identifiziert werden kann. Auch wenn sich ein technischer Kommunikationsagent in einem anderen Rechtsraum aufhält, so ließe sich ein dem Staat bekannter „Halter" etwa eines Smartphones, für die Folgen von Rechtsverletzungen heranziehen, die mit dessen Hilfe herbeigeführt werden, auch dann wenn der tatsächliche Nutzer nicht direkt ermittelt werden kann.
Entscheidend ist, dass mit einem solchen relativ einfachen Verwaltungsakt die physischen Grenzen eines Staates effektiv zu schützen sind. Selbstverständlich lässt sich die Freizügigkeit solcher an den Halter gebundener Kommunikationsagenten ebenso einfach einschränken wie die Benutzung eines im Land A gemeldeten Fahrzeuges im Land B, wenn der Fahrzeugführer dort keine Aufenthaltserlaubnis hat.
VORAUSSETZUNGEN FÜR EINE GEORDNETE WEITERENTWICKLUNG: KOMMUNIKATION ALS GRUNDLAGE UND BEGRENZUNG VON GEMEINSCHAFT
Jedes zur elektronischen Kommunikation geeignete Gerät muss zwingend mit den administrativen und biometrischen Daten seines Eigentümers verbunden werden als Voraussetzung für die Nutzung öffentlicher Infrastrukturen. Erst auf diese Weise kann es eine Identität bekommen, die es zusammen mit seinem Besitzer zu einem juristisch greifbaren Subjekt macht.
Konsequent umgesetzt böte dieser Schritt unter anderem ein effektives Mittel zur Begrenzung grenzüberschreitender Migration und den damit verbundenen Rechtsverletzungen. In einer elektronisch vernetzten Welt ist die Sicherung des Rechtsstaates anders nicht mehr denkbar. Der Vorteil einer solchen Maßnahme bestünde darin physische Grenzbefestigungen und deren physische Überwachung und Verteidigung weitgehend überflüssig zu machen und deren Aufgabe auf elektronische „Wächter" übertragen zu können.
Dazu müssen Smartphones und ähnliche intelligente Geräte personalisiert werden und über kurz oder lang die Funktion eines Passes oder eines Personalausweises übernehmen. Für viele Authentifizierungsvorgänge sind dafür längst Techniken auf dem Markt. Diese entsprechen bislang aber nur der Ausgabe von privaten „Pässen" oder von kommerziellen Zugangsrechten, also einer Art Visen.
Würde der Staat das Smartphone und ähnliche Geräte mit hoheitlichen „Markierungen" versehen und damit personalisieren, dann ließen sich solche intelligenten Kommunikationsgeräte, die einer fremden Nationalität zuzuordnen sind, von der Nutzung nationaler Kommunikationsinfrastrukturen aussperren, falls deren jeweiliger Eigentümer keinen legalen Aufenthaltsstatus hat. Damit würden keinerlei Grundrechte des Eigentümers oder des Besitzers eines solchen elektronischen Kommunikationsgerätes eingeschränkt.
Eine solche „Personalisierung" elektronischer Kommunikation ist klar zu unterscheiden von einer Überwachung oder einer Kontrolle des Inhaltes von Kommunikation. Vielmehr geht es um die Bewegung eines Menschen in einem Territorium für das dieser kein Visum oder keinen anderen legalen Aufenthaltstitel besitzt, erst recht zur Unterbindung von Geschäften solcher Personen in einem bestimmten Territorium. Aktionen gleich welcher Art mit Hilfe eines elektronischen Gerätes, das zunehmend zur Fernsteuerung von Anlagen und der Ausführung von Geschäften dient, also nicht nur zum „Telefonieren", entspricht letztlich der Errichtung einer Firma, die selbstverständlich in öffentlichen Registern zu erfassen und zu
genehmigen ist. Ähnliches zeichnet sich für autonome Fahrzeuge ab, die in unterschiedlichen Verkehrssystemen unterwegs sind, etwa in Ländern mit Rechts- bzw. Linksverkehr. Die Regulierung von Finanzmärkten bildet ein weiters Beispiel.
Aus den öffentlichen Verbindungsdaten identifizierbarer elektronischer Kommunikationsgeräte lassen sich sehr einfach die Herkunft von deren Besitzern und auch die Stellen bestimmen an der territoriale und das heißt auch immer Rechtsgrenzen überschritten wurden. Eben diese Information wird schon jetzt bei Überschreitung von physischen Grenzen grundsätzlich nicht zur Privatsphäre gerechnet.
Hier gilt für die elektronische Kommunikation das gleiche wie für die bisherige analoge Kommunikation: Der Adressat auf einem simplen Brief und die Angabe des Absenders können logisch gar nicht unter das Briefgeheimnis fallen. Ohne sie könnte ein Brief weder transportiert noch zugestellt werden.
Die elementaren zivilisatorischen Erfahrungen aus Jahrtausenden müssen dringend auf das elektronische Zeitalter projiziert und strikt zur Zähmung der Globalisierung angewandt werden. Ohne „smarte" Maßnahmen bleiben die Begriffe staatliche Ordnung und vom Staat zu gewährleistende Sicherheit nach der „Privatisierung" fast aller Kommunikationsinfrastrukturen in den vergangenen Jahrzehnten sonst nur leere Floskeln.
Funding. This work did not receive any specific financing from any governmental, public, commercial, non-profit, community-based organisations or any other source.
Conflicts of interest. None declared.
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EXTENDED SUMMARY
Sassin, Wolfgang. Globalisation and Digitisation - The Exponential Spread of Infectious Information and its Possible Containment.
The current spread of a new Coronavirus Covid-19 pandemic, just as any other pandemic, demonstrates that we have an utmost need in establishing boundaries in otherwise truly global society. All of the measures recommended by governments and health organisations are not really suitable to prevent a pandemic, i.e. a global spread of a disease with potentially fatal consequences for parts of the population. At best, they can slow down the rate at which the pandemic spreads. In my work, I outline the basic principles of constructing a new possible ideology of digital limits that may prevent uncontrolled societal communication and, therefore, slow down or even forestall the spread of infection in the world with almost eight billion people.
The implicit assumption that the existing, very different cultures, their special values and their objectively considered archaic legal systems could and should become part of a globally uniform legal area, not only questions all previous legal concepts. It exposes the underlying principles of interpersonal behaviour. "Western values" arose from the rebellion of the weak, who not only tried to disem-power their top performers but to enslave them. After the experiences of the French Revolution and the attempt to subjugate an entire continent under Napoleon, the renewed striving for freedom presupposes free spaces. It includes the right to independence as well as to being free from the chains of inadequate and dragging along social chains. They served the alimentation of a self-proclaimed elite or the bottom of a society. The separation of the New England States from Britain (1776) and the establishment of the American Constitution (1788) cannot be understood otherwise. The fact that America was a model for exploring new spaces in the 19th century, but not a blueprint for such an activity in the 21st century, simply follows from the fact that we have no second New World available to us today.
Humanity understood as a whole, as a union organised globally, would inevitably lead to a closed social system. In such a system, there can be no different speeds in the adjustment of performance standards and no "markets" which allow a balance between supply and demand via price mechanisms. Furthermore, such a closed social system does would not show any appreciable tolerance towards
highly different habits, i.e. what is taken for granted as personal freedoms, including cultural and religious freedoms. Digital borders are not only an urgently needed means of limiting expropriated migration, they are also essential to maintain the technical and scientific basis for existence, especially from the perspective of the "weaker".
i describe ten conditions necessary for the smooth transition from different natural living spaces to the universal life conditions upon new global technically-shaped Earth. Then I introduce the suggestion how to create and maintain digital borders without physical borders. If implemented consistently, this proposal would provide, among other things, an effective means of limiting uncontrolled cross-border migration - which is a symptom, not a cause of global society problems - and the related legal violations. In an electronically networked world, securing the rule of law is a not easy task. The advantage of such a measure would be to make physical border fortifications and their physical surveillance and defense largely superfluous and to be able to transfer their tasks to electronic "guards." This ideological measure is closely connected with reconsidering what we call digital freedom and digital identification in the global network.
The elementary civilisational experiences of millennia urgently need be projected onto the electronic age and used to tame globalisation. Without such measures, the terms "state order" and "security to be guaranteed by the state", after the "privatisation" of almost all communication infrastructures in the past decades, are otherwise just empty phrases.
Author / ABTopt
Dr-Ing Wolfgang Sassin's teaching, research, advisory activities and affiliations included the Technical University of Vienna (Austria), the Research Centre Jülich (Germany), IIASA (Austria), the International Panel on Climate Change IPCC, the UN Program Habitat, the Directorate General on Research and Innovation of the European Commission (Belgium), and OEMs in the German automobile industry on man-machine interfaces.
Wolfgang Sassin,
Independent researcher, Jochberg 5 6335 Thiersee Austria
© Wolfgang Sassin
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