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« КриСтоф Эрихт УДК 241.38
д Общество церковной истории Померании § (17489, Germany, Greifswald, c/o Landeskirchliches Archiv, g Rudolf-Petershagen-Allee 3) bi [email protected] tri
Etsi Deus non daretur. гуго гроций и войнл.
^ Б ого слов ское размышление
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^ и историческая актуализация
наследия основателя современного народного права и европейского просветителя
Один из основателей современного международного права, Гуго Гроций сыграл значительную роль в заключении мира после Тридцатилетней войны. Он также был вадающимся деятелем истории эпохи Просвещения и секуляризации в Европе. Сегодня его деятельность может рассматриваться в связи с новым либеральным пониманием религии в духе толерантности и во взаимосвязи между религией и политикой. Гроций советует устанавливать мирное и правовое пространство, отказываясь от использования в нем имени Бога. Может ли это быть советом и для современности? Немецкий теолог Дитрих Бонхеффер ожидал наступления эпохи безверия, однако мы наблюдаем сегодня все возрастающую роль религии в политических вопросах и, как следствие, рост недоверия к религии в светском обществе. Статья представляет собой анализ наследия Гроция как актуальную тему богословия. Автор также делает обзор новой литературе, посвященной Гроцию, его жизни и наследию, а также роли его личности в современных теологических дискуссиях. Также говорится о восприятии Гроция в русской традиции.
Статья основана на докладе, прочитанном на конференции, посвященной истории Тридцатилетней войны (Санкт-Петербург, 2018).
Ключевые слова: Гуго Гроций, Нидерланды ХУ1-ХУ11 вв., армини-анство, реформатская теология, секуляризация, Просвещение, Тридцатилетняя война, международное право, естественное право, Дитрих Бонхоффер, религия и политика
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Christoph Ehsicht .
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Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte e.V. ® (17489, Germany, Greifswald, c/o Landeskirchliches Archiv, c
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Etsi Deus non daretur. Hugo Grotius y
und der Krieg. Theologische Überlegungen und exemplarische historische Darstellungen über den Begründer des modernen Völkerrechts und Wegbereiter der europäischen Aufklärung
The article provides a theological analysis of the figure of Hugo Grotius, one of the founders of the modern international law, who had a great influence for the peace-process in the last time of the Thirty Years' War. He also played a role in the European history of the Enlightenment and secularisation eras. In our time analysis of Grotius's heritage is connected with new liberal understanding of religion in the spirit of tolerance, as well as with the connection between religion and politics. Grotius recommends to build a foundation of law and peace without any use or misuse of the name of God — could it be helpful also in our time? The German theologian Dietrich Bonhoeffer expected a non-religious time, but we have to see a growing influence of religion for political decisions and in consequence a growing mistrust against religion in the secular society. But it gives also an overview about new literature to Grotius and about his life and works and his significance in contemporary theological discussions. A short point is the reception of Grotius in the Russian tradition.
The article is based on the report made at the historical conference devoted to the Thirty Years War (Saint-Petersburg, Russia, 2018).
Key words: Hugo Grotius, Netherlands 16—17th centuries, Arminianism, Reformed theology, secularisation, Enlightenment, Thirty Years' War, International law, Natural law, Dietrich Bonhoeffer, religion and politics
§ VorBemerkung
h Vor einigen Wochen berichtete der Landesrabbiner aus Schles-
[f wig-Holstein, wie er einer Gemeinde einen jungen Rabbiner präsentiert hat. Nach der Vorstellung sagte der Gemeindevorsitzende m zu dem Kandidaten: Wir freuen uns auf Ihren Dienst. Sie können § über alles predigen, aber bitte nicht über Politik — und nicht ^ über Religion. Für einen Theologen ist es natürlich bitter, so etwas ^ zu hören. Aber es spiegelt ein verbreitetes Misstrauen angesichts s von religiös begründetem Fanatismus und Extremismus wider. s Nach dem 11. September 2001 haben in Berlin sehr viele Eltern ihre w Kinder vom Religionsunterricht abgemeldet. Sie wollten nicht, dass ihre Kinder mit gefährlichem Gedankengut in Berührung kommen. Die Entwicklung nach «nine eleven» hat wenig dazu beigetragen, diese Sorgen für unbegründet zu halten.
Ich spreche diese Problematik an, weil Religion und Politik die beiden Brennpunkte der Lebensellipse von Hugo Grotius gewesen sind — und weil wir von ihm lernen können, wie die Beziehung von Religion und Politik in schwierigen Zeiten so gestaltet werden kann, dass es dem Leben dient und nicht unkontrollierbarer tödlicher Gewalt. Vielleicht aber hat er ja auch gelegentlich gestöhnt über religiös begründeten Fanatismus und seine politischen Folgen. Diese Vermutung ist natürlich spekulativ, aber da ich mich unserem Thema als Theologe und nicht als Historiker zuwende, mag eine Spekulation erlaubt sein.
Jedenfalls hat das Lebenswerk des niederländischen Dichters, Juristen, Theologen und Staatsmannes Hugo de Groot — 123 Publikationen in über 1300 Ausgaben und über 350 Arbeiten über ihn allein im 17. Jahrhundert! — unmittelbar Einfluss genommen auf das Denken und Handeln seiner Zeitgenossen und inspiriert bis in unsere Zeit. Bestes Beispiel dafür ist der deutsche Theologe Dietrich Bonhoeffer, der in seinen Briefen auf dem Nazi-Gefängnis in Berlin eine religionslose Zeit heraufkommen sah und versuchte, über die Wahrheit Gottes im Sinne von Grotius zu reden «etsi Deus non daretur», als ob es Gott nicht gäbe. Wir werden allerdings gleich sehen, dass Grotius es durchaus etwas anders gemeint und gesagt hat.
Neue Literatur über Hugo Grotius
1 Hugo Grotius: A lifelong struggle for Peace in Church and State / Ed. by H. J. M. Nellen. Leiden; Boston, 2015.
2 Müller E. Hugo Grotius und der Dreißigjährige Krieg. Zur frühen Rezeption von De jure belli ac pacis // Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis. 2009. N 77. S. 499-539.
3 Mühlegger F. Hugo Grotius. Ein christlicher Humanist in politischer Verantwortung. Berlin; New York, 2007.
4 Stumpf C. A. The Grotian theology of international law. Hugo Grotius and the moral foundations ofinternational relations. Berlin, 2006.
5 Mouliarova E. Integration und Wandel des Souveränitätsbegriffes in der russischen Doktrin. Diss. iur. Regensburg, 2006 // URL: https://epub. uni-regensburg.de/10796/ 1/mouliarova_text_a4.pdf (дата обращения 17.11.2019).
6 Stender-Petersen A. Geschichte der russischen Literatur. Bd 1. München, 1957. S. 332 f.
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Das aktuellste Standardwerk über Grotius, dem ich in den folgenden «Streifzügen» weitgehend folgen werde, stammt von dem e niederländischen Historiker Henk J. M. Nellen1. Speziell mit Grotius' Bedeutung im Dreißigjährigen Krieg hat sich Edgar Müller beschäftigt2. Florian Mühlegger stellt in seiner Monographie ausführlich die theologischen Grundlagen des Denkens von Grotius dar3. Dem Zusammenhang zwischen Theologie und Rechtsdenken
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im Werk des Niederländers widmet sich schließlich Christian A. §
Stumpf in seiner Dissertation aus dem Jahr 20054. h
Besonders erforscht werden muss wohl noch die Geschichte g
der Grotius-Rezeption in Russland. Hier können nur wenige Hin- G
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weise gegeben werden. Grotius" Bedeutung für die internationale o
Rechtsentwicklung und ihren Einfluss auf Russland stellt Ekate- d
rina Mouliarova in ihrer Regensburger Dissertation von 2006 dar §
und verweist dabei besonders auf das Interesse an Grotius als Vor- n
läufer von Samuel Pufendorf5. Dass Pufendorf besonders für Peter I. ^
ein prägender Denker war und zur Zeit des Imperators zu dessen §
besserem Verständnis auch eine Übersetzung von «De jure bel- r
li ac pacis» ins Russische veranlasst worden war, berichtet bereits £
Adolf Stender — Petersen (1893-1963), der aus Petersburg stammte, P Absolvent der dortigen St. Petrischule und Student der Petersburger Universität war, ehe er in die dänische Heimat seines Vaters zog und zum bedeutenden dänischen Historiker und Sprachwissenschafter wurde6. Zur Einordnung der Grotius-Rezeption in den Rahmen
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des theologischen Gesprächs zwischen dem protestantischen Wes-
o ten und der russischen Orthodoxie sei schließlich auf die sehr instep
fcj ruktive und exemplarische Erlanger Dissertation von Jennifer Was-
O muth verwiesen7.
g Streifzüge in Leben und Werk des Hugo Grotius
Ehe ich mich seinen für unsere Beschäftigung mit dem 30jähri-^ gen Krieg besonders relevanten beiden Hauptwerken von Grotius § «Mare liberum» und «De iure belli ac pacis» zuwende und den ^ neueren Forschungen dazu, will ich kurz einige seiner Lebenssta-^ tionen in Erinnerung rufen, die zum Verständnis seines Wirkens ^ entscheidend sind.
Geboren am 10.4.1583 in Delft in einer prominenten calvinistischen Familie studierte Grotius bereits mit 12 Jahren an der Akademie in Leiden Literatur, Philosophie und Jurisprudenz und wurde bald berühmt als lateinischer Dichter. 1597 verließ er die Akademie und wurde 1598 mit großer Ehre in Paris am Hof Henri IV. empfangen, wohin er Johan van Oldenbarnevelt (1547-1619) gefolgt war, dem eigentlichen Gründer der niederländischen Republik. In Orleans wurde er zum Doktor der Rechte promoviert und ließ sich im Haag als Anwalt nieder. Die Staaten gaben ihm den Auftrag, die Geschichte der niederländischen Republik seit dem Aufstand gegen Spanien zu schreiben, die «Annales et historiae de rebus Bel-gicii». Sie erschienen erst nach seinem Tod. Am Rande will ich darauf hinweisen, dass Friedrich Schiller sich in seiner außerordentlich lesenswerten «Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande» von 1788 immer wieder auf die Arbeit von Grotius bezieht. Die Lektüre von Schillers Werk verdeutlicht übrigens sehr eindrücklich, wie sehr das, was wir als «30jährigen Krieg» bezeichnen eingebunden ist in die Wirren und Konflikte, die lange vor 1618 begannen und leider auch nach 1648 nicht wirklich beendet waren. Es bestätigt sich wohl die zuletzt von Johannes Burkhardt vertretene Deutung des 30jährigen Krieges nicht als Religions — oder Konfessionskrieg, sondern als Teil der kriegerischen Geburtswehen der europäischen Nationalstaa-
7 Wasmuth J. Der Protestantismus und die russische Theologie. Zur Rezeption und Kritik des Protestantismus in den Zeitschriften der Geistlichen Akademien an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Göttingen, 2007.
8 Burkhardt J. Der Krieg der Kriege. Eine neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart, 2018.
9 Die turbulenten und theologiegeschichtlich nachdenkenswerten Ereignisse werden erstmals in der immer noch lesenswerten «Kurzen Geschichte der Remonstranten» von Jakob Regenboog (Jakob Regenboog. Kurzen Geschichte der Remonstranten. Lemgo, 1781) anschaulich und differenziert dargestellt!
10 Edgar Müller führt in seiner oben genannten Untersuchung dafür zahlreiche Belege an (Müller E. Hugo Grotius... S. 510 ff.).
te8. Dass Grotius als einer der ersten Denker hier die Notwendigkeit e
sah, dem Prozess der nationalstaatlichen Entwicklung einen völ- s
kerrechtlichen Rahmen zu geben, verdient besondere Würdigung d
und bestätigt zugleich Burkhardts Deutung des Krieges. §
1613 wird Grotius zum Pensionaris (Stadtrat) in der Nachfol- ^
ge von Oldenbarnevelt in Rotterdam ernannt und bald in die kir- §
chenpolitischen Streitigkeiten verwickelt, die die junge «Repub- ^
lik der Sieben Vereinigten Niederlande» in den folgenden Jahren e
erschütterten und die ich hier im einzelnen nicht darstellen kann. § Mit Oldenbarnevelt versuchte er die streitenden Parteien zu verei-
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nigen und im Geist von Jacob Arminius (1560-1609) unter Zurück- § stellung dogmatischer Lehrmeinungen und Lehrunterschiede vor
allem zum Herzstück des Calvinismus, zur Prädestinationslehre,
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die Spaltung der Kirche zu vermeiden. Die Anhänger von Arminius T versammelten sich als «Remonstranten» und bilden bis heute eine §
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sehr kleine Freikirche in der Reformierten Kirche in den Niederlan- §
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den und in Norddeutschland, in der Heimat des eingangs erwähnten § Landesrabbiners9. e
Die Gegner dieser Position, die Kontra-Remonstranten, gewan- K nen im Umbruch von 1618 die Oberhand, Oldenbarnevelt wurde i hingerichtet, Grotius in die Gefangenschaft in das Schloss Loeve- . stein in Geldern geführt. Von dort befreite ihn seine Frau Maria von Reigersbergh am 22. März 1621, indem sie ihn in einer Bücherkiste verstecken ließ. Grotius ging für 10 Jahre in ein Exil nach Paris. 1632 erreichte ihn in Hamburg die Anfrage Gustav Adolfs, ob er in schwedische Dienste treten wolle. Es heißt, dass der Schwedenkönig Bücher von Grotius in seinem Marschgepäck mit sich führte und ihn in hohem Maß verehrte10. Nach dem Tod des Königs nahm sich Kanzler Axel Oxenstierna seiner an und ernannte ihn zum Botschafter Schwedens in Paris. Das Wirken von Grotius in diesem Amt
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rn wird unterschiedlich beurteilt, zumindest im Hintergrund aber
o hat er wohl entscheidend zum Friedensschluß zwischen Schweden
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fcj und Frankreich beigetragen. Nach 10 Jahren bat Grotius um seine
O Abberufung und begab sich dazu nach Stockholm, wo er von Köni-
-q gin Christine ehrenvoll empfangen wurde. Auf der Rückreise erlitt
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o er vor Lübeck Schiffbruch und kam schwer krank in Rostock an, wo g er am 28. August 1645 starb.
^ Aus der Fülle der Werke von Grotius sollen hier die beiden
2 betrachtet werden, die von Bedeutung für das Kriegsgeschehen ^ in Europa wurden.
^ Als Grotius gerade 21 Jahre alt war, erhielt er von der Nieder-
^ ländischen Ostindienkompagnie den Auftrag, ein Rechtsgutachten über den Handelsverkehr auf dem Meer zu schreiben. Er verfasste dazu 1604 / 05 das Werk «De jure praedae», das erst 1868 veröffentlicht wurde. Ein Kapitel darauf veröffentlichte Grotius 1609 anonym unter dem Titel «Mare liberum» mit dem Kerngedanken: Die Meere sind gemeinsames Eigentum aller Völker. Kein Papst kann Portugiesen oder Spaniern Hoheitsrechte auf ihnen übertragen. Ein Grundsatz, der bis heute das internationale Seerecht bestimmt. Das Buch wurde umgehend vom Vatikan indiziert.
Während seiner Gefangenschaft und danach im Pariser Exil arbeite Grotius an seiner Schrift «De iure belli ac pacis», die erstmals 1625 in Paris veröffentlicht wurde. Edgar Müller hat in einer Abhandlung «Hugo Grotius und der Dreißigjährige Krieg. Zur frühen Rezeption von De jure belli ac pacis» nachgewiesen, dass dieses Werk im schwedischen Kronrat diskutiert wurde, als die Frage eines Eingreifens in den Krieg dort entschieden werden musste11. Auch bei den Verhandlungen in Münster spielte es eine bedeutende Rolle. Das Buch knüpft an Überlegungen der Kirchenväter zum gerechten Krieg an und übernimmt einige dogmatische Grundsätze der Spätscholastik zur Begründung eines Naturrechts, vor allem Werke der Spanier Francisco de Vitoria und Francisco Suarez. Schon 1627 wurde auch dieses Buch von der römischen Kurie auf den Index gesetzt.
Grotius holt in seinem Buch weit aus, philosophiert über die Grundlegung des Rechts in der menschlichen Natur durch das Streben nach Geselligkeit und Nützlichkeit und äußert sich zu vielen
11 Müller E. Hugo Grotius...
Fragen, von denen ich nur einige nennen kann: die unbedingte M Gültigkeit von Verträgen, die Erfordernis einer formellen Kriegser- s klärung, das auch im Krieg gültige Gebot diplomatischer Konflikt- d lösung, aber auch ein Widerstandsrecht gegen unrechtmäßig her- § beigeführte Kriege, das Mandat der weltlichen Obrigkeit in religiöse ^ Streitigkeiten einzugreifen, das von ihm wohl aus leidvoller Erfah- § rung mit zänkischen Theologen, allerdings mit Einschränkungen ^ bejaht wird. Auch über Kompensationen und Entschädigungszah- e lungen gibt Grotius Ratschläge, die später bei den Verhandlungen § in Münster eine wichtige Rolle spielen werden. Zentrales Anliegen ist ihm die Feststellung: «Der Satz „inter armes silent leges" gilt nur § von den Zivilgesetzen, die ausdrücklich für den Frieden bestimmt und ihm eigentümlich sind, nicht für die ewigen, für alle Zeiten gül- R tigen Gesetze». T
In den Prolegomena zu «De jure belli ac pacis» steht nun s der Satz, dessen verkürzte Form für Bonhoeffer inspirierend wurde § und den ich so als Titel meines Vortrags gewählt habe, weil er wir- § kungs — und ideengeschichtlich das Programm der europäischen e Aufklärung vorwegnahm in ihrem Bemühen um «Befreiung aus K der selbstverschuldeten Unmündigkeit», ihrem Eintreten für Tole- i ranz und für Freiräume der wissenschaftlichen Erkenntnis und einer . rationalen Weltgestaltung mit allem Licht und allem Schatten! Gro-tius hat sich differenzierter geäußert:
«Et haec quidem iam diximus, locum aliquem haberent etiamsi daremus, quod sine scelere darit nequit, non esse Deum aut non cur-ari ab eo negotia humana»12.
Das Bemühen, in theologischer Verantwortung das Verhältnis von Politik und Religion so zu bestimmen, dass es dem Willen Gottes entspricht, dem Frieden dient und sich nicht in Fanatismus und irrationale Gewalt verirrt, prägt das Lebenswerk von Hugo Grotius. Darauf weisen die Arbeiten von Florian Mühlegger und Chr. A. Stumpf überzeugend hin.
12 «Was wir gesagt haben, würde ein gewisses Maß an Gültigkeit haben, auch wenn wir das zugeben sollten, was ohne die äußerste Bosheit nicht zugestanden werden, dass es keinen Gott gibt oder dass die Angelegenheiten der Menschen für ihn keine Rolle spielten» (Hugo Grotius. De jure belli ac pacis. Prolegomena 11).
rn Es wird überliefert, dass der lutherische Geistliche aus der pomo merschen Familie Quistorp, der Grotius an seinem Sterbebett tj in Rostock begleitete, in der Sprache seiner Zeit bezeugte: Er starb O als reuiger Sünder im Glauben an seinen Erlöser13.
g Zusammenfassung
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^ Grotius führt die in der Spätscholastik entfaltete Lehre über das
^ Naturrecht fort und schafft die denkerische Voraussetzung für deren § innerweltliche, säkulariserte Grundlegung und Erweiterung. ^ Er begründet das Naturrecht in den Eigenschaften der menschlichen ^ Natur: dem Streben nach Selbsterhaltung und nach Geselligkeit, ^ das durch die Fähigkeit zu Vernunft und Sprache realisiert wird. «Der Schöpfer der Natur wollte, dass wir als Einzelne schwach seien und zum rechten Leben vieles bedürfen, damit wir desto mehr zur Pflege der Geselligkeit angetrieben werden»14. Er war geleitet von der Überzeugung, dass die göttlichen Gesetze der Vernunft entsprechen, dem Leben und dem Frieden dienen und sich durchsetzen werden. In dieser Überzeugung verfasst er zeitgleich mit «De jure belli ac pacis» im Gefängnis und im Exil sein Buch «De veritate reli-gionis Christianae», in dem er beschreibt, wie ein auf das Zeugnis der Bibel gegründeter Glaube zu Mäßigung und Toleranz führen und dogmatische Engstirnigkeiten und Spitzfindigkeiten, aber auch jede Form gewaltsamer Missionierung überwinden kann.
Hier ist die bleibende und sehr aktuelle Bedeutung des Werkes von Hugo Grotius begründet. Als Dietrich Bonhoeffer sich in seinen letzten Lebensmonaten auf ihn berief, war das für ihn eng verbunden mit seiner Vermutung, dass wir einer religionslosen Zeit entge-gengehen15.
Diese Vermutung hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil ist die «Postmoderne» vielfach geprägt von einer Renaissance des Religiösen — leider jedoch oft im Gewand von Fundamentalismus und Radikalismus, was zu den eingangs beschriebenen Sorgen führen muss.
13 So bei H. C. Rogge in seinem Artikel über Grotius: Rogge H. C. Art. Grotius, Hugo // Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. Bd 7. Leipzig, 1899. S. 201.
14 Hugo Grotius. De jure... Prolegomena 16.
15 Vgl. dazu Bonhoeffers Aufzeichnungen aus der Haft in: Bonhoeffer D. Christus für uns heute. Eine Bonhoffer-Auswahl. Berlin, 1970. S. 335-337.
Wie groß Grotius' Bedeutung für ein friedliches Ende des 30jäh- M rigen Krieges von den Zeitgenossen eingeschätzt wurde, zeigt s ein interessantes, kompositorische Motive seines Lehrers aufneh- d
mendes, allegorisches Bild eines Schülers von Gerard ter Borch §
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über den spanisch-niederländischen Friedensschluss von Münster ^
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1648, auf dem der Leichnam von Hugo Grotius wie ein Geist zu Füs- § i der handelnden Personen ruht.
Möge dieser Geist auch unter den heutigen Bedingungen leben
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sen der handelnden Personen ruht. ^
dig bleiben. u
Источники И ЛИТЕРАТУРА Д
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