Научная статья на тему 'Die Voraussetzungen der russischen religiösen Philosophie. Zu einigen Sophia-bezogenen Quellen der Philosophie f. Schelling (unter besonderer Berücksichtigung des zu umdeutenden Georg forster-mythos)'

Die Voraussetzungen der russischen religiösen Philosophie. Zu einigen Sophia-bezogenen Quellen der Philosophie f. Schelling (unter besonderer Berücksichtigung des zu umdeutenden Georg forster-mythos) Текст научной статьи по специальности «Языкознание и литературоведение»

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Текст научной работы на тему «Die Voraussetzungen der russischen religiösen Philosophie. Zu einigen Sophia-bezogenen Quellen der Philosophie f. Schelling (unter besonderer Berücksichtigung des zu umdeutenden Georg forster-mythos)»

III. HERITAGE OF GERMAN PHILOSOPHIZING IN THE RUSSIAN THOUGHT: FROM NICHOLAS OF CUSA AND FRIEDRICH SCHELLING TILL VLADIMIR SOLOVYOV

A. Rychkov, N. Skorodum (Moscau, Saint-Petersburg)

DIE VORAUSSETZUNGEN DER RUSSISCHEN RELIGIÖSEN PHILOSOPHIE. ZU EINIGEN SOPHIA-BEZOGENEN QUELLEN DER PHILOSOPHIE F. SCHELLING (UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG

DES ZU UMDEUTENDEN GEORG FORSTER-MYTHOS)

Ist das Irdische nicht auch wahrhaft himmlisch?

Caroline Schlegel-Schelling1

Sie scheinen in der Tat den höheren Sinn jenes tiefgedachten Spruchs, „daß die Welt sich am besten durch ein ganz kleines Fünkchen Weisheit regieren lasse” (mundus regitur parva sapientia), zu Herzen genommen und in Ausübung gebracht zu haben.

Georg Forster. Werke: Bd. 9. S. 82.

Die Forscher der Gegenwart sind darüber einig,2 dass die Hauptquellen der Sophiologie von Vladimir Soloviev die persöhnliche visionäre Erfahrung, frühchristliche Gnosis (durch die Lektüre der Werke von

1 Begegnung mit Caroline. Briefe von Caroline Schlegel-Schelling. Leipzig, 1984. S. 216 (an Novalis 20. Febr. 1799). Man vergleiche damit die berühmte 2. Zeile aus Tabula smaragdina „Das was unten ist ist wie das, was oben ist, und das was unten ist das, was oben ist” (2. Quod est inferius, est sicut (id) quod est superius, et quod est superius, est sicut (id) quod est inferius).

2 Courten M. de. History, Sophia and the Russian Nation: A Reassessment of Vladimir Solov’ev’s Views on History and His Social Commitment. Bern, 2004; Козырев А. П. Соловьев и гностики. М., 2007; Divine Sophia: the wisdom writings of Vladimir Solovyov Transl., ed.: J. D. Kornblatt. Ithaca, 2009 („.. .What Is Sophia?” P. 1-97).

Häresiologen3 und Origenes geschöpft), wie auch die Ideen von Jacob Böhme und die Philosophie F. Schellings seien. Der russische ausgewanderte Philosoph Alexander Koschewnikoff (=Kojevnikoff — später A. Kojève)4 war der erste, der zeigte, dass die sophiologische Lehre Solovievs über die Abspaltung und Verselbständigung des Teiles des Wesens Gottes auf Philosophie Schellings zurückzuführen sei, als er 1926 an der Universität Heidelberg bei Karl Jaspers über das Thema „Die Geschichtsphilosophie Wladimir Solowjews”5 promoviert hat.

Dass Vladimir Soloviev und Schelling die Idee von Sophie von Gnostikern entlehnt hatten, wurde von Prof. P.P. Gaidenko in seiner speziellen Abhandlung nachgewiesen.6

In der jüngsten Zeit hat man sich viel damit beschäftigt, wie die gno-stischen und sophischen Ideen über Schelling und Soloviev weiter entwickelt worden sind,7 und die Schlussfolgerung ist dabei: „Schelling’s

3 Irenäus von Lyon, Tertullian, Epiphanius von Salamis.

4 Der russische Gedanke. I. Bonn, 1930. S. 305-324; Cf.: Kojevnikoff (Kojève) A. La métaphysique religieuse de Vladimir Soloviev// Revue d’histoire et de philosophie religieuse. 1934. N 14. P. 534-555; 1935. N 15. P. 110-152.

5 Die Auseinandersetzung mit der Behauptung A. Kojèves, dass der sophiabezogene Anteil der Philosophie Solovievs der Schellings Lehre identisch sei, sieh in unserem Artikel: Rychkov A. Alexandrian Myphologem in the Works of Russian Young Symbolists // Ways of Hermes International Symposium / Febr., 14, 2008. M.,

2010. P. 124-127. Weblink НИОРЛ LFL (Rudomino). URL: www.libfl.ru/about/dept/ religion_centre/Hermes_book.pdf/ (11.11.2011).

6 Гайденко П. П. Гностические мотивы в учениях Шеллинга и Вл. Соловьева // Знание. Понимание. Умение. 2005. № 2. С. 202-208; № 3. С. 220-229. Cf.: Carlson M. Gnostic Elements in the Cosmogony of Vladimir Soloviev // Russian Religious Thought. Madison, 1996. P. 49-67; Zdenek К D. The Influence of Jacob Boehme on Russian Religious Thought // Slavic Review. 1962. N 21. P. 60-63 (P. 61: «Soloviev agrees with Boehme that in the most basic sense Sophia is the external manifestation of God, ... His „essential Wisdom”»).

7 Valliere P. Solov’ev and Schelling’s Philosophy of Revelation // Vladimir Solov’ev: Reconciler and Polemicist: Selected Papers of the International Vladimir Solov’ev Conference Held at the University of Nijmegen, Sept. 1998. Leuven, 2000. P. 119-130 (P. 123: „Solov’ev’s earliest sophiological writings follow the same scheme, although Solov’ev mentions Schelling by name only twice in eighty pages and never cites a work by Schelling”); Frederick C. Copleston points out the Schellingian source of Solov’ev’s concept of a ‘second Absolute’ // God in Philosophy in Russia: From

influence on Solov’ev’s sophiology was crucial at the early stage of élaboration”.8

Die gnostischen Züge in der Philosophie Schellings pflegt man dem Einfluss von Böhme und Origenes zuzuschreiben. Es kommen in Betracht auch die „gnostischen Seher”. Das gilt auch für Vladimir Soloviev.9 Man hat in der jüngsten Zeit das gnostische Thema bei Schelling anerkannt. Mehrere Forscher haben durch ihre Arbeiten10 demonstriert, dass es sich um Ideen und Mythen handelt, welche auf den antiken Gnostizismus zurückgehen insbesondere auf die gnostische Sophia und ihre niedrige Emanation in die Materie: Achamoth „Weltseelen” (Die Enthymesis Imaginatio der Sophia (die Spekulation der Valentinianer).11

Herzen to Lenin and Berdyaev. Notre Dame (Indiana), 1986. P. 223-224; Garcia M. Schellings reflection on evil in the „Lectures on Godmanhood” // Solovevskij Sbornik. [Solovievs Sammlung: Materialien zum Internationalen Kongress „V. S. Soloviev und sein philosophisches Vermächtnis”]. Moskau, 2001.

8 Courten, M. Ibid. P. 266.

9 Tilliette X. Schelling und die Gnosis // Gnosis und Mystik in der Geschichte der Philosophie / Hrsg. v. P. Koslowski, Zürich/München, 1988. S. 260-275.

10 Koslowski P. Philosophien der Offenbarung. Antiker Gnostizismus, Franz von Baader, Schelling. Paderborn, 2001. S. 329-352, 772-786; Siniosoglou N. Schelling und die Gnosis // Vorträge zur Philosophie Schellings (Schelling Studien, Heft 4) / Hsgg. E. Hahn. Berlin, 2010. S. 81-112.

11 Auch Vladimir Solov‘ev in dem in der französischen Sprache verfassten 1889 in Paris erschienenen Aufsatz „Russland und die Weltkirche” zum Schluss dazu gekommen, dass es zu unterscheiden sei zwischer Sophia als göttlicher Ursprung aller Dinge und des allen Seienden und derjenigen als Weltseele, d. h. das Grundprinzip der materiellen Welt. Im Kapitel «Теокосмическая катастрофа: Отпадение от Бога его „Другого”» setzt sich Prof. P. P. Gaidenko damit auseinander: «В действительности космогония Шеллинга в сущности воспроизводит гностический миф о падении одного из божественных эонов — Софии-Ахамот, мировой души из божественной полноты ... поэтому и самый этот мир воспринимается немецким философом в духе гностицизма как юдоль скорби, зла и страдания. Этот же гностический миф лежит в основе теокосмогонии В. Соловьева» (Гайденко П. П. Соловьев и Шеллинг // Владимир Соловьев и философия Серебряного века. М., 2001. С. 81-82). Sieh auch den gnostischen Kommentar dazu // Дьяков А. В. Метафизика В. С. Соловьева и гностицизм. Софиология // Дьяков А. В. Гностицизм и русская философия. Опыт историко-философского анализа. М., 2003. С. 211-218.

Die bildliche Darstellung der Sophia als der „Weltseele” kommt in al-chemischen Traktaten und Abhandlungen von Rosenkreuzern sehr häufig vor. Fast klassisch geworden ist der berühmte Stich „Die Weltseele” im Robert Fludds Traktat „Utriusque Cosmi Historia” (1617).

Wir sind der Meinung, dass der französisch geschriebene Traktat Solovievs „Sophie” nach seinem Aufbau mit dem alchemischen Traktat „Schlüssel der wahren Weisheit” zu vergleichen sei (Leipzig, 1787), der nur Mitgliedern des Rosenkreuzerordens zugänglich war (Aufschrift auf der Titelseite warnt: „Nur allein vor die Kinder der Lilien und Rosen”).12

Die Abhandlung ist in der Gesprächsform zwischen Sophista und göttliche Botin Sapientia verfasst, wobei Sapientia den Philosophen nicht nur belehrt, sondern auch tröstet. Dazu sind mehrere andere alchemi-sche Traktaten und Abhandlungen heute bekannt geworden, die um Ende 18. — Anfang 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurden und damit ihre Bedeutung für die Geschichte der europäischen Kultur gezeigt ist.

Auch andere rosenkreuzerischen Bücher sind bekannt in denen die Gesprächsform zwischen Philosoph und Sophia angewendet war, um die alchemischen Kenntnisse und die Weisheit, die sich auf „prisca sapientia” bezieht, mitzuteilen.

Eine folgerichtige Beschreibung dessen, wie die rosenkreuzerischen Gedanken, welche die gnostische Sophia behandeln, auf Schelling gewirkt haben, ist bis jetzt noch nicht zum Gegenstand einer eingehenden Forschung geworden.

12 Nach: Missiv an die hocherleuchtete Brüderschaft des Ordens des Goldenen und Rosenkreuzes (Leipzig, 1783), welches ein Verzeichnis von 200 Rosenkreuzerschriften vom Jahre 1614-1783 enthält und unsre Msct. an (S. 96-98, 100). Die Beschreibung des ersten Teils bringt die Handschrift in Verbindung mit der Geschichte der Rosenkreuzer. «Nur allein vor die Kinder der Lilien und Rosen, vor den gottlosen aber zu verbergen. Fr. R. Roseae de Cruce 1486» (S. 97, n. 144). 1787 erschien das Buch: Schlüssel der wahren Weisheit, unter einem Gespräch eines wohlerfahrenen Sophisten mit der Weisheit in dreyen Theilen mit einem Supplement ... (Er commentiret über Jakob Tolls Manuduktion, die 1688 erschien. Leipzig, 1783). Beschreibung sieh in.: McIntosh Chr. The Rose Cross and the Age of Reason: Eighteenth-Century Rosicrucianism in Central Europe and Its Relationship to the Enlightenment. Albany, 2011. P. 83. Aufbewahrungsort: Hamburg, State and University Library. MS. 751.

Unser Anliegen ist, einen neuen Ansatz zu behandeln. Man nehme an, dass es die Caroline war, durch welche Schelling auf diesen rosenkreuzerischen sophiabezüglichen Gedankenkreis kam.13 Es handelt sich um seine Ehefrau, die früher vertraute Freundin14 und Mitfechterin des berühmten Forschers und Rosenkreuzers Georg Försters15 war.

Es ist heutzutage in Frage gestellt, ob Forster wirklich ein Materialistischer Denker, Atheist und Revolutionär gewesen ist. Es ist nachgewiesen worden, in mehreren Forschungsarbeiten16, dass Forster bis an sein Lebensende seinen alchemischen und rosenkreuzerischen Ideale treu geblieben war und seine Weltanschauung alchemisch nannte.

13 „It is probably fair to say, however, that the Rosicrucian revival was one of the forces that helped to prepare the ground for the Romantic movement. <...> Arguably elements of the same world-view can also be found in the mystical ideas of the Romantic philosopher Schelling” (McIntosh Chr. The Rose Cross. 2011. P. 181). Fag-gionato R. A Rosicrucian Utopia in Eighteenth-Century Russia The Masonic Circle of N. I. Novikov. Dordrecht, 2005. P. 158: «In its Rosicrucian formulation, Christianity fully regained its Gnostic constituent. Rosicrucians immersed themselves in their search for a wisdom» (= «The latter were expressed in a concept of creation as the emanation of Sophia» Ibid. P. 82). «The same books that were translated and studied by the Novikov Circle can be found in the libraries of Forster.» Ibid. P. 77.

14 Allem Anschein nach waren beide so eng befreundet, dass es den Gerüchten Nahrung gab sie als Forsters Ehefrau „de facto” zu betrachten, nachdem die wirkliche ihn in dem belagerten Mainz verliess. Otto Weininger setzte Forster sogar auf die Liste der Carolines Enemänner: „Zu diesem, dem Aspasien-Typus, sind die Frauen der Romantik zu rechnen, vor allem die hervorragendste unter ihnen, Karoline Michaelis — Böhmer — Forster- Schlegel —Schelling” (Weininger O. Geschlecht und Charakter. — Wien, 1905. P. 297). Man schrieb Forster ihr natürliches Kind zu: „sein unbegründeter [? — die Autoren: A.R, N.S] Verdacht ging auf Forster”. Fischer Kuno. Geschichte der neuern Philosophie. 7. Bd. Schellings Leben, Werke und Lehre. Heidelberg, 1902. S. 64.

15 Steiner G. op. cit. Sahmland, Irmtraut. Bruder Amadeus — Johann Georg Forster als Gold- und Rosenkreuzer // Georg-Forster-Studien III (1999). P. 67-118. Forster und Caroline geb. Michaelis: Uhlig L. Georg Forster: Lebensabenteuer eines gelehrten Weltbürgers (1754-1794). Göttingen, 2004. S. 110, 158, 164, 271, 273 f., 301, 304, 310, 319, 322, 324, 330 f., 344.

16 Sieh Fussnote 15.

Auch die Rolle Caroline Michaelis-Schellings in der deutschen Romantik ist jüngst von mehrerern Forschern hochgeschätzt.17

Diesem neueren Stand der Forschung zufolge — es handelt sich um den im 21. Jahrhundert eingesetzten Rezeptionswandel bezüglich des Gnostizismus18, der Ansichten des späteren Georg Forsters und der Rolle betrifft, welche Caroline in der deuschen Romantik spielte, — haben wir gewagt eine ganz neue Fassung vorzuschlagen betreffs Sophischen Quellen, welche ferner durch die russische religiöse Philosophie von den Angehörigen des „silbernen Zeitalter” weiter entwickelt wurden.19

Wir haben einen Konspekt des bekannten Vortrages von Vyacheslav Ivanov über Novalis „Blaue Blume” erhalten. Der Verfasser betrachtet dieses Symbol nach der im russischen Symbolismus traditionell gewordenen Weise, welche auf Wladimir Solovjev zurückgeht. «„Die Blaue Blume” ist bei Novalis schon ein mystisches Symbol, in dem das ganze religiöse System steckt. Die blaue Farbe ist ja bekanntlich die Farbe

17 Über Beeinflussung Schellings: Pawlowski H.-M., Smid S., Specht R. Die Praktische Philosophie Schellings und die gegenwärtige Rechtsphilosophie. Stuttgart, 1989; Dilk E.Yv. Un „practischer Aesthetiker” alla scuola schellinghiana. Lettere inedite di Carl Friedrich von Rumohr a Caroline e Friedrich Wilhelm Schelling // Studia theodisca II, 1995. S. 147-176; Rossbeck B. Zum Trotz glücklich: Caroline Schlegel-Schelling und die romantische Lebenskunst. München, 2008; Klessmann E. „Ich war kühn, aber nicht frevelhaft” das Leben der Caroline Schlegel-Schelling. Berlin, 2009; Damm S., G. Jaskulla G. von Sallwitz. Caroline Schlegel-Schelling ein Lebensbild. Hamburg, 2009; Dischner G. Madame Luzifer bürgerliche Vereinzelung und romantische Geselligkeit oder Caroline Schelling, gesch. Schlegel. Nordhausen,

2011. Bibliographien: Reulecke M. Caroline Schlegel-Schelling: Virtuosin der Freiheit: eine kommentierte Bibliographie. Würzburg, 2010.

18 Williams M. A. Rethinking «Gnosticism»: An Argument for Dismantling a Dubious Category. Princeton, 1999.

19 D. M. Borgmeyer in seiner Dissertation (Ph. D.) «Sophia, the Wisdom of God: Conceptions of the Divine Feminine in Russian Culture, 1880-1917» (University of Southern California, 2004) erforscht, auf welche Weise die so bekannten Frauen des russischen „Silbernen Zeitalter” wie Anna Minclova, Anna Schmidt, Sophia Khi-trovo, Liubov’ Mendeleeva-Blok sich die Ideen von Sophia angeeignet haben, mit der Schlussfolgerung: „The voices of these sophian women <...> indeed all sophian women — are important to hear, especially if we seek to understand the central role of Sophia in Silver Age culture”.

par excellence der Mystiker20 (Wladimir Solovjev. Drei Begegnungen). Himmlische Farbe auf der Weltseele-Königin <...> Er betrachtet seine tote Braut als eine Offenbarung des Weltseele-Urbildes und indem er sie liebt, liebt er auch Sophia, d.h. Sapientia Dei <...> Was ihn mit neueren Forschern verbindet, ist es, dass auch er in der Seele glaubt, das dritte Reich finden zu können <...> Er schreibt es dem Jakob Böhme zu, welcher die Lehre von mystischen Sophien geschaffen hat».21

Nachdem 1907 Vyacheslav Ivanov’s Frau — Lidia Zinov‘eva-Annibal gestorben war, lag ihm die Geschichte von der mystischen Liebe Novalis zur jungen Sophie von Kühn besonders am Herzen. In der Dichtung deutscher Frühromantiker wird diese Lehre als Himmlische Ehe Christi und Sophia beschrieben. Was Beatrice für Dante gewesen, dasselbe ist auch Sophia für Novalis und Vyach. Ivanov geworden. Die Sophia wurde als Schutzgeist betrachtet, der einen „inneren Menschen” auf dem mystischen Weg seiner Verwandlung und Auferweckung (laut Apostel Paul) begleitet. Dieser „innere Mensch” soll den Lebensweg Christi noch einmal gehen.

Die Auferweckung Christi und seine Erlösung aus dem mit den irdischen Elementen behafteten Menschen ist bekanntlich der Hauptsatz der Lehre von Christian Rosenkreuz (In Rußland ist sie oftmals von A. Belyj gebraucht worden. Er verwendete dabei eine Paraphrase aus dem Brief des Paulus an die Galater „Ich lebe aber; doch nun nicht ich,

20 Historisch gesehen, trägt schon Ischtar (uralte Sophie) ein blaues Pektora-le, welches in der Vereidigungszeremonie gebraucht wurde zur Schwurbestätigung (so z. B. bei Betrachtung der schrecklichen Folgen der Sintflut in der Sage von Gil-gamesch). Sie spricht dabei „I-la-a-ni an-nu-ti lu-u uk-ni-i ki-sa-a-di-ia ai am-si” (Welche Götter! Bei meinen Lapis-lasuli-Juwelen! Das werde ich nicht vergessen!) (assyrisch) Rosenberg, A. Assyrische Sprachlehre und Keilschriften für das Selbststudium. Wien-Pest-Leipzig: o. Z. S. 69). Über das Sophienbild im uralten Heidentum sieh: Иванов Вяч. Вс. Новые данные о предыстории Мудрости в древневосточных текстах // Россия и гнозис. Матер. конф. М., 1998. С. 5-11. Wie der gnostische Mythos nach Russland kam, sieh: Иванов Вяч. Вс. Гностическое понимание мудрости и его продолжение в русском учении о Софии // Россия и гнозис. Матер. конф. М., 1996. С. 6-12. Über Sophia bei Gnostiker sieh: Good D. J. Reconstructing the Tradition of Sophia in Gnostic Literature. Atlanta, 1987.

21 Иванов Вяч. И. Собр. соч. Т. 4. Брюссель, 1987. С. 739-741.

sondern Christus lebt in mir”). Indem Vyacheslav Ivanov Novalis übersetzte, nahm er gleichzeitig Unterricht im Rosenkreuzertum bei Anna Rufol’fovna Minclova, die er während dieser Zeitspanne als seine geistige Mentorin gelten liess22. Dem überlieferten Briefwechsel 1908-1910 zufolge, ist A. R. Minclova für Vyacheslav Ivanov zur Vermittlerin geworden zwischen ihm und seinem Schutzgeist L. Zinov‘eva-Annibal (Der Verfasser beabsichtigt diesen Briefwechsel herauszugegeben, jetzt ist er in Vorbereitung).

Demzufolge hat das russische Paar Ivanov — Zinov‘eva-Annibal einige Vorläufer. Als europäische Vorläufer <..> sind die Paaren Dante — Beatrice und Novalis — S. v. Kühn zu nennen. So können die Forscher ihres Schaffens einige neue Parellelen aufstellen. Eine Übersicht darüber wird jungst von Prof. Lena Silard verschafft in der Abhandlung „Novalis und russisches Denken am Anfang des 20. Jh”. Sie schreibt: „Obwohl in den Werken von Novalis selbst die unmittelbaren Zeichen des Rosen-kreuzertums fehlen, werden sie durch Ivanov in seine Novalis-Übersetzungen eingeführt worden. Novalis wird für Ivanov zum Sinnbild des Weges von Rose und Kreuz worden.23

22 Sieh. Богомолов Н. A. Anna-Rudolph // Богомолов Н. А. Русская литература начала XX века и оккультизм. М., 1999. С. 23-112. „Doktor <Rudolf> Steiner meint, <.. .> dass die geistige Führung Russlands Anna Rudolfowna <Minclova> übernehmen muss”. (Ibid. S. 232). „Aber auch das Mittel gegen die Feinde, das Ivanov und Minclova Belyj vorstellen: die spirituelle Bewusstseinsschulung der Rosenkreuzer, findet bei Belyj Anklang” (Stahl-Schwaetzer H. Renaissance des Rosenkreuzer-tums: Initiation in Andrej Belyjs Romanen „Serebrjanyj golub’” und „Peterburg”. Frankfurt/M., 2002. S. 196). Das Buch beschreibt wie Solov‘evs Sophienbegriff von russischen Symbolisten wahrgenommen wurde, wenn sie sich mit der Rosenkreuzerlehre und der Rosenkreuzerinitiation auseinandersetzten. „Eine besondere Rolle spielte für Belyj (wie auch für Blok) der auf Vladimir Solov‘ev zurückgehende Sophienmythos. Sophia personifiziert für Solov‘ev das Ideal der All-Einheit” (Ibid., S. 98). Über Sophia und die Rosenkreuzerlehre bei Jungsymbolisten sieh den einschlägigen Artikel des Verfassers (A. Rychkov): Рычков А. Л. Доклад А. Блока о русском символизме 1910 года как развитие „мысли о Софии” Вл. Соловьева // Шахматовский вестник. [Schachmat. Vestnik: Materialien zum Internationalen Kongress „Biographie als Quelle und Boden des Schaffens A. Bloks”] М., 2011. Вып. 12. С. 207-224.

23 Силард Л. Герметизм и герменевтика. СПб., 2002. C. 146.

Vyacheslav Ivanov fand bei Novalis die Idee von mystischer Hochzeit des Logos mit der Weltseele: in dem Sinnbilde der Vereinigung der Rose und des Kreuzes.24 Mehrere Forscher bemühen sich, einen Zusammenhang zwischen diesem Bild bei Novalis und dem Mythen von Sophia der Gnostiker zu finden.

Der Zusammenhang der Sophia-Weltseele und des Themas des deutschen Rosenkreuzentums um 1700 wird anschaulich geworden durch gestochene Darstellungen der Weisheit-Sophia (Sapientia), welche das ganze Weltall umfasst, im berühmten Buch Geheime Figuren der Rosenkreuzer, erschienen in Deutschland zu Jahren 1785-1788.25 Man sehe in der Beilage eines aus dem zweiten Band dieses Buchs. (Abb. 1).

Für die Weltanschauung der Rosenkreuzer ist die alchemische Symbolik üblich, mit dem klassischen Werk „Die Chymische Hochzeit” angefangen. Die alchemische Symbolik ist es, die Novalis auf Sophie bezieht. Alchemischer Bestandteil des Sophischen Mythologems wurde in dem Artikel von Marina Aptekman jungst erläutert26: Der alchemische Androgyn versinnbildlicht für Novalis nicht nur eine Verbindung mit der Geliebten, sondern auch mit Sophia, d.h. Götttlicher Weisheit, eine Verbindung also, von der es unmittelbar abhängt, ob die Menschheit in das goldene Zeitalter zurüchkehre, welches dem Sündenfall vorausging.27

Im Artikel von Prof. Timothy F. Sellner „Sophia sey mein Schutz Geist”.28 wurde behauptet, dass laut Novalis die Seele nach dem Tode nur dann zurückkehren kann, wenn sie einen Vermittler hat, der zwei Bilder in sich vereinigt, die Braut-Bild Sophiens, als Geliebte und Braut Dichters und das des Christi als Bräutigam und der Kirche als Braut. (Offenb.

24 Sieh. Übersicht in: Аптекман М. Андрогинная аллегория в текстах Н. Гумилева и М. Кузмина // Die Welt der Slaven: Halbjahresschrift für Slavistik. 2005. Bd. 50. Iss. 1. S. 306-309.

25 Geheime Figuren der Rosenkreuzer, aus dem 16ten und 17ten Jahrhundert: aus einem alten Mscpt. Zum erstenmal ans Licht gestellt. Zweites Heft. Altona, 1788.

26 Аптекман M. Андрогинная аллегория. S. 303-321.

27 Ibid. S. 307.

28 Sellner T. F. „Sophia sey mein Schuz Geist”: A New Source for Novalis’ „Hymnen an die Nacht?” // The Journal of English and Germanic Philology. 1987. Vol. 86. N 1. P. 33-57.

21:02, 9).29 So verherrlicht Novalis in seiner Dichtung „die Mannigfaltigkeit des Sophiens Wesens als Geliebter, Mentorin und Vermittlerin zwischen Dichter und der unsichtbaren Welt. Der Verfasser erwähnt ferner den Briefwechsel und Begegnungen Novalis mit Caroline Schelling, geb. Michaelis, verw. Böhmer, gesch. Schlegel. Diese Beziehungen fanden zur gleichen Zeit statt, als Novalis seine Hymnen an Sophia verfaßte.

In diesem Zusammenhang sind die Beziehungen Forsters und der Caroline zu diskutieren.

Als ein charakteristischer Zug Forsters, welcher ihn besser zu verstehen läßt, ist seine Beschäftiging mit Kalidasa — damals in Deutschland fast unvekanntem klassischem Dichter Indiens. Desto mehr war die Begeisterung, die Forsters Übersetzung30 hervorrief.31 Diese Begeisterung war später für Goethe selbst (noch lange) nicht sehr verständlich.32 Ernste Sanskrit-Studien wurden damit eingeleitet.33 Getrieben wurden sie im besonderen Masse durch — wohlbemerkt! — Carolines Freudenkreis.34

29 For Novalis, a return to the ancient fatherland (cf. 1, 160-161) through death can only be achieved by means of a mediator, and here in the final strophe of the last hymn a synthesis is achieved between the mediator ... of the unifying image of the „Braut” — between Sophie, the beloved and fiancee of the poet, and Christ, the beloved one of the believer, the bride(groom) of the Church (Rev. 21:2 and 9).] )” (Ibid. P. 56).

30 „Der einheimischen Tradition gilt dieses Werk (Kalidasa’s Sakontala) als das bedeutendste indische Drama überhaupt”. Milius Kl. Geschichte der Literatur im alten Indien. Leipzig, 1983. S.251.

31 „mit Entzücken las Goethe das liebliche Gedicht und feierte es in den bekannten schönen Zeilen. Ganz hingenommen von demselben war Herder. <...> so etwas erscheine nur alle zweitausend Jahre einmal” (Haym R. Herder. Berlin, 1958. Bd. 2. S. 496.).

32 Brief an A. L. de Chezy (der die Sakuntala ins Französische übertr.) 9.10.1830. Goethes Briefe in drei Bänden. Berlin u. Weimar, 1984. Bd. 3. S. 404; Mehlig J. (Kälidäsa ibid. S. 315). Nehmen wir aber an, dass Helena die Hauptgestalt der Faustlegende sei, so ist das Rätsel fast gelöst, denn im „Vikramorvashiya” Kälidäsa im Grunde dasselbes Thema behandelt.

33 Steiner G. Kalidasas Sakontala oder die deutsche Entdeckung Indiens // Der Weltumsegler und seine Freunde — Georg Forster als gesellschaftlicher Schriftsteller der Goethezeit. Tübinger, 1988. S. 67.

34 Steiner ibid. S. 67.

Was aber die indische Kultur als ganzes betrifft, so ist zu bemerken, dass sie selbst auf „aufgeklärterste” Gemüter jener Zeit meist abstossend wirkte. Der Fall trifft Goethe35. Die Vereinigung und Versöhnung der Gegensätze, auf welchen die ganze indische Kultur beruht, kommt vor allem in ihrer Einstellung zum Geschlecht zur Geltung. Diese Einstellung, die ganze Kultur durchdrungen, ist volkstümlich geworden. Die Folge war, dass die hohen Ideen durch platte Visionen entstellt waren, auf niedriges Niveau herabgesetzt, um dem gemeinen Verstand näher zu kommen. Als die hervorstechende Eigenschaft ist es von von Ausländern sofort bemerkt und durch bizarre Mischung des Tierischen mit Ideellem beinahe ekelerregend empfunden.36. Fratzenhafte und Verzerrte treten in den Vordergrund, ohne dabei die in ihnen durchschimmernde Verbindung mit Höchsten zu verlieren. Auf den Europäer wirkt das befremdend, weil er Zusammenhang nicht ahnt, aber der Inder behält ihn immer im Auge und darum verwirrt daran nicht. Nah war es Forster wegen ihrer Ähnlichkeit mit alchemischen Grundsätzen.37

Was das indische überhaupt für Forster bedeute, erhellt sich daraus, dass auf seinem Sterbebett eine Mappe Indiens lag.38

Bei näheren Betrachting des Kalidasas Werkes stosst man auf merkwürdigen Parallelen zur Forsters Persöhnlichkeit.

35 Goethe schrieb in „Zahmen Xenien” 2: „Auch diese will ich nicht verschonen, <.. .> Mit Schnauz und Rüssel ein albern Spiel <.. .> Die Elefanten- und Fratzentempel”.

36 Welche doch Carolines Weltansicht entsprach: „Ist das Irdische nicht auch wahrhaft himmlisch?” (An Novalis 20. Febr. 1799) (Begegnung Ibid. S. 216).

37 Der Gedanke von der unbeschränkten (sic!) Vereiniging des Niedrigen mit dem Höheren ist recht indisch oder hinduistusch zu nennen. Nach hinduistischer Vorstellung ist das Absolute eine ungeteilte Ureinheit, symbolisiert durch Ei oder Punkt. In Gott und Göttin wird diese Ureinheit in polare Gegensätze aufgeteilt. Die Vorstellung der äonenlangen Begattung von Shiva und Parvati entwickelte sich zu der eines zweigeschlechtigen Schöpfergottes. Dies wurde angeregt durch den ca. im

4. Jh. n. Chr. in Indien einsetzenden Shaktismus, der der männlichen Zeugungskraft die weibliche Potenz (Shakti) und Hingabe (Bhakti) gleichwertig zur Seite stellt und betont, dass das männliche Element allein machtlos sei: Erst Parvati mache den „Leichnam” (Shava) zum Gott Shiva.

38 Steiner ibid. S. 69.

Es ist vor allem die unvergleichliche Toleranz in bezug auf Geschlechtbeziehungen.39 Bei Kalidasa ist es daraus zu erklären, dass in dem alten Indien die Begierde nicht als Schwäche, sondern als Numinoses (Walten der Gott-Natur40) galt und mit einer Fürsorge und Ehrfurcht begegnet wurde.

Forsters Nachsicht stieg ins Ungeheure und war möglicherweise krankhafter Natur, ein Symptom für sein herannähendes Hinscheiden. Sein Entzücken41 während seiner letzter Treffen mit beiden Protagonisten seines Lebensdramas ist mit plötzlicher Erholung der Patienten von Paracelsus und deren unmittelbar darauf folgendem Tod zu vergleichen.

Die obengenannte Drama Kalidasas gipfelt in der Episode, in dem das schöne Weib den Auftrag bekam den Baum (Aschoka) durch Berührung zum Blühen zu bringen. Das rührt daher, dass Schivaismus dem Weib die produktive Kraft zuschrieb.42

39 Forster war nicht eifersüchtiger Natur; dass auch seine Frau freundschaftliche Beziehungen zu Fried. Ludw. Wilh. Meyer aus Harburg unterhalte, den in Göttingen nach Therese’ns Verlobung leidenschaftliche Zuneigung zu derselben erfasst hatte, begünstigte er selbst (Kopp H. Die Alchemie in älterer und neuerer Zeit. Heidelberg, 1886. Bd. 2. S. 260). Vgl. Kalidasa: „Wenn Frauen ihren Mann zärtlich ergeben sind, Dienen sie ihm selbst mit der Nebenbuhlerin” (Kalidasa. Mälavikägnimitra. Kalidasa. Werke. Leipzig, 1983. S. 226).

40 Goethes Wort: „Als dass sich Gott-Natur ihm offenbare” (Bei Betrachtung von Schillers Schädel).

41 „Ich danke dem Himmel, dass ich es ausgeführt habe, zu Euch zu kommen; die 3 Tage haben mich auf lange Zeit gestärkt und vielleicht auf immer mir das rechte Gleichgewicht wieder gegeben” (Kopp Ibid. Bd. 2. S. 265).

42 Aus hinduistischer Weltanschauung geht hervor, dass die Welt aus zwei Elementen besteht: Feuer und Brennstoff. Das Feuer ist des Brennstoffes bedürfig. Dabei Feuer gilt als männlich und Brennstoff — weiblich. Ohne das weibliche Element bleibt das männliche nur latent und kann nicht durchsetzen (Sieh Anm. 37). Drastisch gesagt, ist das männliche mit einem Leiche oder vielmehr einem Knochengerüst zu vergleichen, denn es handelt sich nicht um etwas bloss verwesende, sondern um tief verborgene, wie Knochenmark: in Amerika ernährte sich der Urwolf dadurch, dass er Knochen des überall zerstreuten toten Getier zernagte. Glimmendes Feuer, schlummerndes Leben. Die Toten leben unmerklich fort, denn <...> „nach der Auffassung unserer deutschen Vorfahren das Grab nicht stumm war”. Freudenberg, Franz. Dr. med. Dresden. Totenbeschwörung und Edda //

Damit ist es die Aufmerksamkeit auf kluge und freiheitsliebende Frau gelenkt. Caroline war die Tochter eines berühmten protestantischen Historikers Johann David Michaelis und gehörte in die Reihe sog. Universitätsmamsellen — eine Erscheinung, welche viel ähnliches mit der Situation in Rußland um die Jahrhundertwende hat: die meisten führenden Vertreter des sogenannten „silbernen Zeitalters” entstammten den Universitätskreisen. Von Belang ist es auch, dass sie Mitfechterin und Gefährtin des Georg Forsters war. Und sie war es, die während des Aufstands und der Belagerung von Mainz ihm Hilfe leistete und beizustehen wußte.

Man bewundert die Fähigkeit Carolinas, einen richtigen Zeitpunkt zu wählen, der der produktivste war für die zu ihrer näheren Umgebung gehörenden Männer.43 Keine Ahnung davon, dass sie selbst ist es, die

Psychische Studien. 35 Jahrg. Leipzig, 1908. S. 289. Förster selbst sagt darüber: „Mir ist zu Muthe wie dem Erdensohn Antäus, der neue Kräfte bekam, wenn er seine Mutter Erde anrührte. (Kopp ibid. 2 Bd., S. 265). Darum macht z. B. ein so tragisch veranlagter Künstler wie Edward Munch ein etwa echt „nordisch” zu nennendes Bild „Das Mädchen und der Tod” als die sich umarmenden Liebhaber (Timm W. Edward Munch. Graphik. Berlin, 1969. Abb. 2.) Das Verkehr mit begabten Männer verzehrte aber Caroline. Sie starb. — Es ist hier nur andeutungsweise auch das Walkürenthema zu berühren. Sie erscheinen sich den zum Tode geweihten Helden, wie schon Athene Achilleus (Скородум Н. Мудрец с походкой журавля // Лафатер И. К. Сто правил физиогномики. M., 2008. С. 127). Nicht umsonst hatte sie einen kriegerischen Charakter und wurde bewaffnet dargestellt. So ist auch Kleist’s Penthesilea zu verstehen. Der Held trägt aber einen unlösbarer Konflikt in seinem Innern und dadurch sticht er von anderen ab. Der Carolines am nächsten geistig stehendes, ebenso abenteuerlustig und sprachbegabter Forster stirbt. Sie bietet später dem ewigen Gesetz Trotz, (wie Brünhilde Odin in Wagners Oper), und indem sie selbst stirbt, schenkt sie Schelling eine scheinbare, wenngleich lange Existenz, ein schlummerndes Leben (wie möglicherweise in noch drastischer Weise Susette Gontard Hölderlin).

43 „Sie hatte das seltene Glück, den Persönlichkeiten, mit denen sie in Freundschaft verkehrte oder in Liebe verbunden war, immer zu einem Zeitpunkt zu begegnen, da diese ihre schöpferischste Lebensphase hatten”.

Sie erlebte Georg Forster in den zwei Jahren, da er seine ganze praktische und theoretische Lebenskenntnis in die Waagschale warf und in einem unvergleichlich kühnen historischen Experiment die Französische Revolution auf deutschen Boden

solche „schöpferischsten Lebensphasen”44 erwecken45 konnte. Es kommt davon, dass man das Gefühlmässige in der Gedankenarbeit unterschätzt. Man lese doch Äusserungen Schopenhauers und z.B. diejenige E. T. A. Hoffmanns.46

Ihre Wirkung war synthetisch. Sie war nicht nur Trägerin des okkulten Wissens von Rosenkreuzer Forsters; sondern seine Gedankenmacherin und Anregerin. Friedrich Schlegel bezeichnete ihr Wesen als „Rapsodie”.47

Nicht nur ihre weibliche Reize, ihr echt weiblicher Ehrgeiz sind unverkennbar. Sie verglich Schelling mit dem König.48 Das ist keine leere Floskel: als Tochter des höchst angesehenen und wohlhabenden göttinger Professor war sie von Anfang an stolz genug, um die höchste

hinübertrug. <...> Sie liebte Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, als er <...> seinen philosophischen Siegeszug an der Jenaer Universität begann und durchlebte an seiner Seite und dann als seine Ehefrau seine produktivsten und schaffensreichsten Jahre. (Begegnung ibid: S.67-68). Es blieb ihr erspart, August Wilhelms Bedeutungslosigkeit, Friedrichs Übergang zu spekulativen Mystik mit anzusehen. Und vor allem blieb es ihr erspart, zu erleben, wie Schelling ein anderer wurde, viele Jahre schwieg.” (Begegnung Ibid. S. 68).

44 Begegnung Ibid. S. 67

45 vgl. dazu: Fierz L. Frauen als Weckerin seelischen Lebens. // Die kulturelle Bedeutung der komplexen Psychologie. Berlin, 1935. S. 462-492.

46 Man schreibt die geniale Einfälle der „Energie des Herzens und folglich des Blutumlaufs” zu: „Ein schon gewölbter, hoher und breiter Schädel von dünnen Knochenmasse, muss das Gehirn schützen, ohne es irgend einzuengen. Diese ganze Beschaffenheit des Gehirn und Nervensystem ist das Erbteil von der Mutter <...> Dieselbe ist aber, um das Phänomen des Genie hervorzubringen, durchaus unzureichend, wenn nicht, als Erbteil von Vater, ein lebhaftes, leidenschaftliches Temperament hinzukommt, sich somatisch darstellend als ungewöhnliche Energie des Herzens und folglich des Blutumlaufs, zumal nach dem Kopfe hin”. Schopenhauer A. Die Welt als Wille und Vorstellung. Ergänzungen zum dritten Buch. Kapitel 31 // Arthur Schopenhauers sämtliche Werke in zwölf Bden. Stuttgart, 1894-1896. Bd. 5. S. 236.

«Des Blutes Glutstromm stieg fühlbar auf in die geheimnisvolle Werkstatt der Gedanken». Hoffmann E. T. A. Elexire des Teufels. Berlin und Weimar, 1976. S. 83.

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47 Begegnung Ibid. S. 203-205.

48 Fischer Kuno, ibid. S. 132.

Errungenschaft nicht bloss im Staate, sondern im Reich des Geistes angesehen zu haben49. Auch Schelling, auf Faust-Legende zurüchgreifend, war die Liebe des ihn verstehenden Weibes weit wichtiger „als jede Huldigung der Welt”.50

Ob Schelling tatsächlich unfähig wurde, etwas bedeutendes nach dem Carolines Tod hervorzubringen, hat Friedrich Engels dadurch bewiesen, dass langes Stillschweigen Schellings keineswegs ein mühseliges Ringen um perfektes Werk war. Denn er „in dieser Beziehung wenig Selbstbeher-schung gezeigt und alles neue, das er fand, gleich ohne viel Kritik in die Welt geschickt”.51

„Während Hegels gedankenschaffende Kraft immer energischer, lebendiger, tätiger sich zeigte, versankte Schelling <...> in eine träge Ermattung, die sich auch in seiner bald einschlummernden literarischen Tätigkeit äusserte. Er mag jetzt immerhin selbstzufrieden von seinen langen, verschwiegnen philosophischen Arbeit, von den geheimen Schätzen seines Pultes, von seinem dreissigjährigen Krieg mit dem Gedanken sprechen, es glaubt ihm das kein Mensch”.52

Der Tod Carolines wurde für Schelling zum schwerwiegenden Ereignis, das möglicherweise, wenn es obengesagtes richtig ist, seine geistige Kräfte völlig gelähmt hat. Andererseits ist klar, dass damit ihm ein gewaltiges Erlebnis zuteil wurde, welches eine ganz neue Dimension erschloß. Auf eimal erwachte das Künslerische in ihm, das ihm Novalis völlig abgesprochen hat.53 Als ein echter Künstler schildert er Carolines Tod.54 (im Brief an Luise Gotter 24.09.1809) Das Erlebnis des Todes Carolines wurde für ihn sogar zum mystischen Ereignis. Nach dem Tod Carolines schrieb er: „allen schien sie wie verklärt zu sein und schwebt ihnen

49 „Nicht so wahrhaft existiert, als ein Kunstwerk”. Fischer Kuno, ibid. S. 57.

50 Fischer Kuno, ibid. S. 56.

51 Engels Fr. Schelling und die Offenbarung. Kritik des neuesten Reaktionsversuchs gegen die freie Philosophie // Marx K., Engels Fr. Werke. Berlin, 1977. Ergänzungsband, 2. Teil. S. 179.

52 Engels Fr. Ibid. S. 179.

53 „Schelling fasst gut — er hält schon um vieles schlechter und nachzubilden versteht er am wenigsten” (Brief an Caroline, 1798. Begegnung Ibid. S. 207).

54 Begegnung Ibid. S. 347.

jetzt nach ihrem Tode wie ein göttliches Wesen vor”. Die Schilderung Carolinas ist nicht nur hinreißend und überwältigend, sondern bringt, wie schon gesagt, seine Creativität als Künstler zur Geltung.

Als mystische Aufklärerin hat sie die Tätigkeit55 Forsters nach seinem Hinscheiden fortgesetzt und lieferte die alchemischen Bücher seinen Freunden, unter anderen Novalis selbst.56 So ließ der Einfluß Forsters bis auf Schelling zu verfolgen.

Bis jetzt hat man sich aber nur mit Forster’s revolutionärer Tätigkeit auseinandersetzt. Unserer Meining nach, der Grund dafür ist darin zu sehen, dass man Georg Forster irrtümlicherweise nur als Revolutionär zu betrachten pflege und ihn bloß als Widersacher der Priester und Lehnsherren gelten ließe.

Diese mit ihm verbundene Legende ist noch heute lebendig. Eingesetzt wurde sie durch Friedrich Engels, dessen Kenntnisse über Forster doch höchst mangelhaft und einseitig waren.

So z. B. gemäß Engels, wurde Forster im revolutionären Frankreich hingerichtet, während Georg Forster in der Wirklichkeit infolge einer Krankheit gestorben war. Auch die Schlussfolgerung, dass Forster Atheist gewesen war, weil er die Priester aus des Mainz verjagt hatte, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.

Der junge Engels nannte Forster neben Tomas Müntzer einen der besten deutschen Patrioten. Patetischerweise rief er im Brief an Redaktor der Zeitung «The Northern Star» 1845 (veröffentlicht in der «The Northern Star» N 417, 8 november 1845) auf: „Ich kann Forster nicht genug preisen, den deutschen Thomas Paine, Forster, der die französische

55 „Da habe ich für Sie des Philaletha Occlus. Regis Palat. geborgt. Allein die conditio sine qua non ist, dass Sie das Buch innerhalb 14 Tagen zurückschicken. — Auf die Bedingung, glaube ich, würde Ihnen F. wohl dann und wann mehr Bücher leihen; er hat eine ziemliche Anzahl. — Welling’s Opus hat er verliehen; die bewusste Stelle wird er Ihnen abschreiben, sobald er das Buch wieder erhält (Kopp. Ibid. 2 Bd.

S. 88).

56 «Ihr Mann könnte mir einen großen Gefallen erweisen. Mir sind Helmont’s und Fludd’s Werke sehr nöthig. Sollte nicht William sie für uns von Dasdorf auf vierzehn Tage geliehen erhalten können. <...> Schelling wird über meine Entdek-kungen wundern und freun» (Begegnung Ibid. S. 208).

Revolution bis zur letzter Zeit verteidigte, und der im Unterschiede zu all seiner Landgenossen, am Schafott umkam”.

Engels hat also geirrt, als er meinte, dass Forster den Märtyrertod starb. Dessenungeachtet wurde diese Legende unkritisch von sowjetischen Forschern übernommen und mehrmals gedruckt in den zahlreichen biographischen Notizen der sowjetischen Zeit. Die Legende wurde zum Festbestand der russischen wissenschaftlichen Presse.57

Auch in der Einleitung zur Übersetzungen seiner Aufsätze in der Materialiensammlung „Geschichte der Ästhetik. Denkmäler der ästhetischen Wissenschaft” heißt es: 1) Forster endigte sein Leben auf dem Schafott. 2) Forster hat langen Weg der philosophischem Entwicklung zurückgelegt, welcher ihn von ursprünglichem Pantheismus zum Materialismus führte.

Wir sind der Meinung, dass die zweite Behauptung ebenso unrichtig ist wie die erste. Forster änderte je seine Ansichten keineswegs; dazu sind sie ob gnostisch oder rosenkreuzerisch hier als Pantheismus gestempelt.

Die Kirche als soziale Einrichtung war ihm wohl zuwider, nicht aber Gott und Religion. Dieser Analogie zufolge kann man sagen, dass obwohl er am Ende nicht geneigt war, die konservativen zeitgenossischen und meistens standesgemäss eingerichteten Freimauerorganisationen zu akzeptieren, änderte es seine Grundeinstellung zu Gott und Welt nicht. Er blieb der rosenkreuzerischen Einsicht in Gottähnlichkeit der Natur des Menschen treu. Davon zeugen die späteren Aufsätze Forsters genügend.

Im Tagebuchaufzeichnunfen des Forschers der koptischen gnosti-schen Texten Karl Woide ist der Name Forsters oft erwähnt.

Forster der Ältere und Woide standen im regen Briefwechsel mit dem namhaften protestantischen Bibelforscher Michaelis, Carolines Vater. Die von den Vätern öfters besprochenen apokryphischen Texte, lernten die Kinder gleichsam schon von frühesten Jugendsjahren an kennen, ja daran und in der durch diese Apokryphe geprägte geistige Atmosphäre erzogen wurden.

57 Маркс К., Энгельс Ф. Собр. теч. Т V. С. 17; История эстетики: Памятники мировой эстетической мысли. Т. 2. М., 1964. С. 515.

Durch die frühchristliche Texten belehrt, die er schon bei seinem Lehrer Karl Woide, dem ersten Übersetzer des gnostischen Traktats Pistis Sophia58 kennenlernte, und durch neugnostischen Mysterien der Rosenkreuzer erfuhr, sollte Forster die von ihm aus dem freien Mainz weggejagten Priester nach eben solchen Prinzipien beurteilen — als Dienerschaft eines gnostischen Demiurgos, einer zur Institution erstarrten und verstaatlichten Kirche. Statt dessen sucht Forster das Göttliche im Menschen in seinen Inneren und ruft ihn auf sich von der Welt der toten Dinge zu befreien. Im Brief an Schiller spricht er, dass die schlimmste Form der Sklaverei ist die Abhängigkeit von dem toten Stoff.

Die Betonung des geistigen Wesens im Menschen, welches ihn von aller anderen Welt unterscheidet, die Hervorhebung des geistigen Pols der Selbsterkenntnis als des Weges nach der Seelensteigerung bestimmt die Weltanschauung Forsters im Rahmen der gnostisch-hermetischen Tradition der europäischen Kultur. Diese Ansichten wurden durch berühmte „Briefe an einen Freund, aus Paris geschrieben” des „späteren Forsters” wohl belegt. Er verteidigt darin die französische Revolution, aber die in diesen Briefen zu lesenden Einwände sind nicht atheistischer Natur. Im zweiten Brief (den 15. Brumaire 2. Jahr seit Bestehen der Republik) sagt er, dass französische Revolution ein Teil des erhabenen Plans der Vorsehung bedeute mit dem Ziel die Menschheit zu erziehen.

Die Denkweise Forsters ist also einem Lessing’s Nachfolger oder einem Verfechter der Origenes Lehre über die geistige Apokatastasis (Vergöttlichung) nahe. Im dritten Brief (den 24. Brumaire datiert) schrieb er, dass die Heiden-Katoliken in Deutschland bekehrt werden müssen, um das echte Christentum von Herz und Vernunft entstehe.

Wichtig ist, dass die Gedanken Forsters über „Christentum von Herz und Vernunft” (oder Pistis-Sophia) nach anderthalb Jahrhunderten vom russischen Philosophen und Vertreter eines Christlichen Existentialismus Nikolai Berdyaev weiter entwickelt wurden. Dieser Philosoph hat nähmlich viel von Origenes Ideenschatz geschöpft, indem er seine „Philosophie des freien Geistes” schaffte. Dazu kommt, dass die obengenannten „Parisen Umrisse” von Marxisten sehr geschätzt

58 Codex Askew, cf.: Schmidt C., Till W. C. Die Pistis Sophia. Koptisch-gnosti-sche Schriften. Berlin, 1962. S. XVI, XXVI-XXIX — C. G. Woide.

wurden, und als Gipfel des atheistischen Denkens Försters galten. Die religiös- und sozialwissenschaftlichen Ansichten des späteren Försters ist es vermutlich durch N. Berdjaev und sein existenziellen Gnosis besser zu verstehen. In seinem grundlegenden autobiographischen Spätwerk schrieb er „Die Freiheit hat nicht mit dem Individualismus zu tun. Das ist ein Irrtum. Die Freiheit bedeutet die Aufgeschlossenheit und das Schaffen, ein Weg den Weltall in mir zu erschliessen”.59

Die Belesenheit Forsters in der alchemischen Literatur60 ist mit derer von Goethe zu vergleichen.61 Die Folge war, dass seine Betrachtungsweise ganz alchemisch wurde.62

Forster betrachtete die Alchemie als Sinnbild des Rosenkreuzerischen Ideen von der geistigen Wandlung63 und das macht verständlich, warum

59 Бердяев Н. Самопознание. Опыт философской автобиографии. М. 1990. С. 57-58.

60 „Studirt wurden <.. .>Philaletha <.. .>Welling’s Opus mago-cabbalisticum et theosophicum <...> Auch die Aurea catena Homeri wurde studirt” — (Kopp ibid. Bd. 2. S. 88).

61 Das Problem „Goethe und Forster”: Goethe und Forster. Studien zum gegenständlichen Dichten. Bonn 1985; Rasmussen D. Der Weltumsegler und seine Freunde: Georg Forster als gesellschaftlicher Schriftsteller der Goethezeit. Tübingen, 1988.

62 Forster’n wurden bei seiner Beschäftigung mit der Hermetischen Kunst in Kassel die alchemistischen Zeichen so geläufig, dass er <...> statt der Worte Luft, Wasser, Spiritus, Quecksilber, Blei,Gold u. a. die entsprechenden alchemistischen Zeichen gesetzt hatte. Erinnerungen an diese Jahre und die in ihnen ihm vertraut gewordenen Vorstellungen tauchten in Forster noch in der letzten Zeit seines Lebens auf; (Kopp ibid. Bd. 2. S. 88). So in bezug auf Natur: „.ich denke mir immer, nach meinem alchymistischen kreuzerischen Sauerteig, den Teufel unter den beiden leidenden Elementen, Wasser und Erde” (Kopp ibid. Bd. 2. S. 89).

63 C. G. Jung lässt seine Lehre von den Symbolen der Wandlung darauf begründet, dass das alchemische Lebensprozess und Mysterium des Geistes ihm als Vorlage dient. (Die Psychologie der Übertragung. GW 16 Bd. Russ. Übers. Nikita Skorodum «Психология переноса» // Юнг К.-Г. Собр. соч. Т. 16 («Практика психотерапии»). М., 1998. С. 181-350. Erstmals ist dies Gleichnis eindeutig verwendet von Theologe und Philosoph Johann Valentin Andreae (1586-1654), In: Die Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreuz, einer Urquelle der Rosenkreuzerischen Symbolismus. Von diesen Ideen nähmlich hat Forster sich leiten lassen: „Unter dem Geheimnamen Amadeus Sragorisonus Segenitor wurde Forster Mitglied in der Kasseler Bruderschaft der Rosenkreuzer: jener spiritistischalchimistischen, vor

Prof. Hermann Kopp in seinem umfangreichen historischen Werk64 fast eine Hälfte des 2. Bandes Förster gewidmet hat. Erwähnungswert ist ein einschlägiges Kapitel von G. Steiner.65

Förster dachte, dass den Ursprung des Leuten in den verschiedenen Orten der Erde zu suchen sei. Das macht erklärlich sein Interesse für solche uralte Kulturen; wie die des Indiens. Forster suchte darin die Bestätigung für seine Ansichten, sowie Überreste der gnostischen Weltanschauung.66 Mit den Ansichten Forsters von der Menschenabstammung ist, unserer Meinung nach, eine irrtümluche Vorstellung verbunden. Im Essay „Noch etwas über die Menschenrassen. An Herrn Dr. Biester” (1786) führt Forster eine scharfe Polemik gegen Kant, welcher meinte, sich auf die alttestamentische Überlieferung von Adam und Eva stütztend, dass die Menschheit sich von einem Ort aus über die ganze Erde verbreitete. (vgl. Georg Forster-Werke: Bd. IV. S. 280-306). Man betrachtet es als Beweis für materialistische Ansichten Forsters. Forsters Ansichten haben aber nichts mit dem Materialismus zu tun. Der Fall besagt nur, dass beide, Forster und Kant, im bezug auf Abstammungslehre auf ganz anderen Seiten standen, obgleich sie sich ebenso auf Bibel beriefen. Kant stützte sich dabei auf Bibelgeschichte von Adam’s Erschaffung. Forster, dagegen, der Rosenkreuzer’schen Auffassung gemäss, leitete die Menschen von den gefallenen Engel ab und war demzufolge der Meinung, dass es eine Vielfalt der Orte gebe, welche als Ursprung der Menschheit gelten können.

allem lodernd frommen Gemeinschaft, die der Tübinger Theologe Johann Valentin Andreä — angeregt von Campanellas Sonnenstaat und Joachim von Fiores chilia-stischen Geschichtskalkulationen — durch seinen Roman Die Chymische Hochzeit”. — Forster Georg (hsgg. mit einem biograph. Essay K. Harpprecht). Reise um die Welt: illustriert von eigener Hand. Frankfurt am Main, 2007. S. 22.

64 Kopp ibid. Bd. 2.

65 Steiner G. Freimaurer und Rosenkreuzer: Georg Forsters Weg durch Geheimbunde Berlin, 1985. Im umfangreichsten Kapitel seiner Schrift: „Im Banne von Mystizismus und Alchimie” (S. 84 ff).

66 Скородум Н. Физиогномическое пространство И.К. Лафатера как окно в космологию древних. // Пространство и время: физическое, психологическое, мифологическое: Сб. тр. IV Межд. конф. М., 2006. С. 188-193).Vlg. dazu: „.seit G. Forsters Tod der Faden zerrissen scheine, der uns mit den Gedanken anderen Nationen verknüpfe!” (Haym, Ibid. 2. Bd. S. 683).

Rosenkreuzer, wie auch Katharren und Bogomilen meinten, dass der irdische Mensch in seinem Innerem ein Gotteskern, schlummernden Geist hat, welcher einer Reinigung mittels Alchemie bedürfe. Antropologischer Aspekt dieses Meinungsstreits ist erörtert in der Arbeit Lagier Raphaels.67 Dasselbe Ansichten entwickelte auch sein Freund und Ordensbruder Sömmerring.68

Es ist also nicht zufällig, dass das Buch erschien in Heidelberg, (1886): einem Ort, wo die Erinnerung an Forster noch lebendig war, weil es Wohnort der im Betracht zu kommenden Personen ist.

Merkwürdigerweise lässt sich dieser Gedankengang am Schellings philosophischen Werk verfolgen.69

In Mainz Forster und Caroline waren unzertrennlich.70

Forster verschaffte alchemische Bücher für seine Freunde. Nach seinem Tode setzt Caroline diese Tätigkeit fort: Novalis wendet sich an sie mit der Bitte.71

Jenaer Haus Carolines und Augusts Wilhelms wurde zum Mittelpunkt des gesellschaftlich-literarischen Lebens und also zu einem Treffpunkt, von dem die Forster’s Ideen mittels Caroline ausstrahlten. Der

67 Lagier R. Un outsider de la fondation de l’anthropologie: Georg Forster // Revue d’Histoire des Sciences Humaines, 2006/1. N 14. P. 137-152.

68 Ibid., P. 149-151. Cf.: Oehler-Klein S. (1998), Samuel Thomas Sömmerring, Anthropologie, edit. scientifique et introduction a Über die körperliche Verschiedenheit des Negers vom Europäer. Stuttgart, 1785. Über die Auseinendersetzung mit Kant sieh: Schmied-Kowarzik W. Der Streit um die Einheit des Menschengeschlechts. Gedanken zu Forster, Herder und Kant // Georg Forster in interdisziplinärer Perspektive. Berlin, 1994. S. 115-132. Der Verbindungen Forster und Sömmerring, von Alchemie- und Rosenkreuzersgesichtspunkt aus betrachtet, ist besondere Atbeit gewidmet: Sahmland Irmtraut. Auf der Suche nach dem Stein der Weisen — Samuel Thomas Soemmerring und Georg Forster als Rosenkreuzer in Kassel // Samuel Thomas Soemmerring — Naturforscher der Goethezeit in Kassel. Kassel, 1988. S. 96-124.

69 „Die Zunge der höheren Tiergattungen ist eine wahre Molluske, die ihr Gehäuse ausser sich im Gehörorgan niedergelegt hat”. Klumbies G. Der Evolutionsgedanke in der klassischen Jena // Philosophie und Humanismus. Beiträge zum Menschenbild der deutschen Klassik. Weimar, 1978. S. 110.

70 „Außer Forster hab ich gar keinen Umgang” [Begegnung 1984: 142 An Meyer, Mainz d. 29 Juli 1792].

71 Begegnung Ibid. S. 208.

namhafte russisch-sovjetische Literaturwissenschaftler N. J. Berkowski war eigentlich fast der erste, der darauf hinwiess, dass es Caroline sei, die Forster’s Ideen dem Kreis der deutschen Romantikern übermittelte.72

Damit die Sophia-bezogenen Züge der Ansichten Forsters besser verstanden werden, werfen wir einen Blick auf seine Freundschaft mit Gno-stuzismus-Forscher F. Münter, dem nachmaligen einzigen dänischen Bischof-Illuminaten.

Münter war Altertumsforscher, hat die Bücher über Gnostizismus veröffentlicht73 Er war mit Forster befreundet, war oft bei ihm in Mainz zu Gast in dem Vorabend der Revolution.

Forster war persönlich bekannt mit Friederike Brun — der Schwester seines gelehrten Freundes-Illuminaten F. Münter, begegnete sie 1791 in Mainz und stand mit ihr in brieflichen Verkehr.

In der dänischen Glyptothek hat man die Briefe Forsters an Münter aufbewahrt. In dem letzten Brief überbringt Forster einen Gruß von seiner Schwester Munter-Brun an ihn.74

Uns ist unter anderem ein Gedicht bekannt geworden, das von der bekannten Dichterin Friederike Brun zum Gedächtnis des Entschlafenen geschrieben worden ist. Wir sind der Meinung, dass dieses Gedicht die sophiesche Ansichten Forsters zur Geltung bringt und wohl belegt.

Grabschrift auf Georg Forster (Friederike Brun, geb. Münter)

Weltumseegler! du suchtest auf pfadlosem Ozean Zonen,

Wo die Unschuld der Ruh’ böte vertraulich die Hand!

72 «Karoline brachte die Romantiker nicht allein im Alltag einander näher <.. .> Auf Karoline lag der Widerschein ihrer ungewöhnlichen Vergangenheit. <...> Sie war mit Georg Forster befreundet, dem Helden von Mainz, dem deutschen Jakobiner. Über Forster schrieb Friedrich Schlegel eine seiner besten „Karakteristiken”. Durch Karoline und Friedrich Schlegel wurde auch Georg Forster, der kühnste und freieste Deutsche seiner Zeit, geistig in die Jenaer Vereinigung aufgenommen» (Berkowski N. J. Die Romantik in Deutschland. Leipzig, 1979. S. 14-15).

73 Münter Fr. 1) Versuch über die kirchlichen Alterthümer der Gnostiker. Ansbach, 1790; 2) Odae Gnosticae Salomoni Tributae, thebaice et latine (interprete C. Gf. Woidio ). Havn., 1812.

74 Georg Forsters Werke: Bd. 16 (Briefe 1790 bis 1791). S. 374. Ebenda: Brief N 159 (an Fr. Brun): „.Meine theure Freundin <...> Wir alle freuen uns der schönen Tage die Sie mit uns verlebten und beklagen die traurige Ursache Ihrer schnellen Abreise”.

Edler Forscher, was fandest du dort? Die Kinder der Erde All’ an Schwachheit sich gleich, alle dem Tode geweiht.

Sohn der Freiheit! du öffnetest ihr die männliche Seele,

Ihr, die vom Himmel herab sandte der Vater zum Heil.

Ach! es wandte die Göttinn sich schnell von der blutigen Erde; Forster! du schwebtest mit ihr hin, wo dein Glaube sich lohnt.

Es ist klar, dass Friederike Münter-Brun, hier Sapientia Salomonis der Tempelherren, Sophia von Gnostiker und J. Böhme schildert.

Unseres Ziel war es zu zeigen, dass gnostisch-hermetische Gedanken Forsters durch Caroline weiter geleitet werden konnten bis auf Schelling. Dazu kam, dass in Mainzer Periode ihre Beziehungen zu Forster sehr eng waren „Ausser Forster hab ich gar keinen Umgang” schreibt sie.75 Jenaer Haus von Caroline und August Wilhelm Schlegel wurde zum Mittelpunkt des gesellschaftlich-literarischen Lebens. Die Forscher der deutschen Romantik haben die Rolle der Frauen leider unterschätzt — zum Nachteil ihrer Forschung in Betracht dessen, dass die Weltanschauung der Romantik auf sophiologischen Grundlagen beruht und später mittels Schelling von Vladimir Solovyev weiter entwickelt wurde.

75 Begegnung Ibid. S. 142 ( an Meier 29.07.1792).

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