УДК 81'34 В. В. Потапов
доктор филологических наук, главный научный сотрудник НИР кафедры прикладной и экспериментальной лингвистики Института прикладной и математической лингвистики факультета ГПН МГЛУ; ст. научный сотрудник филологического факультета МГУ им. М. В. Ломоносова; e-mail: [email protected]
АКЦЕНТОЛОГИЯ И УДАРЕНИЕ В РУССКОМ ЯЗЫКЕ С ПОЗИЦИИ КОНЦЕПЦИИ ВЕРНЕРА ЛЕФЕЛЬДТА1
В статье рассматривается концепция Вернера Лефельдта - известного немецкого слависта, специалиста в области фонетики, фонологии, прикладной лингвистики. Концепция строится на базе исследований словесного акцента и словесного ударения применительно к современному русскому языковому стандарту. Анализируются языковые знаковые модели: абстрактные и конкретные словоформы, уровень акцента и уровень ударения, язык и речь.
Ключевые слова: акцентология; конкретные и абстрактные словоформы; дихотомия; виды речевой деятельности; первичное и вторичное ударение; оппозиция; динамика.
Potapov V. V.
D. Sc., Principal Research Fellow, Department of Applied and Experimental Linguistics, Institute of Applied and Mathematical Linguistics, Faculty of the Humanities and Applied Sciences, MSLU; e-mail: [email protected]
ACCENTUATION AND STRESS IN RUSSIAN IN CONCEPTION BY WERNER LEHFELDT
In this article is conception by Werner Lehfeldt discussed - well-known German specialist in the field of Slavic languages, phonetics, phonology and applied linguistics - regarding his researches on word accent and word stress for modern standard Russian. Some model signs are analysed: abstract and concrete word forms, accent level and stress level, language and speech.
Key words: accentuation; abstract and concrete word forms, dichotomy; kinds of speech activity; primary and secondary stress; opposition; dynamics.
1 Исследование выполнено в рамках научного проекта РФФИ № 1406-00363. Научный руководитель - доктор филологических наук, профессор Р. К. Потапова.
RUSSISCHE AKZENTOLOGIE UND BETONUNG IN DER KONZEPTION VON WERNER LEHFELDT
In diesem Artikel wird die Konzeption von Werner Lehfeldt bezüglich seiner Untersuchungen des Wortakzents und der Wortbetonung im Standardrussischen besprochen. Es werden folgende Modellzeichen analysiert: abstrakte und konkrete Wortformen, Akzentebene und Betonungsebene, Sprache und Rede.
Stichwörter Akzentologie; konkrete und abstrakte Wortformen; Dichotomie; Arten der Sprechtätigkeit; primäre und sekundäre Betonung; Opposition; Dynamik.
Werner Lehfeldts1 Buch „Akzent und Betonung im Russischen" (2. verb. und erw. Aufl.) [13] ist „dem ewigen Problem" der rhythmischen Strukturierung der russischen Sprache (paradigmatisch) und der russischen gesprochenen Sprache (syntagmatisch), als der Grundlage des Funktionierens der Sprache, gewidmet.
In diesem Buch setzt er seine Untersuchung des Wortakzents und der Wortbetonung in der russischen Standardsprache fort, um den Versuch im Bereich der Theorie der russischen Akzentologie weiterzuentwickeln, in diese Problematik tiefer einzudringen und einige Aspekte der Interpretation einzelner Bergriffe in diesem Bereich zu systematisieren.
Bei dem Vergleich des Inhalts dieses Buches mit dem Text früherer Auflagen (vgl. russische Auflage von Werner Lehfeldt [5]) ist festzustellen, dass der Autor neues Material eingeführt und dadurch seine eigene theoretische Konzeption weiterentwickelt hat („Exkurs: zur akzentologischen Konzeption Ferdinand de Saussures" [13, S. 9-12]). Diese zusätzliche Information bildet die konzeptionelle Grundlage des Buches, weil die Konzeption des Autors mit der Konzeption Ferdinand de Saussures vollkommen zusammenfällt, was den Unterschied von zwei Phänomenen, Akzent und Betonung, anbetrifft. Mehrmals unterstreicht Lehfeldt, dass die Begriffe Akzent und Betonung keine Synonyme sind.
Seinem Standpunkt nach existieren zwei Arten von Phänomenen: Modellzeichen, die als abstrakte Wortformen betrachtet werden, und konkrete Wortformen, die in der gesprochenen Sprache aktualisiert
1 Werner Lehfeldt ist ein berühmter Linguist und Slawist, der schon im Laufe von vielen Jahren wesentliche Probleme im wissenschaftlichen Bereich der Akzentologie des Russischen untersucht.
werden. Unserer Meinung nach fällt diese Konzeption mit den psycholinguistischen Untersuchungsergebnissen zusammen. Es ist bekannt, dass im menschlichen Gedächtnis ein sogenanntes Inventar von abstrakten Akzentzeichenschemata existiert, die im Prozess der Redebildung im Redefuss ihre Wortformkorrelate haben. Dies definiert der Autor folgendermaßen: „Eine derartige konkret realisierte Hervorhebung nennen wir Betonung einer Wortform" [13, S. 3]. Diese Konzeption fällt mit der Konzeption der russischen Linguisten (Phonetiker, Phonologen usw.) zusammen, die das sprachliche System (Paradigmatik) einerseits, und Variationsformen der Einheiten dieses Systems in der gesprochenen Sprache im Diskurs (Syntagmatik) andererseits, unterscheiden. Diese Dichotomie ist vor allem für den Unterricht „Russisch für Ausländer" von besonderer Bedeutung1.
Im Vorwort unterstreicht Lehfeldt, welche Aspekte im Text des Buches mit Hilfe seiner Kollegen (U. Schweier, P. Meyer, R. Hammel und G. Altmann) korrigiert und verbessert wurden. Dies zeugt von besonderem Wert, weil der Autor stets im schöpferischen Entwicklungsprozess ist und seine Untersuchungen mit Rücksicht auf die Dynamik des Verstehens fortsetzt. Er nimmt dabei besonderen Bezug auf das semiotische Wesen der sinnlich fassbaren und einprägsamen Zergliederung des Redeflusses.
Im Grunde genommen wird dieses Buch als konzeptuelle Vertiefung und Resultat des Umdenkens des Autors durch den Leser aufgefasst, was für die weitere Entwicklung der oben genannten Problematik von großer Bedeutung ist.
Im Buch von Lehfeldt werden die wichtigsten Probleme der Akzentologie des Russischen bezüglich der zwei Beschreibungsebenen von sprachlichem Material dargestellt: der Akzentebene und der Betonungsebene. Die Ebenen werden, in diesem Fall, als relativ abgeschlossene Teile des Sprachsystems, als Mittel der Untersuchung und Beschreibung der Sprache und Sprachelemente, definiert.
Die Dichotomie von „Sprache und Rede" gibt dem Autor die Möglichkeit, Akzent als Phänomen der sprachlichen Norm und Betonung als Phänomen der gesprochenen Variationsformen zu betrachten. Dazu gehören solche Ausgangspunkte wie mentaler Text, schriftliches Textexemplar, schriftliches Textformular und konkretes
1 Als Beispiel für diesen Problemaspekt kann der folgende Internetkurs angeführt werden: http://fonetica.philol.msu.ru
mündliches Textexemplar [13, S. 19]. Die Beschreibung der russischen Akzent- und Betonungssysteme wird vom Autor mit Rücksicht auf die Systematisierung und Klassifizierung dieser Phänomene dargestellt. So wird versucht, eine vollständige Beschreibung des russischen Akzentologie- und Betonungssystems zu schaffen. Alle zu analysierenden Wortformen werden paradigmatisch und syntagmatisch beschrieben. Als Ergebnis werden verschiedene Akzentschemata erarbeitet und dargestellt.
Von großem Interesse ist die mathematische Bearbeitung des sprachlichen Materials (Intervalle der signifikanten Akzentvariabilität der Stichprobe, Wahrscheinlichkeitsgrößen, Quantile der Normalverteilung u.a.).
Es ist zu unterstreichen, dass die Benutzung mathematischer Verfahren für linguistische Untersuchungen besonders wertvoll ist, weil mit Hilfe dieses Instrumentariums genauere, sicherere und zuverlässigere Daten erhoben werden können.
Die Untersuchungen Lehfeldts, in denen mathematische Lösungsverfahren intensiv genutzt worden sind, waren in der russische Literatur, auf dem Gebiet der experimentellen Phonetik, bereits bekannt [8; 12].
Die oben erwähnte Arbeit Lehfeldts zeugt davon, dass er den mathematischen Apparat der Bearbeitung des experimentellen Materials beherrscht und nach der Genauigkeit der Ergebnisse strebt, die nicht nur in der Theorie der Linguistik, sondern auch in der angewandten Linguistik verwendet werden können.
Im Folgenden gehen wir noch auf die Thematik „Sekundärer Akzent und Sekundäre Betonung" ein. Lehfeldts Konzeption wird durch das logische System der Definitionen und Beispiele begründet. Die Einteilung des sprachlichen Korpus in zwei Subsysteme der Wortformen mit einem (Haupt)Akzent und mit einem sekundären oder zusätzlichen Akzent [13, S. 118] scheint uns im Hinblick auf die Terminologie nicht besonders gelungen. Es ist bekannt, dass die Bezeichnungen „Hauptbetonung" und „Nebenbetonung" oder „Hauptakzent" und „Nebenakzent" in der Linguistik gebräuchlich sind. Das klassische Beispiel dafür ist das System der Akzentuierung und Betonungen im Deutschen, in dem die Nebenbetonungen durch eine Reihe von Abstufungen der nebenbetonten Silben charakterisiert werden.
Der Terminus „sekundärer Akzent" ist hinsichtlich der Oppositionstheorie (nach N. S. Trubetzkoy [11]) mit dem Terminus
„primärer Akzent" verbunden. Diese zwei Termini treten zueinander in Opposition auf. Diskursbedingt kann sowohl der eine als auch der andere Akzent markiert oder unmarkiert sein. Unserer Meinung nach handelt es sich in der Regel um private Oppositionen, die im System der Sprachakzentuierung vorkommen. Was die gesprochene Sprache anbetrifft, so können in diesem Fall andere Arten von Oppositionen auftreten.
Von diesem Standpunkt aus wäre es zweckmäßig, ein präziseres System zur Klassifizierung der Arten von Akzenten und Betonungen zu erarbeiten.
Ebenso wäre es wünschenswert, dieses Problem unter Berücksichtigung verschiedener Arten der Sprechtätigkeit (vorbereitetes / unvorbereitetes Lesen, vorbereitetes/unvorbereitetes bzw. spontanes, quasispontanes Sprechen) einerseits, und verschiedener funktionaler Redestile (z. B. öffentliche Rede, Konversation, Rezitation u.a.) andererseits, zu untersuchen.
Die Grundlage wäre in diesem Fall die experimentelle Analyse der gegenwärtigen russischen Sprache und genauer der gegenwärtigen russischen gesprochenen Sprache hinsichtlich Redebildung und Redegewohnheiten der muttersprachlichen Probanden. In den russischen Literaturquellen zu dieser Problematik gibt es eine Reihe von Beispielen, die als Norm betrachtet werden. Ein weiteres Ziel besteht darin, möglichst viele diskursive Faktoren zu berücksichtigen, um das Problem der Dichotomie „Hauptakzent" und „Nebenakzent", „primäre Betonung" und „sekundäre Betonung", „Grundbetonung" und „Zusatzbetonung" zu lösen.
Von großem Interesse ist zur Zeit die Klärung von Fragestellungen der sprachlichen und sprechsprachlichen Variantologie, welche für das Entstehen der sprachlichen und sprechsprachlichen Variationsformen des Russischen auf dem Gebiet der Korpuslinguistik (der Datenbasen) besonders wichtig ist. Bezüglich der literarischen Norm [1; 2] werden in der Regel drei wichtige Gruppen von Akzentvariationsformen unterschieden:
- normative (z.B. 6Ap»a - 6ap»A, fiOrypT - fiorypT, ca^EHt -zusätzlich cA^eHt, TBopOr - zusätzlich TBOpor);
- stilistische (z.B. KnAgöu^e - zusätzlich (poet.) KnagöH^e, KOMÖAHHep - umgangssprachlich KOMÖaÖHEp, tAhto - veraltet TaHrO);
В. В. Потапов
- marginale (d.h. nicht normative und nicht stilistische, z. B. алкогОль - *Алкоголь1, добЫча - *дОбыча, квартАл - *квАртал, свЁлка - *свеклА, кУхонный - *кухОнный).
Rückblickend kann die Entstehung der neuen Variationsformen (Akzent- und Betonung) und das Verschwinden der alten Akzent- und Betonungsvariationsformen bezüglich des Russischen auf das Ende des XX. bzw. den Anfang des XXI. Jahrhunderts festgelegt werden. Zur Zeit findet ein Umdenken in Bezug auf das russische Akzent- und Betonungssystem statt, welches mit der aktiven Bevölkerungsmigration innerhalb Russlands verbunden ist.
Lehfeldts Werk ist in sechs Kapitel unterteilt. Dem Leser wird die Möglichkeit gegeben, sich Schritt für Schritt in das Hauptproblem einzuarbeiten. Von diesem Standpunkt aus wäre es wünschenswert, den Paragraphen „Exkurs: Zur akzentologischen Konzeption Ferdinand de Saussures" [13, S. 9-12] nicht in der Einleitung, sondern in einem selbstständigen Kapitel zu behandeln, in dem nicht nur dieses Material, sondern auch logische, philosophische u.a. Konzeptionen thematisiert werden.
Dazu möchten wir noch einige Arbeiten von Е. Курилович [4], П. С. Кузнецов [3], В. Я. Никонов [7], И. М. Логинова [6] und einige aktuellere Bücher von R. K. Potapova und V. V. Potapov [9; 14] empfehlen.
Zum Schluss möchten wir unterstreichen, dass Lehfeldts Monographie ein großer Beitrag zur Weiterentwicklung der sprachwissenschaftlichen Theorie bezüglich der Probleme Akzent und Betonung im Russischen ist.
Professor Werner Lehfeldt ist ein namhafter Vertreter der drei Wissenschaftsdisziplinen Phonetik, Phonologie und der angewandten Linguistik, welche ein breites Spektrum von Konzeptionen bieten. Wir hoffen, dass die in diesem Buch beschriebenen Verfahren und Ergebnisse vom Autor mit Erfolg fortgesetzt und weiter bearbeitet werden. Davon zeugt seine Absicht, die Beschäftigung mit Problemen der Akzentologie im Laufe seines Lebens fortzusetzen, um das Wesen dieses Phänomens möglichst vielseitig zu erforschen.
1 die mit Asterix (*) gekennzeichneten Formen sind falsch hinsichtlich der
Akzentsetzung
LITERATURVERZEICHNIS
1. Аванесов Р. И. Нормы русского литературного произношения в их историческом развитии // Русская речь. - 1981. - № 3. - С. 38-43.
2. Иванова Т. Ф., Черкасова Т. А. Русская речь в эфире. Комплексный справочник. - 2-е изд., испр. - М. : Русский язык, 2002. - 346 с.
3. Кузнецов П. С. К вопросу о фонологии ударения // А. А. Реформатский. Из истории отечественной фонологии. Очерк. Хрестоматия. - М. : Наука, 1970. - С. 360-367.
4. Курилович Е. Система русского ударения // Е. Курилович. Очерки по лингвистике. - М. : Изд-во иностранной литературы, 1962. -С. 436-444.
5. Лефельдт В. Акцент и ударение в современном русском языке. - 2-е изд., испр. и доп. - М. : Языки славянской культуры, 2010. - 288 с.
6. Логинова И. М. Описание фонетики русского языка как иностранного (вокализм и ударение). - М. : Изд-во РУДН, 1992. - 160 с.
7. Никонов В. Я. Место ударения в русском языке // International Journal of Slavic Linguistics and Poetics. - 1963. - V. I. - P. 1-8.
8. Потапова Р. К. Лингвистические ограничения и сегментация слитной речи // Проблемы построения систем понимания речи / отв. ред. Г. И. Цемель, В. Н. Сорокин. - М. : Наука, 1980. - С. 18-30.
9. Потапова Р. К., Потапов В. В. Речевая коммуникация: От звука к высказыванию. - М. : Языки славянских культур, 2012. - 464 с.
10. Соссюр Ф. де. Заметки по общей лингвистике / пер. с фр. - М. : Прогресс, 2001. - 274 с.
11. Трубецкой Н. С. Основы фонологии / пер. с нем. - М. : Изд-во иностранной литературы, 1960. - 372 с.
12. Lehfeldt W. EinAlgorithmus zur automatischen Silbentrennung // Phonetica 24. - 1971. - S. 212-237.
13. Lehfeldt W. Akzent und Betonung im Russischen. 2., verb. und erw. Aufl. -München-Berlin-Washinhton, D.C. : Verlag Otto Sagner, 2012. - 174 S.
14. Potapova R. K., Potapov V. V. Kommunikative Sprechtätigkeit. Russland und Deutschland im Vergleich. - Köln-Weimar-Wien : Böhlau Verlag, 2011. - 312 S.