Научная статья на тему 'DER ‘KüHNER-STEGMANN’ VON 1914 UND DIE OXFORD LATIN SYNTAX VON 2015 UND 2021: ZWEI LATEINISCHE SATZLEHREN IM VERGLEICH'

DER ‘KüHNER-STEGMANN’ VON 1914 UND DIE OXFORD LATIN SYNTAX VON 2015 UND 2021: ZWEI LATEINISCHE SATZLEHREN IM VERGLEICH Текст научной статьи по специальности «Языкознание и литературоведение»

CC BY
81
15
i Надоели баннеры? Вы всегда можете отключить рекламу.
Журнал
Philologia Classica
Scopus
ВАК
Ключевые слова
FUNKTIONALE SPRACHTHEORIE / KORPUS / NEBENSATZ / SATELLIT / SATZVERHäLTNIS (PRäDIKATIVES / ATTRIBUTIVES / OBJEKTIVES) / SYNTAX/SATZLEHRE (DES LATEINISCHEN) / TYPOLOGISCH / SPRACHTYPOLOGIE

Аннотация научной статьи по языкознанию и литературоведению, автор научной работы — Hoffmann Roland

Im Folgenden werden die Satzlehre-Bände der „Ausführlichen Grammatik der lateinischen Sprache“ von Raphael Kühner, die 1878/79 zuerst erschien und in ihrer Bearbeitung durch Carl Stegmann 1914 bis heute eine verbreitete Lateingrammatik ist, mit der neu erschienenen „Oxford Latin Syntax“ von Harm Pinkster in der Konzeption verglichen. Zwischen beiden Satzlehren aus sehr unterschiedlichen Zeiten und sprachwissenschaftlichen Kontexten gibt es natürlich deutliche Unterschiede: zunächst die andere Gesamtkonzeption, ferner die Art des Korpus, den Satzbegriff, die Stellung der Kasussyntax, nicht zuletzt die Behandlung infiniter Konstruktionen und schließlich den Geltungsbereich der Syntax. Von diesen Unterschieden abgesehen finden sich aber auch einige Gemeinsamkeiten: zunächst eine korpusbasierte Form, wonach beide Satzlehren ihre Ausführungen auf zahlreiche sprachliche Belege stützen. Zweitens steht die Einzelsprache des Lateinischen im Vordergrund und es bleibt wenig Raum für sprachliche Vergleiche. Drittens sind beide Satzlehren rein deskriptiv, was im Falle des Kühner-Stegmanns das Gegenteil zu normativ, im Falle der OLS aber zu formallinguistisch oder theorielastig bedeutet im Sinne formaler Ansätze der neueren Linguistik, womit etwa die verschiedenen Movement-Regeln der generativen Theorie gemeint sind. Ein wichtiges Ergebnis lautet, dass beide syntaktischen Ansätze legitim sind und beide mit wachem Methodenbewusstsein weiter gebraucht werden sollten, um Probleme der lateinischen Syntax zu lösen.

i Надоели баннеры? Вы всегда можете отключить рекламу.
iНе можете найти то, что вам нужно? Попробуйте сервис подбора литературы.
i Надоели баннеры? Вы всегда можете отключить рекламу.

THE “KüHNER-STEGMANN” OF 1914 AND THE “OXFORD LATIN SYNTAX” OF 2015 AND 2021: COMPARING TWO EXAMPLES OF A LATIN SYNTAX OF DIFFERENT TIMES AND DIFFERENT APPROACHES

Comparing the grammars of so-called dead languages is particularly fascinating. The article compares two syntactic accounts from completely different time periods - a traditional and still well-known one from the 19th century and a modern one that has currently been published: the syntactic part of the “Ausführliche Grammatik der Lateinischen Sprache” by Raphael Kühner from 1878 and 1879, and the “Oxford Latin Syntax” by Harm Pinkster from 2015 and 2021. First, the general concepts are introduced: Karl Ferdinand Becker’s theory of the three syntactic relations (2.1), S. H. A. Herling’s theory of the equivalence of sentence parts and subordinate clauses (2.2), as well as the modern functional approaches of the theory of the simple clause (3.1) and the complex sentence (3.2). Six differences between the two Latin syntactic concepts are discussed. Three common aspects are taken into consideration, namely the corpus-based approach, the restriction to a single language, and the purely descriptive method as opposed to a normative or more formal approach. Among the results, it is concluded that both grammatical systems of the Latin syntax are legitimate and both should be used to address questions concerning Latin syntax.

Текст научной работы на тему «DER ‘KüHNER-STEGMANN’ VON 1914 UND DIE OXFORD LATIN SYNTAX VON 2015 UND 2021: ZWEI LATEINISCHE SATZLEHREN IM VERGLEICH»

IHHllHHjH] DE PHILOLOGIS

PHILOLOGIA CLASSICA ET PHILOLOGIA

HllUHJIUH

VOL. 16. FASC. 1. 2021

UDC 811.124

Der 'Kühner-Stegmann' von 1914 und die Oxford Latin Syntax von 2015 und 2021: zwei lateinische Satzlehren im Vergleich*

Roland Hoffmann

Gymnasium Nieder-Olm, Am Gonsenheimer Spieß 37, D-55122 Mainz, Deutschland; rohoffi@web.de

For citation: Hoffmann R. Der 'Kühner-Stegmann' von 1914 und die Oxford Latin Syntax von 2015 und 2021: zwei lateinische Satzlehren im Vergleich. Philologia Classica 2021, 16 (1), 138-157. https://doi.org/10.21638/spbu20.2021.112

Im Folgenden werden die Satzlehre-Bände der „Ausführlichen Grammatik der lateinischen Sprache" von Raphael Kühner, die 1878/79 zuerst erschien und in ihrer Bearbeitung durch Carl Stegmann 1914 bis heute eine verbreitete Lateingrammatik ist, mit der neu erschienenen „Oxford Latin Syntax" von Harm Pinkster in der Konzeption verglichen. Zwischen beiden Satzlehren aus sehr unterschiedlichen Zeiten und sprachwissenschaftlichen Kontexten gibt es natürlich deutliche Unterschiede: zunächst die andere Gesamtkonzeption, ferner die Art des Korpus, den Satzbegriff, die Stellung der Kasussyntax, nicht zuletzt die Behandlung infiniter Konstruktionen und schließlich den Geltungsbereich der Syntax. Von diesen Unterschieden abgesehen finden sich aber auch einige Gemeinsamkeiten: zunächst eine korpusbasierte Form, wonach beide Satzlehren ihre Ausführungen auf zahlreiche sprachliche Belege stützen. Zweitens steht die Einzelsprache des Lateinischen im Vordergrund und es bleibt wenig Raum für sprachliche Vergleiche. Drittens sind beide Satzlehren rein deskriptiv, was im Falle des Kühner-Stegmanns das Gegenteil zu normativ, im Falle der OLS aber zu formallinguistisch oder theorielastig bedeutet im Sinne formaler Ansätze der neueren Linguistik, womit etwa die verschiedenen Movement-Regeln der generativen Theorie gemeint sind. Ein wichtiges Ergebnis lautet, dass beide syntaktischen Ansätze legitim sind und beide mit wachem Methodenbewusstsein weiter gebraucht werden sollten, um Probleme der lateinischen Syntax zu lösen.

Keywords: Argument, funktionale Sprachtheorie, Korpus, Nebensatz, Satellit, Satzverhältnis (prädikatives, attributives, objektives), Syntax/Satzlehre (des Lateinischen), typologisch, Sprachtypologie.

1. Einleitung

Das Lateinische ist die wohl prominenteste unter den — mit einer beliebten, aber oft unreflektiert gebrauchten Metapher bezeichneten — „toten Sprachen", d. h. unter jenen

* Für Paphasorn in Bangkok. © St. Petersburg State University, 2021

Kommunikationssystemen, die heutzutage keine Muttersprachler und Muttersprachlerinnen mehr besitzen und von denen es wegen des fortschreitenden „Sprachentods" heute bereits unzählige „ausgestorbene" Sprachen gibt.1 In solchen Sprachen sind Grammatiken viel wichtiger als in „lebenden" Sprachen mit Muttersprachlern, die immer auch als Informanten und Informantinnen über grammatisch korrekten Sprachgebrauch dienen können. Im Folgenden sollen zwei profilierte Beispiele von Lateingrammatiken, eine traditionelle und eine moderne Grammatik, miteinander verglichen werden. Bei diesem Vergleich wird die — früher vernachlässigte — Satzlehre im Vordergrund stehen.

1.1. Der zweite Teil der „Ausführlichen Grammatik"

von Raphael Kühner (1877-1878)

In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde eine, wie sie sich selbst bezeichnete: „Ausführliche Grammatik der Lateinischen Sprache" verfasst. In der späteren Bearbeitung des Syntax-Teils durch Carl Stegmann im Jahre 1914 gehört sie bis heute zu den bekanntesten Lateingrammatiken, die in den Jahren 1878-1879 erstmals erschienen war. Der zweite Teil, der die Satzlehre zum Thema hat, ist ein Werk von bis heute anhaltender Wirkung geblieben. Beispielhaft dafür ist, dass diese lateinische Syntax noch heute in The World Atlas of Language Structures von 2005, zitiert wird (Haspelmath u. a., Hgg., 655).

Diese Grammatik entstand als ein Alterswerk. Ihr 1802 in Gotha geborener Autor war nach dem Studium der Klassischen Philologie in Göttingen mit anschließender Promotion in den Schuldienst getreten und hatte seit 1824 die Alten Sprachen in Hannover am damaligen „Lyceum", dem späteren „Lyceum 1" und heutigen „Kaiser Wilhelm- und Ratsgymnasium" unterrichtet.2 Neben zahlreichen unterrichtlichen und fachdidaktischen Publikationen3 hatte Kühner in seinen frühen Jahren schon ein erstes größeres Hauptwerk veröffentlicht, seine in den Jahren 1834-35 erschienene „Ausführliche Grammatik der Griechischen Sprache".

Wenn auch von einem Schulmann, aber auf dem Niveau des 19. Jahrhunderts verfasst, handelte es sich bei diesem Werk um keine eigentliche Schulgrammatik, sondern um eine durch und durch wissenschaftliche Arbeit. Dafür spricht nicht nur die Darstellung selbst, nämlich der Versuch einer umfassenden Beschreibung des Lateinischen, die sich vor allem auf die Autoren Cäsar und Cicero konzentrierte und die man heute synchron nennen würde, sondern auch weitere Umstände. Einige Jahre vor der Erstveröffentlichung der griechischen Grammatik hatte Kühner 1828 einen Aufsatz mit dem Titel „Versuch einer neuen Anordnung der griechischen Syntaxe" publiziert. Dieser zeigte, dass sich Kühner schon früh auch mit grammatiktheoretischen Fragen beschäftigte. Zweitens kam ein akademischer Anspruch im Untertitel der älteren Schwester dieser Grammatik

1 Zu diesem Thema vgl. Austin — Sallabank (Hgg.). Man beachte dabei aber die Differenzierung in dem Beitrag von Lenore A. Grenoble S. 44, Anm. 2: „Here I make a distinction between languages like Latin and Greek, which are no longer spoken, but have descendants (the modern Romance languages and Modern Greek, respectively) and languages which have been lost because their natural development has ended due to one or more of the circumstances cited in 2.1.4."

2 Ich danke herzlich Frau OStD' Ruth Völker, der jetzigen Leiterin des Kaiser Wilhelm- und Ratsgymnasiums Hannover, für einiges zusätzliche Material über Kühner.

3 Beispielhaft dafür ist die „Elementargrammatik der lateinischen Sprache", die mit einem barock anmutenden Untertitel („mit eingereihten lateinischen und deutschen Übersetzungsaufgaben und einer Sammlung lateinischer Lesestücke nebst den dazu gehörigen Wörterbüchern") 1905 in 48. Auflage bei der gleichen Hahn'schen Verlagsbuchhandlung in Hannover und Leipzig erschien.

deutlich zum Ausdruck, der lautete: „Wissenschaftlich und mit Rücksicht auf den Schulgebrauch ausgearbeitet." Drittens und hauptsächlich war, als Kühner in jungen Jahren an die Schule in Hannover kam, Grotefend seit wenigen Jahren der Leiter dieses Lyceums. Georg Friedrich Grotefend (1775-1853), der sich einen Namen als Keilschrift-Entzifferer gemacht hatte, kam aus dem Raum Frankfurt und hatte dort 1817, anlässlich des dreihundertjährigen Reformationsjubiläums einen „Frankfurter Gelehrtenverein" gegründet. Kühner trat diesem Verein in Hannover bei und bekam dadurch leichter Zugang zu den Veröffentlichungen von dessen Mitgliedern.

Zu diesen Mitgliedern gehörte auch eine Person, die für Kühners grammatische Arbeit sehr wichtig werden sollte, nämlich K. F. Becker (Abb.1). Möglicherweise hat Kühner diesen „Außenseiter" und späten Quereinsteiger in die Sprachwissenschaft Becker4 selbst nie persönlich kennengelernt; er stand aber in Briefkontakt mit ihm. Unter den 60 bei Haselbach (1966) erwähnten Briefen, die in einem Archiv in Kreßbronn aufbewahrt wurden, befanden sich auch Briefe Kühners an Becker. Nach dieser Spezialuntersuchung zu Beckers Grammatikansatz gehörte Kühner sogar zu den „autorisierte(n) Vertretern der Becker'schen Lehre [...], auf die Becker in seinen Schriften ausdrücklich hinweist" (Haselbach 1966, 67).

Welche Konzeption einer Satzteilgrammatik von K. F. Becker in Kühners Satzlehre genau zu finden ist, wird der übernächste Abschnitt zeigen. Für ihren wissenschaftlichen Charakter sprechen außer einer umfassenden synchronen Darstellung ferner die zahlreichen Belege, die ironischerweise dieser Grammatik gerade das Verdikt einer „rohen Materialhäufung" einbrachten,5 und vor allem der Anschluss an die damalige syntaktische Theorie, wie sie in den Arbeiten von K. F. Becker, aber auch von dem noch zu erwähnenden S. H. A. Herling vorlag.

1.2. Die beiden Bände der „Oxford Latin Syntax"

von Harm Pinkster (2015 und 2021)

Im Jahre 2015, rund 140 Jahre nach der Erstauflage von Kühners „Syntaxe" und nur kurz nach dem Jahrhundertjubiläum des erstmaligen Erscheinens des Kühner-Stegmanns, erschien der erste Band einer neuen lateinischen Syntax. Er war in über zwanzigjähriger Forschung entstanden. Der zweite Band ist soeben, am 31. März 2021, erschienen. Beide Syntax-Bände stammen von dem emeritierten Professor der Latinistik an der Universiteit van Amsterdam Harm Pinkster. Dieser gilt heute als einer der renommiertesten lateinischen Sprachwissenschaftler. Unter anderem gehen auf ihn die in zweijährigem Turnus in wechselnden europäischen Universitätsstädten stattfindenden Kolloquien zur lateinischen Linguistik zurück.6

Was für Kühner die Person Beckers bedeutet, ist für Pinkster die Person des Amsterdamer Linguisten S. C. Dik (1940-1995),7 der mit seiner Funktionalen Grammatik seit 1978 eine neue Grammatiktheorie begründete, die sich deutlich von formalen Ansätzen

4 Ein Ölbild mit einem Porträt findet sich am Anfang von Haselbach 1966: II.

5 Näheres dazu in Hoffmann 2017, 148 f.

6 S. die Homepage unter http://web.philo.ulg.ac.be/cill/en/ und die Ankündigung für das 21. ICLL 2021 in Santiago de Compostela unter https://www.icll2021.com/, das aber coronabedingt auf das folgende Jahr 2022 verschoben wurde.

7 Ein Foto von Dik findet sich in dem englischen Wikipedia-Artikel: http://en.wikipedia.org/wiki/ Karl_Becker_ (philologist)

Abb.1. Karl Ferdinand Becker (1775-1849) nach der Wiedergabe eines Ölbildes in Haselbach (1966: II)

jeder Art unterscheidet.8 Auch Givöns syntaktischer Ansatz (2001) und die neuere englische Grammatik von Quirk und Anderen (1985) spielen eine gewisse Rolle.

Obwohl Pinksters Satzlehre weit davon entfernt ist, naiv oder nur aus einem Modetrend heraus modernen Ansätzen zu folgen, lässt sie sich klar dem einen Hauptansatz der heutigen Sprachwissenschaft, dem funktionalen Ansatz, zuordnen und vermeidet andererseits jegliche Art formaler Theorien.

Dabei beruft sich die Oxford Latin Syntax9 ausdrücklich auf Kühners Satzlehre. So lauten die beiden ersten Sätze im Vorwort:

„When towards the end of the twentieth century I started working on this Syntax I wanted to have it published in 2012, one hundred years after Kühner-Stegmann's Satzlehre was published in two volumes as part of the Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache. It was — and is — my ambition to present an up-to-date successor of that monumental work." (OLS 1: xxxi)

Den zeitlichen Ausdruck „up-to-date" erläutert Pinkster in den folgenden Sätzen in dreifacher Hinsicht:

8 Dass Pinkster eng mit Dik befreundet war und ihn dem Verf. gegenüber „seinen besten Freund" nannte, widerspricht dem nicht, wenn man weiß, dass dies Pinksters objektive Haltung schwerlich beeinträchtigen konnte.

9 Von nun an auch außerhalb von Zitaten, außer in Überschriften: OLS.

„I mean up-to-date in several ways: Since 1912 new editions of most Latin texts have been published, which are based on a better knowledge of the manuscripts. In addition, texts unknown at that time have since been published and studied intensively. One also needs to take account of the numerous linguistic studies published since then, especially the large number devoted to authors and texts other than the 'classical' ones. And, finally, new methods and models have been developed in Linguistics in general which make it possible to look at well-known facts from a different angle and to present them in a different way." (ebd.)

Nicht nur die textliche, d.h. die korpushafte Erweiterung, die für eine „tote" Sprache besonders wichtig ist, sondern auch die sprachwissenschaftliche Erforschung des Lateinischen einerseits und die theoretische und methodische Weiterentwickelung innerhalb der allgemeinen Linguistik andererseits führt Pinkster hier als die drei Motive an, die zu einer dringenden Aktualisierung des Kühner-Stegmanns in Form der neu verfassten OLS geführt hätten.

1.3. Parameter des Vergleichs

Nicht zuletzt aufgrund des Selbstverständnisses der Syntax von Pinkster liegt es nahe, beide Satzlehren miteinander zu vergleichen und ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu bestimmen. Dazu müssen beide Werke zunächst jeweils in ihrer eigenen Konzeption vorgestellt werden. Im Falle von Kühners Syntax (2) wird diese vor dem Hintergrund der syntaktischen Theorie des 19. Jahrhunderts dargestellt. Im zweiten Falle (3) wird vor allem der funktionale Ansatz gegenüber formalen Sprachansätzen verdeutlicht, um beiden Satzlehren an sich gerecht zu werden. In beiden Fällen werden beide Bände zum einfachen und zum komplexen Satz nacheinander betrachtet. Im Einzelnen werden in

4.1 Parameter für einen syntaktischen Vergleich wie das Korpus an sprachlichem Material, der Satzbegriff und die Stellung der Kasussyntax untersucht. Abschließend werden in

4.2 auch die Gemeinsamkeiten beider Satzlehren angeführt und kurz diskutiert.

2. Die Satzlehre von Raphael Kühner10

2.1. Die Konzeption des ersten Bandes und die Lehre von den Satzverhältnissen

Wenn es um den Einfluss Beckers auf Kühners Syntax geht, liest man nicht selten, dass Kühner Beckers Satzgliedlehre — oder auch: „Becker-Herlings Satzgliedlehre"11 — verwendet habe oder es ist nur von Beckers Satzgliedlehre die Rede. Dies alles ist in solcher Verkürzung unzutreffend, Tatsächlich übernahm Kühner von Becker eine ganz bestimmte Form der Satzanalyse, nämlich die Unterscheidung von drei Satzverhältnissen: einem prädikativen, einem attributiven und einem objektiven. Diese grundlegenden syn-tagmatischen Beziehungen seien es, in deren Rahmen „[d]ie gesamte einzelsprachliche Satzbildung" nach Becker vor sich gehe (Haselbach 1966, 155 f.):

a) das prädikative Beziehungsverhältnis (Vögel singen),

b) das attributive Beziehungsverhältnis (muntere Vögel) und

c) das objektive Beziehungsverhältnis (singen ein Lied).

10 Die nachfolgenden Ausführungen folgen einem früheren Aufsatz (Hoffmann 2017). In der Regel wird Kühners Syntax nach der Erstauflage von 1878-1879 zitiert.

11 So z. B. Pfister 1972, 35.

So beginnt Kühner in den ersten drei Abschnitten seiner Syntax in Kap.1 mit den „Hauptbestandteilen des einfachen Satzes", das er mit der Definition des „prädikative[n] Satzverhältnis[ses]" beschließt (AGLS, 2).12 Kap. 2 handelt „[v]on dem attributiven Satzverhältnisse" (AGLS, 157) und Kap. 3 „[v]on dem objektiven Satzverhältnisse" (AGLS, 188). Dabei stehen zwar jeweils das zweite Element, das Subjekt, das Attribut und das Objekt, im Mittelpunkt, aber nur von einem semantischen Ansatz aus. Denn syntaktisch gesehen ist das Prädikat das entscheidende Element.13

Dabei werden in der späten Fassung der „Ausführliche[n] Grammatik der Lateinischen Sprache" gegenüber diesem dreifachen syntagmatischen Ansatz einige Inkonsequenzen deutlich, die in der über 40 Jahre älteren ersten Auflage der griechischen Vorgängerin vermieden worden waren. So wird im objektiven Satzverhältnis ein erweiterter Objektbegriff vorausgesetzt, der bis auf das Subjekt, das ja im prädikativen Satzverhältnis beschrieben worden ist, alle weiteren Ergänzungen und Angaben als „Objekte" zusammenfasst.

Diesen erweiterten Objektbegriff verwendet jedoch Kühner in der weiteren Darstellung der AGLS nicht mehr. Außerdem fallen zwei widersprüchliche Anordnungen einzelner Themen auf. Das Kapitel über die sog. Partizipialien, die infiniten Verbformen Infinitiv und Partizip, hätte entweder bei dem prädikativen Satzverhältnis oder in der Syntax des erweiterten Satzes bei den Nebensätzen erscheinen müssen. Ebenfalls falsch platziert ist das 6. Kapitel über das Adverb. An beiden Stellen scheint Kühner einer traditionell kategorialen Anordnung zu folgen, wonach das Partizip nach den nominalen Kategorien Nomen und Adjektiv und das Adverb an vorletzter Stelle erscheint, vor den im zweiten Band behandelten Konjunktionen. Umgekehrt hatte Kühner in der früheren griechischen „Syntaxe" ganz konsequent gehandelt.14 Vermutlich rührte diese Inkonsequenz in der lateinischen Satzlehre, die ihn hier in die alte kategoriale Morphosyntax verfallen ließ, daher, dass wenigstens ein Rezensent, der die griechische Syntax ausführlich besprochen hatte, die Becker'sche Syntax pauschal als zu philosophisch oder als zu wenig organisch bezeichnet hatte.15

Eine nicht uninteressante Frage lautet, ob Kühner der erste war, der diesen Ansatz auf die altsprachliche Syntax anwandte. Glücklicherweise findet sich in einem Aufsatz von Krüger ein deutlicher Hinweis auf die Frage nach der Priorität:

„Beckers Vorgang hinsichtlich der Grammatik der deutschen Sprache ist auch nicht ohne Nachfolge hinsichtlich fremder Sprachen geblieben. Der erste, welcher ihm nachfolgte, und zwar in der Behandlung der griechischen Sprache, war Kühner; für die lateinische Sprache

12 Die von nun an verwendete Abkürzung „AGLS" bedeutet „Ausführliche Grammatik der Lateinischen Sprache".

13 Vgl. AGLS, 2: „Da also das Prädikat den Hauptbegriff des Satzes bildet, so wird das aus dem Subjekt und Prädikate bestehende Grundverhältniss des Satzes das prädikative Satzverhältniss genannt."

14 In der ersten Auflage der Ausführlichen Grammatik der Griechischen Sprache sind die Satzverhältnisse als Gliederungsprinzip in der gesamten Syntax des einfachen Satzes konsequent durchgehalten. Bei dem Pronomina-Abschnitt weist Kühner ausdrücklich darauf hin, dass er die „Betrachtung des objektiven Satzverhältnisses" unterbricht ('Ausführl. Grammatik der griech. Sprache 2, 322). Im Abschnitt über die „Partizipialien" spricht der Autor sogar vom „Partizipialobjektiv" (ebd., 332), und über jeder linken Seite steht als Kolumnentitel „Objektives Satzverhältniss". Beim Adverb erscheint der Begriff „Adverbialobjektiv", und es findet sich die explizite Formulierung: „Das objektive Satzverhältniss wird [...] ausgedrückt durch die Adverbien" (*AGGS 2, 381).

15 Rezension mit anonymem Verfasser in: Allgemeine Literatur-Zeitung von Dez. 1835, 226, 585592; 227, 593-600; 228, 601-606. Im Internet ist diese mehrteilige Rezension zu finden unter: https:// de.wikisource.org/wiki/ Allgemeine_Literatur-Zeitung, dort weitere Links. Näheres dazu in Hoffmann 2017: 31-33.

suchten dasselbe zu leisten Feldbausch und Weissenborn, und unverkennbar ist die Berücksichtigung der Becker'schen Grundsätze auch in der Behandlung der französischen Grammatik bei Kreizner." (Krüger 1840, 387 Hervorhbg. R. H.)

Diese Sätze bezeugen klar, dass Kühner mit der Erstauflage der Ausführlichen Grammatik der Griechischen Sprache 1834-35 der allererste Altphilologe war, der die Becker'schen Satzverhältnisse auf eine der beiden klassischen Sprachen anwandte. Bereits zwei bis drei Jahre später wurde in zwei offenbar von Kühners Syntax inspirierten Schulgrammatiken von Feldbausch (1837) und Weissenborn (1838) diese syntaktische Konzeption auch auf das Lateinische übertragen, lange bevor Kühner selbst sie in der AGLS nochmals verwenden konnte.

Zur Würdigung der Lehre von den drei Satzverhältnissen sei hier noch erwähnt, dass sie in einer modernen typologischen Studie zu den semitischen Sprachen noch im 21. Jahrhundert von dem Jerusalemer Semitisten Gideon Goldenberg (2013) verwendet wurde (Kap.11 f.; 14 f.).

2.2. Die Konzeption des zweiten Bandes: Nebensätze als erweiterte Satzglieder

Von Simon Heinrich Adolf, kurz: S. H. A. Herling (1780-1849) übernahm Kühner das Konzept einer prinzipiellen Äquivalenz der Nebensätze mit den Satzgliedern. So schreibt er am Anfang des zweiten Bandes seiner Syntax:

„Da die Nebensätze nur bestimmende oder ergänzende Glieder des Hauptsatzes sind und so gleichsam nur Begriffe in der Form eines Satzes darstellen, so entsprechen sie nach ihrem grammatischen Verhältnisse zum Hauptsatze den Gliedern oder Bestandtheilen des einfachen Satzes, welche durch das Substantiv, Adjektiv und Adverb ausgedrückt werden, und lassen sich daher als Substantiv-, Adjektiv- und Adverbialsätze unterscheiden." (AGLS, 765)

Allerdings bezeichnete Kühner die Nebensätze kategorial als „Substantiv-", „Adjektiv-" und „Adverbialsätze". Becker dagegen wählte in seinem „Organism" von 1841 die funktionalen Bezeichnungen Attribut-, Subjekt- und Objektsätze. Die Nebensätze sind nach dieser Konzeption nichts anderes als expandierte Satzglieder. Dies war eine durchaus funktionale Sicht komplexer syntaktischer Strukturen.

3. Die Oxford Latin Syntax

3.1. Band 1: Funktionale Anordnung der Konstituenten des einfachen Satzes

Das, was an der OLS am meisten auffällt, ist ihr völlig anderer Aufbau im Bereich des einfachen Satzes, in dem sie sich u.a. auch deutlich von der Syntax Kühner-Stegmanns unterscheidet.16 Dazu heißt es im Vorwort:

„The most conspicuous difference between this Syntax and Kühner-Stegmann's (and other ones) is that it is not organised along the traditional (indeed ancient) lines of word classes and morphological categories. There is not, for instance, a chapter on the syntax of the adverb, nor one on all the uses of the genitive."

16 Die folgenden Ausführungen lehnen sich an einen Aufsatz zur OLS und zur Cambridge Grammar of Classical Greek (Cambridge 2019; Hoffmann 2020, bes. S. 63ff.) und an eine ausführliche Besprechung (Hoffmann 2016) an.

Bei den 13 Kapiteln des ersten Bandes lassen sich klar drei Hauptteile unterscheiden (Abb. 2): ein einführender Teil, der die ersten drei Kapitel umfasst und in die Sprache, die grammatischen Konzepte und Kategorien einführt (1-70), ein zweiter aus Kapitel 4-10 bestehender Teil, der auf Satzebene die Kernprädikation und Satelliten beschreibt (71-932), und ein dritter Teil der letzten drei Kapitel 11-13, in dem auf Phrasenebene die Strukturen der lateinischen Nominal- und Präpositionalphrase behandelt werden (9331301). Dabei betrifft allerdings auch hier das letzte Kapitel über Kongruenz nicht nur die Phrasenebene allein, sondern sowohl die Satzebene (als „verbal agreement", 1244) als auch die Phrasenebene (als „nominal agreement" in der Normalform, ebd.) und ferner die transphrastische Ebene („cross-clausal": beim Verb ebenso wie bei anaphorischen Pronomina, 1282-1287).

Einführender Teil Beschreibung der Satzebene Beschreibung der Phrasenebene

1: Introduction 4: Verb frames 11: The noun phrase

2: Basic grammatical concepts 5: Active/passive, reflexivity, and intransitivization 12: Cases and prepositions

3: Latin word classes and inflectional categories 6: Sentence type and illocutionary force 13: [Notional] Agreement

7: The semantic values of the Latin tenses and moods

8: Negation

9: Syntactic functions of arguments and the categories of constituents that may fulfil them

10: Satellites

Abb. 2. Der Aufbau des ersten Bandes der Oxford Latin Syntax (nach Hoffmann 2020: 64, Abb. 2)

Wichtig an dieser Einteilung ist, dass nicht etwa die einzelnen Kasus behandelt werden, sonder diese als Ergänzungen und Satelliten in Bezug auf das Verb beschrieben werden. Ebenso wenig werden die Tempora und Modi als eigenständige Themen beschrieben. Sie kommen erst in Kap. 7 zur Darstellung, nachdem in Kap. 4 die verschiedenen Prädikatsrahmen, in Kap. 5 die Diathesen und in Kap.6 die Satzarten beschrieben wurden. Dazu passt auch, dass die Tempora den ganzen Prädikatsrahmen voraussetzen.

3.2. Band 2: Nebensätze im Verhältnis zur Kernprädikation und textgrammatische Elemente

Hier lassen sich die elf Kapitel, von Kap. 14 bis 24, ebenfalls in einer Dreiteilung darstellen, wie dies Abb. 3 veranschaulicht. Der erste und größere Teil umfasst die ersten fünf Kapitel des zweiten Teils, nämlich Kap. 14 bis Kap. 18 und beschreibt nach dem einführenden Kapitel 14 die verschiedenen Arten von Nebensätzen, je nachdem ob sie Argumente (Kap. 15) oder Satelliten (Kap. 16) zu einem Verb sind. Die restlichen beiden Kap. 17 und

18 thematisieren Nebensätze, die von nicht-verbalen Konstituenten abhängen, sei es als Ergänzungen zu Nomina, Adjektiven und Adverbien (Kap. 17) oder als Modifikatoren zu Nominalphrasen in Form von Relativsätzen (Kap. 18). Der zweite Teil beschreibt zuerst in allgemeiner Weise die Koordination und dann zwei typische Erscheinungen, den Vergleich und die sog. Sekundärprädikate („secondary predicates"), die dem traditionellen Begriff der Prädikativa entsprechen (OLS 2: 892). Im dritten Teil schließlich werden drei Bereiche behandelt, die über den eigentlichen Bereich der Syntax hinausgehen und nur als Erscheinungen der Pragmatik beschrieben werden können: die Informationsstruktur von Sätzen einschließlich extraklausaler Ausdrücke (22), die sog. Wortstellung (23) und der Bereich des Textes (24).

Subordination Koordination Pragmatische Kapitel

14: Subordinate clauses: common properties and internal structure 19: Coordination 22: Information structure and extraclausal expressions

15: Subordinate clauses filling an argument position 20: Comparison 23: Word order

16: Subordinate clauses filling a satellite position 21: Secondary predicates 24: Discourse

17: Subordinate clauses with nouns, adjectives, and adverbs

18: Relative clauses

Abb. 3. Der Aufbau des zweiten Bandes der „Oxford Latin Syntax"

4. Einzelvergleich beider Satzlehren

Nach diesen Abschnitten zu den Besonderheiten der Konzeption beider Satzlehren aus recht unterschiedlichen Zeiten sollen nun beide Darstellungen direkt verglichen werden. Dabei werden zunächst die Unterschiede im Vordergrund stehen.

4.1. Unterschiede

iНе можете найти то, что вам нужно? Попробуйте сервис подбора литературы.

4.1.1. Das Korpus an sprachlichem Material

Wie schon weiter oben erwähnt wurde, verwendet der Kühner-Stegmann zahlreiche sprachliche Belege. Wie man dem Stellenverzeichnis von Schwarz und Wertis (1980) entnehmen kann, sind darunter vorwiegend Beispiele aus Cäsar und Cicero zu finden, den an den Schulen meistgelesenen Autoren.17

Die OLS folgt einem besonderen Verfahren. Es werden hauptsächlich zwei verschiedenen Phasen des Lateinischen, dem Altlatein und dem Klassischen, Belege zitiert. Die-

17 Die Cicero-Stellen allein (S. 23-108) machen 85H Seiten aus, mit den 13 S. des Corpus Caesaria-num (S. 5-18) umfassen beide Autoren fast 100 S. im Stellenverzeichnis. Der ganze Livius (S. 129-154) weist dagegen nur 24 S in diesem Index auf.

ses Verfahren wird in der OLS (1,6) damit begründet, dass Belege aus sog. interaktiven Texten — als solche gelten die Texte der Komödien des Plautus, außerdem andere Theaterstücke, Briefe und Reden18 — aus einer funktionalistischen Perspektive heraus „vorzuziehen" seien, in denen zwei oder mehrere konkrete Gesprächsteilnehmer miteinander sprachlich interagieren.19 Pinkster verwendet dabei implizit ein Axiom der Funktionalen Grammatik Diks (1997, 5).

Im Unterschied zu nicht-interaktionalen Texten einer beispielsweise historischen Thematik sind solche Äußerungen immer dialogisch, weil sie stets im Blick auf ein bestimmtes Individuum formuliert sind und eine Antwort implizieren, auch wenn diese wie im Falle eines Briefes aus textsortenspezifischen Gründen nicht direkt gegeben werden kann oder wie im Falle von Reden die Adressaten zu der Rolle von bloßen Zuhörern verpflichtet sind. Natürlich spielt in interaktionalen Texten der sprachliche und außersprachliche Kontext eine viel größere Rolle als in diskursiven Texten.

Außerdem werden „ein oder mehrere Belege aus den Werken Ciceros" zitiert (OLS 1, 5, übers.) gewissermaßen als Korrektiv aus der klassischen Phase, aus der frühere Grammatiken wie der Kühner-Stegmann überwiegend ihr Material nahmen. Dass sich die Analyse nicht auf Texte aus den Werken Ciceros beschränkt, die zu einem nicht geringen Teil, nämlich in den dialogischen Partien mancher philosophischen Schriften,20 interaktiv sind, wird zwar nicht ausdrücklich begründet, scheint aber mit dem zu geringen quantitativen Umfang dieses Korpus zusammenzuhängen.

4.1.2. Die Art und Weise des Satzbegriffs

Während, wie wir in Abschnitt 2 gesehen haben, im Kühner-Stegmann ein dreifaches Satzverhältnis vorliegt, greift die OLS auf eine Konzeption der Prädikation zurück, die den Valenzgedanken und ein mehrfach geschichtetes Satzmodell voraussetzt.

Zu dem dreifachen Modell der Satzverhältnisse ist hier noch anzumerken, dass sich nur das erste und das dritte, nämlich das prädikative und das objektive Satzverhältnis direkt auf das Verb beziehen. Das dritte lässt zunächst an eine antizipierte Valenz-Vorstellung denken, die bekanntlich erst seit den 1959 veröffentlichten „Éléments de syntaxe structurale" von L. Tesnière linguistisches Gemeingut geworden ist. Dafür spricht auch, dass Kühner zwischen valenzgebundenen und nicht-valenzgebundenen Konstituenten mit den Begriffen ergänzen und näher bestimmen sehr wohl zu unterscheiden weiß. Doch sprechen gegen ein Dependenz-Modell bei Kühner klar das gleichzeitige prädikative Verhältnis und die Tatsache, dass das Subjekt nicht zu den 'Bestimmungen' des Verbs zählt.

Umgekehrt ist der Satzbegriff der OLS klar von dem Valenzmodell bestimmt, wenn auch Dik die Begriffe Argumente und Satelliten statt Ergänzungen und freie Angaben, die im deutschsprachigen Raum gebräuchlicher sind (Happ 1976), wählte, die Pinkster übernahm. Drei Gesichtspunkte sind gegenüber dem Begriff der Valenz bemerkenswert, wie er etwa bei Happ gebraucht wird. Erstens gilt es immer auch die qualitative Valenz zu erfassen. Darunter versteht Dik die semantischen Funktionen der Argumente (Dik 1997, 79). Ferner werden zwar die valenzabhängigen Konstituenten in der Kernprädikation er-

18 Vgl. OLS 2, 14.16, 47: „The use of cataphoric pronouns is particularly frequent in interactive texts (e. g. letters, orations, and comedies and tragedies)."

19 Vgl. hierzu Paul 2001; Staffeldt 2016.

20 Zum Beispiel De finibus bonorum et malorum 1-5 oder De legibus 1-3.

fasst (Dik 1997, 77-79), aber darüber hinaus wird diese Kernprädikation auch semantisch in Form einer vierfachen Typologie von Sachverhalten beschrieben (Dik 1997, 105-107). Und schließlich werden bei der Einbeziehung der Satelliten auch verschiedene Schichten, insgesamt vier verschiedene Ebenen, unterschieden.21 Im Unterschied zu dem rein syntaktischen Modell Heinz Happs ermöglicht Diks (und ebenso Pinksters) Valenzmodell eine Integration der Semantik auf verschiedenen Ebenen.

4.1.3. Die Anordnung der gesamten Syntax

4.1.3.1. Kühners Ansatz

Die 1878-79 erstmals erschienene „Ausführliche Grammatik der Lateinischen Sprache" von Raphael Kühner war in ihrem Syntax-Teil ebenso wenig wie die fast 35 Jahre vorher erschiene griechische Vorgängerin konzeptionslos. Beide Satzlehren zeigen nicht nur oberflächlich, sondern an vielen Stellen gerade im Bereich der Syntax des einfachen Satzes, dass die Ideen und Impulse der ,Frankfurter Grammatiker' bei Kühner fruchteten. Aus heutiger Sicht gilt der Kühner-Stegmann als „traditionell", da Beckers Ansatz eine Syntax nach Art der Satzteilgrammatik des 19. Jahrhunderts zu sein scheint. Aber auch heute verwenden noch Linguisten wie der bereits erwähnte Semitist Goldenberg (2013) Beckers Theorie der dreifachen Satzverhältnisse. Wegen seiner zahlreichen Belege ist der Kühner-Stegmann eine solide lateinische Syntax, aber auch weil er deutlich den syntaktischen Reflexionsstand der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit ihren vielen Neuerungen und Impulsen widerspiegelt, die über Wilhelm Wundt und Leonard Bloom-field bis in den amerikanischen Strukturalismus nachwirkten.

4.1.3.2. Die Konzeption der „Oxford Latin Syntax"

Die Konzeption der OLS ist maßgeblich von der Realität des Satzes bestimmt. Diesem syntaktischen Kernbereich gelten insgesamt 15 der 24 Kapitel (4-10; 14-18; 19-21). Daher sind etwa die einzelnen Kasus nicht unter einer eigenen sog. Kasuslehre zu finden, sondern in Bezug auf das Verb nach der Frage angeordnet, ob sie entweder als Argumente fungieren oder als Satelliten. Auch im Bereich des komplexen Satzes gelten wie im Kühner-Stegmann die Nebensätze als Expansionen von Nominalphrasen und werden mit Hilfe des Valenzkonzepts ganz analog zu den Nominal- und Präpositionalphrasen als Argumente und Satelliten betrachtet. Außerdem sind auch die transphrastischen oder textgrammatischen Erscheinungen mit einbezogen (in 22 und 24) und der zentrale Bereich der Wortstellung (23) ist an einer sinnvollen Stelle platziert.

Vergleichbar ist damit im Bereich des einfachen Satzes die Konzeption der drei Satzverhältnisse im Kühner-Stegmann. Jedenfalls handelt es sich bei der OLS um alles andere als eine kategoriale Morphosyntax22 mehr, sondern um eine Satzlehre, die konsequent von der Größe des Satzes aus die Strukturen beschreibt.

21 Level 1 Satellites: Dik 1997, 225-232; Level 2 Satellites: ebd. 243-245; Level 3 Satellites („ Attitudinal Satellites"): ebd. 297-299; Level 4 Satellites („Illocutionary Satellites"): ebd. 304-307.

22 Der Ausdruck geht teilweise auf Hansjakob Seiler zurück, der in seinem Buch „Relativsatz, Attribut und Apposition" (Wiesbaden 1960, 45 f.) die Satzlehre von Schwyzer (1950) als „Morphosyntax" bezeichnet, die „ihrem Wesen nach eine erweiterte Morphologie" sei und „mit den Kriterien und Techniken [arbeite], die dieser Domäne eigen" seien. So beginnen beispielsweise die Syntax von J. B. Hofmann (1928) und

4.1.4. Die Stellung der Kasussyntax

Eine nicht unwichtige Frage lautet, wo die Kasussyntax genau platziert ist. In der AGLS ist sie ganz systemgerecht in Kapitel 3 unter dem „Objektiven Satzverhältnis" als Abschnitt I vor Abschnitt II, der „Lehre von den Präpositionen", platziert. Denn die Kasus seien die Ausdrucksweisen für die unterschiedlichen „Objekte" in Bezug auf das Verb.

Im 9. Kapitel verfährt die OLS jedoch anders. Sie geht von den syntaktischen Funktionen aus, die die Kasus im Satz haben können, und ordnet die einzelnen Fälle diesen Funktionen zu. Nach Kap. 2 unterscheidet Pinkster folgende fünf Kasusfunktionen (vgl. Abb. 4; OLS 1, 28-30.):

1. Subjekt (9.1)

2. Objekt (9.12)

3. Indirektes Objekt (9.18) und andere dritte Argumente (9.19)

4. Subjekt-Komplement (9.21)

5. Objekt-Komplement (9.39)

Abb. 4. Die Kasusfunktionen in der „Oxford Latin Syntax" (nach Hoffmann 2020: 71, Übers.4)

Im Anschluss daran werden diese Funktionen u. a. durch das morphosyntaktische Mittel der Kasus beschrieben. Der Benutzer wird also nicht wie in der AGLS alles zum morphologischen Kasus zusammengestellt finden, sondern muss stets von der Funktion des konkreten Kasus ausgehen.

Beim Vergleich beider Kasus-Konzeptionen kann man im ersten Falle von einer mor-phologisch-kategorialen Konzeption im Sinne dessen, was am Ende von 4.1.3 und besonders in Anm. 22 ausgeführt worden war, im zweiten von einer syntaktisch-funktionalen Konzeption sprechen, wobei es aber in der OLS 1 ein besonderes Kapitel zu den Kasus und Präpositionen gibt, nämlich Kapitel 12 mit dem Titel „Cases and Prepositions" (1176-78).

4.1.5. Verständnis und Einordnung infiniter Konstruktionen

In 2.1 war bereits in Bezug auf die AGLS der inkonsequent gewählte Beschreibungsort der sog. „Partizipialien" in Kap. 5 des ersten Teilbandes erwähnt und die rein katego-riale Platzierung dieses syntaktischen Abschnittes festgestellt worden.

Die OLS bringt dagegen die einzelnen infiniten Konstruktionen, den Akkusativ mit Infinitiv, die Partizipial- und die Gerundialsätze, unabhängig von der Infinitheit des Verbs, an den entsprechenden funktionalen Systemstellen im zweiten Band zum „Com-plex Sentence". Der AcI erscheint also in Kap. 15 „Subordinate clauses filling an argument position" ab Abschnitt 91 über „Infinitival argument clauses" (z.B. Vera volo loqui te, nolo assentari mihi, Pl. Am. 751).23 Dagegen werden absolute Partizipialsätze, besonders der Ablativus absolutus, „[t]he most commonly known participial satellite clause",24 im folgenden Kapitel 16 über „Subordinate clauses filling a satellite position" beschrieben, näm-

die Nachfolgerin des Hofmann-Szantyr, nach Vorbemerkungen mit den sog. „Nominale[n] Kategorien" (364-366), wo die ganze Kasuslehre zunächst folgt (372 ff.), aber auch die Syntax des Adjektivs (454-457), der Pronomina (468-470), der Zahlwörter (492-493) und der Präpositionen (494-496).

23 Übers.: 'I want you to tell the truth, I don't want you simply to agree with me.' (OLS 2, 152)

24 Was das altlateinische Vorzugskorpus betrifft, so seien solche Konstruktionen „relatively rare in the comedies of Plautus and Terence" (OLS 2, 309).

lich ab Abschnitt 88 (z. B. Expositis militibus naves eadem nocte Brundisium a Caesare remittuntur ... Caes. Civ. 3.6.3-8.1).25

4.1.6. Zum Umfang oder Geltungsbereich der Syntax

Der Kühner-Stegmann beschreibt nur die satzbezogenen Phänomene, da es zu seiner Zeit noch keinen Textbegriff gab. In der „Syntaxe des zusammengesetzten Satzes" wird zwar als erstes die „Beiordnung" eingehend beschrieben, aber stets als eine rein satzmäßige Erscheinung, die nur der Verbindung der Einzelsätze diene. Natürlich darf dabei wissenschaftsgeschichtlich nicht übersehen werden, dass eine solche transphrastische oder Textsyntax, wie sie die OLS im letzten Kapitel anschließt, ein relativ neuer Gegenstand ist und im 19. Jahrhundert erst spät ins Blickfeld geriet.

Dagegen wendet sich die OLS in dem Schlusskapitel 24 auch dem Phänomen Text („Discourse")26 zu (OLS 2, 866-935), der jedoch, wie Pinkster selbst sagt, als linguistischer Bereich noch „ziemlich neu" („fairly recent", OLS 2, 866) sei.

Zunächst beschreibt Pinkster die verschiedenen Formen der Anapher (870-884), u.a. auch die Nullanapher (873 f.). Das anschließende Interesse gilt der asyndetischen und hauptsächlich der syndetischen Koordination (884-886), wobei die zweite Art die Beschreibung von Konnektoren bildet, mit denen Sätze zu höheren Einheiten verbunden werden (885-931). Dabei werden auch einige sog. „interaktionale Partikeln" (IP) wie enim unterschieden (913-916).

Auf fast 40 Seiten beschreibt Pinkster die lateinischen Diskurspartikeln (s. Abb. 5), wie der übergeordnete Terminus lautet.27

-que verum etenim

ac/atque contra quippe

et tamen enim (IP)

nec/neque nihilominus nempe (IP)

ast vero igitur

at etsi itaque

atqui tametsi ergo (IP)

autem quamquam deinde

ceterum nam tum

sed namque

Abb. 5. Diskurspartikeln nach der Oxford Latin Syntax (2: 886-922)

25 Übers.: 'Once the soldiers were on land, Caesar sent the ships back to Brundisium the same night ...'

26 Pinkster verwendet bewusst den englischen Terminus discourse wegen der Ambivalenz des vor allem im Deutschen üblichen Begriffs Text (OLS 2, 866).

27 Contra, tamen und nihilominus werden einfach als „adverbs" bezeichnet (OLS 2, 903 f.).

Dass hier die Ebene des Textes gemeint sei, gehe daraus hervor, dass es sich in der Regel um mehr als einen Satz handele.28 Daher sind also die meisten Ausführungen in diesem Kapitel 24 nicht an sich neu, sondern erst in Bezug auf die Perspektive Diskurs. Aufschlussreich ist hierzu auch die Typologie der Text- oder Diskurstypen („text types [or discourse modes]", 867) im 3. Paragraphen dieses Kapitels (867-870), das sich auch auf Abschnitt 2.13 im ersten Band bezieht (OLS 1, 32-33) und das folgende Kap. 4 zum Textzusammenhang („discourse coherence", 870).

Aus diesen Parametern ergeben sich als Textsorten narrative, argumentative oder peruasorische, didaktische oder belehrende, deskriptive und erklärende Typen.29 Natürlich seien in einem Text wie einer Cicero-Rede „Pro Milone" mehrere solcher Texttypen zugleich vorhanden. Nur der historische Texttyp sei aber gut erforscht. Auch zur Textkohärenz macht die OLS einige aufschlussreiche Ausführungen (OLS 2, 870), die deutlich zeigen, dass es hier nicht nur um ein neues Etikett 'Text' geht, sondern dass die OLS klar eine neue Dimension der syntaktischen Analyse eröffnet.

4.2. Gemeinsamkeiten

Beide lateinischen Satzlehren, die AGLS und die OLS, haben ungeachtet der gerade erörterten Unterschiede einige nicht unwichtige Gemeinsamkeiten, die es rechtfertigen, dass Pinkster die OLS als „up-to-date successor of that monumental work" (OLS 1, xxxi), als moderne Nachfolgerin des Kühner-Stegmanns bezeichnet.

4.2.1. Korpusbasierte Satzlehren

Wie bereits erwähnt, arbeiten beide Satzlehren mit einem umfangreichen Korpus, auch wenn sich darin vor allem das klassische Prosa-Autoren umfassende Korpus des Kühner-Stegmanns von dem vorwiegend interaktionalen Korpus der OLS deutlich un-terscheidet.30

Die Beleg-Anzahl im Kühner-Stegmann lässt sich anhand des Index Locorum von Schwarz und Wertis (1980) relativ leicht annäherungsweise berechnen: Das gesamte, in einem eigenen Buch von über 250 Seiten ausgewertete Belegmaterial umfasst etwa 56.000 Belege.31

Die Werte der OLS bestehen aus zwei Teilwerten. Der eine Teilwert lässt sich anhand der im „Index locorum" aufgeführten ausführlicher behandelten Belegstellen relativ schnell berechnen. Er beträgt 14.000. Außerdem gibt es aber noch den Bereich der „Sup-

28 Vgl. die Definition: „As a rule, they [the linguistic units, R. H. ] contain more than one sentence." (OLS 2, 866).

29 „In addition to 'narrative', 'argumentative' (or: 'persuasive'), and 'didactic' (or: 'instructive') texts [...] it is common to distinguish 'descriptive' and 'expository' text types" (OLS 2, 868).

30 Eine Zugabe an die heutige Zeit, d.h. an die immer geringeren Sprachkenntnisse von Lateinstudenten (Pinkster 2015b, 174), ist dabei die Versehung aller Kernbelege in der OLS mit einer englischen Übersetzung.

31 In der Regel sind auf jeder der 252 Seiten 4 Spalten zu je 57 Zeilen angeordnet, die aber durch Leerzeilen wegen einiger Zwischentitel nicht immer vollzählig sind. Manchmal finden sich wegen breiterer Stellenangaben nur drei oder zwei Spalten pro Seite. Ich habe 5 gleich weit auseinander liegende Seiten berechnet und den Durchschnitt daraus mit 252 multipliziert: S. 50: 4x57 = 228; S. 100: 4x57 = 228; S. 150: 1x56 + 3x57 = 227; S. 200: 3x57 + 1x41 = 212; S. 250: 2x57; 1x56; 1x55 = 225; £ = 1120 : 5 = 224x252 = 56.448. Diesen Wert runden wir auf glatte 56.000 Belege im K-St ab.

plements", die dort nicht aufgeführt sind und berechnet werden müssen. 32 Dieser Wert ergibt genau 14.282 Stellen. Insgesamt haben also beide Bände der OLS rund 28.000 Stellen.

Daher beträgt die Gesamtzahl des K-St genau das Zweifache des Wertes der OLS. 33 Der K-St verwendet also etwa die doppelte Beleg-Zahl der OLS. Dies hat zwei Gründe: die oft kürzere Zitierung im K-St, die meist ohne Übersetzung und als bloße Stellenangabe geschieht, außerdem die noch zu erläuternde Vermehrung der Belege in der Neubearbeitung durch Stegmann. Dennoch ist die besondere Materialfülle dieser Satzlehre charakteristisch, die ihr später den polemischen Ruf einer „rohe[n] Materialhäufung" eingebracht hat. 34 Um diese Materialfülle des K-St zu belegen, wähle man als beliebige Doppelseite im K-St die S. 382 f. (über den „Ablativ als Vertreter des Instrumentalis usw."). Sie besteht aus knapp einem Drittel Text und zwei Dritteln Anmerkung, wobei der Text 36 Belege und die Anmerkungen 98 Belege enthalten. Die ganze Doppelseite hat also 134 Belege, von denen die meisten kurz zitiert und nur flüchtig kommentiert werden, wenn etwa statt eines Ablativs eine Präpositionalphrase erscheint. In der Erstausgabe hatte diese Partie (S. 281, 11. Zeile von unten bis S. 283, Anm. 5, 4. Zeile) nur 84 Belege.

Um die hier auch interessante Autorenverteilung für die Supplement--Belege mit zu berechnen, wird dieser Wert für 1.000 repräsentativ über den gesamten ersten Band 35 verteilte Stellen berechnet und auf den Gesamtwert hochgerechnet. Dabei werden die 1.300 Seiten in zehn Einheiten zu 130 Seiten eingeteilt und jeweils die ersten hundert Stellen autorenmäßig verteilt. Daraus lassen sich die entsprechenden ungefähren Werte für die Gesamtzahl hochrechnen (Abb. 6).

Supplement Plautus Cicero Mit Corpus Caesarianum Andere Autoren Gesamtmenge

1000 Belege 172x 240x 283x 545 1000

Gesamtmenge 1098 1532 1806 3479 6383

Abb. 6. Verteilung von 1.000 Belegstellen des Supplements nach den vier Autorengruppen und Hochrechnung auf die Gesamtmenge von 6.383.

Die anhand des Index locorum ebenfalls leicht berechenbaren Werte der OLS einer Gesamtmenge von etwa 5.000 Stellen lauten: Plautus: 1.700;36 Cicero: 1.400; Corpus Cae-sarianum: 185; andere Autoren: 1.715 Stellen. Bei dem Vergleich beider Grammatiken werden zwei Tabellen angelegt, eine, in der nur die 5.000 Hauptbelege der OLS 1 herangezogen werden, und eine zweite mit allen Belegen, bei denen aber bei knapp der Hälfte

32 Vgl. die Bemerkung am Anfang des Stellenregisters: „The additional examples given in the Supplements are not included." (1361, Hinweis von H. P.).

33 55.000 : 2 = 27.500 : 5000 = 5,5.

34 So J. B. Hofmann in der mit M. Leumann neu bearbeiteten Lateinischen Grammatik von 1926, S. 346, dem späteren Hofmann & Szantyr, wozu sich viel kritisch sagen ließe, was hier nicht möglich ist, vgl. Hoffmann 2017, 148-149 f.

35 Der unmittelbar vor Manuskriptschluss erschienene zweite Band konnte bei dieser feineren Autorenrechnung nicht mehr in ähnlicher Weise eingearbeitet werden, dürfte aber das Ergebnis kaum verändern

36 Hier wird nur Plautus als Hauptvertreter der Alten Komödie berücksichtigt. Terenz, von dem 220 Belege in der OLS 1 zitiert werden, macht gegenüber Plautus aus nur 12.9 %.

der Belege der OLS 1, nämlich 47 %, die Autorenanteile nur statistisch erschlossen werden konnten.

Syntax Plautus % Cicero % Mit Corpus Caesarianum % Andere Autoren % Gesamtmenge %

K-St 4800 8,6 19300 34,45 21700 38,75 29500 52,65 56000 100

OLS 1a 1700 34,0 1400 28 1585 31,7 1715 34,3 5000 100

OLS 1b 1098 17,2 1532 24 1806 28,29 3479 54,51 6383 100

OLS 1 2798 24,58 1932 16,97 3391 29,79 5194 45,63 11383 100

Abb. 7. Verteilung des Korpus in beiden Satzlehren (bei Unterscheidung eines kleineren und eines größeren Korpus in der OLS 1)37

Im Vergleich mit der OLS ist besonders die Relation der Zahlen von Plautus, Cicero und dem Corpus Caesarianum aufschlussreich, die im Kühner-Stegmann 4.800, 19.300 und 2.400 betragen. Das bedeutet, wie Abb. 7 zeigt: Cicero allein bildet 34.45 %, mit Cäsar zusammen 38.75 %, während Plautus nur 8.6 % beträgt. In der OLS 1 betragen die Prozentwerte im kleineren Korpus 1 28.0 % für Cicero allein und mit Cäsar zusammen 31.7 %, im größeren Korpus 17.0 % und 29.8 %. Plautus hat hier also einen weit höheren Anteil mit 34.0 % bzw. 24.6 %. Das heißt, dass in der neuen Syntax die beiden Autoren des republikanischen Lateins um etwa 7 % bzw. 17.5 % zurückgedrängt sind, während Plautus fast viermal so oft zitiert wird und damit ein deutliches Gegengewicht gegen Cäsar und Cicero bildet.38

Insgesamt zeigt der Vergleich also, dass die 28.000 Belege der OLS zwar eine hohe Zahl sind, die aber im 19. Jahrhundert um das Doppelte überboten wurde.39 Doch ist bei der OLS zu betonen, dass genau die Hälfte bzw. 14.000 aller 28.000 Belege als „examples that are explicitly discussed" (OLS 1: 8), als ausdrücklich analysierte Hauptbelege, besser integriert und ausgewertet sind. Ohne Polemik kann man behaupten, dass die OLS zwar eine geringere Belegmenge hat, sie aber in der Hälfte der Belege viel mehr auswertet, während Kühner-Stegmann eine viel größere Belegmenge hat, sie aber weniger analysiert. Umgekehrt zeigen die höheren Werte, dass der Kühner-Stegmann weiterhin auch ein wichtiges Arsenal für Belegstellen bleiben wird.

4.2.2. Einzelsprachliche Syntax

Im Blick auf den Kühner gilt es zu betonen, dass der Autor in der Regel ganz beim Lateinischen bleibt und nur wenige Bezüge zum Altgriechischen bringt. Was typologische Vergleiche betrifft, so hatte zwar eine Sprachtypologie bereits zu Anfang des 19. Jahrhun-

37 Das erste Korpus (OLS 1a) berücksichtigt nur die 5.000 ausführlich zitierten Belege, das zweite Korpus (OLS 1b) nur die 6383 Belege des Supplements, von denen jedoch die Autorendistribution von 5383 Belegen nur auf einer Hochrechnung beruht. Das gesamte Korpus (OLS 1) umfasst alle 11.383 Belege.

38 Für Bd.2 lauten diese Werte bei einer Gesamtzahl von 9.063: Plautus: 2987 (33.0 %), Cicero: 2714 (29.9 %), Cäsar-Korpus: 425 (4.7 %), andere Autoren: 2937 (33.0 %).

39 Rechnet man die etwa 60 % Vermehrung in der Neubearbeitung durch Stegmann auf das ganze Werk hoch, so wären es in der Erstauflage (55.000 — 60 %) nur 12.000 Belege gewesen, was die anfänglich große Zahl doch wieder etwas relativieren würde.

derts begonnen (Plungian 2001), sie war aber noch allgemein zu wenig bekannt, um in einer altsprachlichen Satzlehre rezipiert zu werden.

iНе можете найти то, что вам нужно? Попробуйте сервис подбора литературы.

Die Situation war zur Zeit der Abfassung der OLS eine völlig andere. Das typologi-sche Paradigma gehört heute zu den führenden neueren Theorien innerhalb der allgemeinen Sprachwissenschaft.

Eine „typologische Adäquatheit", die Dik als dritte von drei Adäquatheiten seiner Theorie formuliert (Dik 1997, 14f.) ist ein zentraler Teil der Theorie der Funktionalen Grammatik.40 Bekanntlich gehörte Dik auch zu den Initiatoren des Eurotyp-Projektes, in dem verschiedene sprachliche Bereiche wie die Wortstellung41 und die Argumenten-struktur42 in den Sprachen Europas typologisch beschrieben und in acht umfangreichen Bänden von 1998 bis 2004 veröffentlicht wurden. Sprachtypologie eröffnete also klar eine neue Dimension der syntaktischen Analyse.43

Dennoch setzte Pinkster zwar als Ausgangs- oder Zielpunkt seiner syntaktischen Beschreibungen das typologische Paradigma nicht ein, zeigte aber, im Unterschied zu früheren Äußerungen,44 mehr Verständnis für diesen linguistischen Ansatz. So schrieb er am Ende des schon zitierten Abschnittes 1.9 der Einleitung:

„The recent attention devoted to typology is a welcome source of inspiration, but the generalizations obtained by typological studies should naturally not dictate the analysis of a

particular language" (OLS 1: 7).

Nach diesem Zitat Pinksters hat jedoch eine einzelsprachliche Analyse stets Vorrang vor allen typologischen Verallgemeinerungen. Diese darf zwar eine „Quelle zur Inspiration" sein, nicht jedoch die einzelsprachliche Analyse „diktieren", d. h. in bestimmte allgemeinere Bahnen lenken, die nicht recht zu dem einzelsprachlichen Befund passen.

4.2.3. Rein deskriptive Darstellungen

Dieser Punkt ist vielleicht die wichtigste Gemeinsamkeit. Dabei waren und sind die Gegenpole andere. Ging es zu Kühners Zeit mehr um den Gegensatz 'deskriptiv' vs. 'normativ', so lautet der moderne Gegenbegriff im Falle der OLS 'erklärend', was in seiner Negierung ein gängiger Vorwurf von Vertretern des formalen Paradigmas gegenüber funktionalen Theorien wie der Funktionalen Grammatik Diks ist, dass sie nämlich zu wenig erklären würden.

Was die OLS betrifft, so heißt es im Abschnitt 9 des ersten Kapitels des ersten Bandes:

40 Man beachte auch Diks subtile Polemik gegen formal-generative Ansätze in der Formulierung „some unfortunate whim of the history of linguistics."

41 Anna Siewierska (Hg.). Constituent Order in the Languages of Europe. (Empirical approaches to language typology; 20-1; Berlin & New York 1998).

42 Jack Feuillet (Hg.). Actance et Valence dans les Langues de l'Europe. (Empirical approaches to language typology; 20-2; Berlin & New York 1998.)

43 So heißt es im General Preface von Ekkehard König, das jedem der 8 Bände vorausgeht: „The project proposal formulated and sent out by Simon Dik (University of Amsterdam) as Chair of this committee met with very supportive and enthusiastic reactions [...]." (König 1998, V.)

44 So versuchte Pinkster in der früheren „Latijnse syntaxis en semantiek" von 1984 in dem Kapitel zur Wortstellung zu zeigen (bes. S. 234f.; ähnlich 1988, 281-282 u. 1990, 187-188), dass verschiedene neuere typologische Versuche zur Erklärung der lateinischen Wortstellung seiner Meinung nach widersprüchlich und wenig überzeugend seien. Als Erklärung könnte man hier hinzufügen, dass sich Pinkster hierbei mehr gegen ein einseitig syntaktisches Verständnis wandte, das zu wenig die Pragmatik berücksichtigte.

„This Syntax is essentially a descriptive syntax, in the tradition of grammars such as that of Kühner-Stegmann (1912): it tries to define the rules underlying the utterances that are actually attested (and deviations from these rules, insofar as they are significant for future developments). It is not an attempt at systematically describing the evolution of the Latin language, but changes are noted where relevant, with occasional remarks on developments in the Romance languages. It also does not aim systematically to derive Latin constructions from reconstructed Indo-European predecessors, except for certain constructions that have raised much discussion in the (recent) past. It therefore differs fundamentally from (Hofmann and) Szantyr's Handbuch (1972)." (OLS 1: 7)

Dieser rein-deskriptive Charakter der OLS wirkt in manchen Fällen auch als selbstironisches Understatement, wenn man an den Exkurs zur Prioritätenfrage von Gerundium und Gerundivum (OLS 1: 301-305) oder an das Kapitel über die Wortstellung (OLS 2: 722-864) denkt. Außerdem schließt diese Form der Darstellung nicht die Verpflichtung an eine feste linguistische Konzeption aus. Dies wird gleich im nächsten Abschnitt deutlich, wo sich Pinkster zu einer funktionalen Betrachtungsweise der Sprache im Sinne der Theorie S. C. Diks vorbehaltlos bekennt (OLS 1: 7).

Dies bedeutet implizit auch eine Absage an jegliche Form formaler Sprachtheorien. Im Lateinischen mag man dabei vor allem an die Monographie von Lieven Danckaert (2005) denken, die als eine von L. Haegemann betreute Dissertation entstand.45 Im Bereich der Funktionalen Grammatiktheorie wird man an den konsequenten Verzicht auf Transformationen (Dik 1997: 19-21: „Avoid Transformations") und die Absage abstrakter semantischer Prädikate (ebd.: 23) erinnert.

Beide Syntax-Entwürfe, der Kühner-Stegmann und die Oxford Latin Syntax, sind unterschiedliche Möglichkeiten, den lateinischen Satz zu verstehen, und werden beide nach wie vor zur Lösung syntaktischer Probleme herangezogen werden.

Literatur

Austin P. K., Sallabank J. (Hgg.). The Cambridge Handbook of Endangered Languages. Cambridge, Cambridge University Press, 2011. Becker H. Karl Ferdinand Becker. Neue Deutsche Biographie 1953, 1, 710-711.

Becker K. F. Organism der Sprache. Zweite neubearbeitete Ausgabe. Frankfurt a. M., G. F. Kettembeil, 21841 (online zugänglich).

Danckaert, Lieven. Latin Embedded Clauses. The Left Periphery. Linguistik Aktuell/ Linguistics Today, 184;

Amsterdam — Philadelphia, Benjamins, 2012. Dik, Simon C. The Theory of Functional Grammar. Part 1: The Structure of the Clause. Second, revised edition

ed. by Kees Hengeveld. Berlin — New York, Mouton de Gruyter, 21997. Dik, Simon C. (Hg.). Valentie in Funktionele Grammatika. Tijdschrift voor Taal- en Texstwetenschap 1985, 5.2.

Feldbausch F. S. Lateinische Schulgrammatik. Die mittlern und obern Gymnasialclassen. Heidelberg, Groos, 1837.

Forsgren Kj. A. Die deutsche Satzgliedlehre 1780-1830. Zur Entwicklung der traditionellen Syntax im Spiegel einiger allgemeiner und deutscher Grammatiken. Göteborger Germanistische Forschungen 29; Göteborg, Acta Universitatis Gothoburgensis, 1985. Givon T. Syntax, 2 Bde. Amsterdam — Philadelphia, Benjamins, 2001.

Goldenberg G. Semitic Languages: Features, Structures, Relations, Processes. Oxford, Oxford University Press, 2013.

45 Vgl. hierzu die Besprechung von Hoffmann (2014).

Happ H. Grundfragen einer Dependenz-Grammatik des Lateinischen. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1976.

Haselbach G. Grammatik und Sprachstruktur. Karl Ferdinand Beckers Beitrag zur Allgemeinen Sprachwissenschaft in historischer und systematischer Sicht. Berlin, De Gruyter, 1966.

Haspelmath M. u.a. (Hgg.). The World Atlas of Language Structures. Oxford, Oxford University Press, 2005.

Hoffmann R. Rez. Danckaert 2012. Kratylos 2014, 59, 232-237.

Hoffmann R. Rez. Pinkster 2015a. Kratylos 2016, 61, 163-178.

Hoffmann R. Die syntaktische Konzeption der»Ausführlichen Grammatik der lateinischen Sprache«von Raphael Kühner (1878-1879)1. Gymnasium 2017, 124, 145-179.

Hoffmann R. K. F. Beckers Lehre von den Satzverhältnissen, die lateinische Grammatik des 19. Jahrhunderts und die heutige Linguistik. Gymnasium 2018, 125, 355-378.

Hoffmann R. Die „Oxford Latin Syntax" und die „Cambridge Grammar of Classical Greek": zwei neuere Grammatiken im Bereich der alten Sprachen. Gymnasium 2020, 127, 53-76.

Hofmann J. B. Syntax und Stilistik, in: Stolz-Schmalz. Lateinische Grammatik. Handbuch der Altertumswissenschaft 2.2, in 5. Aufl. völlig neu bearbeitet v. Manu Leumann und Joh. Bapt. Hofmann; München, Beck, 1928, 345-856.

König E. General Preface. Z. B. in: Siewierska, Anna (Hg.'). Constituent Order in the Languages of Europe. Eurotyp 20-1 (bis Eurotyp 20-8); Berlin — New York, Mouton de Gruyter, 1998, v-vii.

Krüger G. Th. A. Grammatik der lateinischen Sprache. Zweite Abtheilung: Satzlehre nebst Beigaben. Neue, gänzlich umgearbeitete Ausgabe von August Grotefend. Hannover: Hahnsche Hofbuchhandlung, 1842 (online zugänglich).

Kühner R. Versuch einer neuen Anordnung der griechischen Syntaxe, mit Beispielen begleitet. Hannover, Hahn'sche Hofbuchhandlung, 1829 (online zugänglich).

Kühner R. Ausführliche Grammatik der Griechischen Sprache. Wissenschaftlich und mit Rücksicht auf den Schulgebrauch. Zwei Teile. Hannover, Hahnsche Hofbuchhandlung, '1834-35 (= 'AGGS, online zugänglich).

Kühner R. Ausführliche Grammatik der Griechischen Sprache. 2. Theil, 2 Abtheilungen: Syntaxe. Hannover, Hahnsche Hofbuchhandlung, 21870-72 (online zugänglich). Neueste Auflage: Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2015.

Kühner R. Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache. 2. Band, 2 Abtheilungen: Dritter Theil. Syntaxe. 1. Abthlg.: Syntaxe des einfachen Satzes; 2. Abthlg.: Syntaxe des zusammengesetzten Satzes. Hannover, Hahnsche Buchhandlung, 1878-79 (= AGLS, online zugänglich).

Kühner R. — Stegmann C. 2(1914). Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache. 2. Band, 2 Abtheilungen: Dritter Teil. Syntax. Hannover, Hahnsche Buchhandlung.

Paul I. Interaktionsforschung/Sozialpsychologie und ihre Bedeutung für die Gesprächsanalyse, in: Kl. Brinker u. a. (Hgg.). Text- und Gesprächslinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. Berlin — New York, 2001, 903-908.

Pfister R. Zur Geschichte der lateinischen Grammatik. Teil 2: Satzgliedsystem Becker-Herling; 20. Jahrhundert, in: Akademie für Lehrerfortbildung Dillingen (Hrsg.). Linguistik für Latinisten (Akademiebericht 9), 1972, 28-38.

Pinkster H. Latijnse syntaxis een semantiek. Amsterdam, 1984.

Pinkster H. Lateinische Syntax und Semantik. Übers. v. Fr. Heberlein u. Th. Lambertz. Tübingen, Francke, 1988.

Pinkster H. Latin Syntax and Semantics. Übers. v. H. Moulder. London, Routledge, 1990.

Pinkster H. (2015a; i. Ersch). Oxford Latin Syntax. Two volumes. Vol. 1: The Simple Clause; Vol. 2: The complex Sentence. Oxford, Oxford University Press.

Pinkster H. (2015b). Een nieuwe syntaxis voor een dode taal? Lampas. Tijdschrift voor classici 2015, 168-187.

Plungian, Vladimir J. 'Agglutination and flection'. In: Haspelmath, Martin u.a. (Hgg). Sprachtypologie und sprachliche Universalien. Ein internationales Handbuch. Berlin & New York, De Gruyter, 2001, Bd.1, 669-678.

Quirk R. u. a. A Comprehensive Grammar of the English Language. London, Longman, 1985.

Schwarz G. S. — Wertis R. L. Index Locorum zu Kühner-Stegmann „Satzlehre". Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1980.

Staffeldt S. Interaktionale Linguistik, in: H. Glück — M. Rödel (Hgg.), Metzlers Lexikon Sprache, 5. Aufl., Stuttgart, Metzler, 2016, 301.

Weissenborn H. J. Chr. Lateinische Schulgrammatik. Eisenach, 1838.

The "Kühner-Stegmann" of 1914 and the "Oxford Latin Syntax" of 2015 and 2021: Comparing Two Examples of a Latin syntax of Different Times and Different Approaches

Roland Hoffmann

Gymnasium Nieder-Olm, Am Gonsenheimer Spieß 37, D-55122 Mainz, Germany; rohoffi@web.de

For citation: Hoffmann R. The "Kühner-Stegmann" of 1914 and the "Oxford Latin Syntax" of 2015 and 2021: Comparing Two Examples of a Latin syntax of Different Times and Different Approaches. Philo-logia Classica 2021, 16 (1), 138-157. https://doi.org/10.21638/spbu20.2021.112 (In German)

Comparing the grammars of so-called dead languages is particularly fascinating. The article compares two syntactic accounts from completely different time periods — a traditional and still well-known one from the 19th century and a modern one that has currently been published: the syntactic part of the "Ausführliche Grammatik der Lateinischen Sprache" by Raphael Kühner from 1878 and 1879, and the "Oxford Latin Syntax" by Harm Pinkster from 2015 and 2021. First, the general concepts are introduced: Karl Ferdinand Becker's theory of the three syntactic relations (2.1), S. H. A. Herling's theory of the equivalence of sentence parts and subordinate clauses (2.2), as well as the modern functional approaches of the theory of the simple clause (3.1) and the complex sentence (3.2). Six differences between the two Latin syntactic concepts are discussed. Three common aspects are taken into consideration, namely the corpus-based approach, the restriction to a single language, and the purely descriptive method as opposed to a normative or more formal approach. Among the results, it is concluded that both grammatical systems of the Latin syntax are legitimate and both should be used to address questions concerning Latin syntax.

Keywords: argument, clause, corpus, functional approach, functional grammar, satellite, sentence relation (predicative, attributive, objective), syntax (of Latin), typology.

Received: October 23, 2020 Accepted: March 26, 2021

i Надоели баннеры? Вы всегда можете отключить рекламу.