UDC 821.124
Philologia Classica. 2018. Vol. 13. Fasc. 1
Der Durst des Hercules:
Kallimachos, Augustus und die Liebeselegie in Properz 4, 9
Alexander Kirichenko
Humboldt Universität zu Berlin,
Unter den Linden 6, 10099 Berlin, Deutschland; [email protected]
For citation: Alexander Kirichenko. Der Durst des Hercules: Kallimachos, Augustus und die Liebeselegie in Properz 4, 9. Philologia Classica 2018, 13(1), 82-94. https://doi.org/10.21638/11701/spbu20.2018.106
This article interprets the thirsty Hercules of Propertius 4.9 as a mixture of a proto-Augustan figure, an elegiac lover, and a Callimachean poet. It argues that this image can be read as a metapoetic symbol of the transformation of Roman elegy from an erotic into a political genre, which Propertius enacts in his entire poetic oeuvre. The article begins by drawing attention to the fact that, by analogy with Virgil's treatment of the Heracles-Cacus-episode in Aeneid 8, the poem ends like a cletic hymn, which, curiously enough, urges Hercules not to appear in a cultic context but 'to be present in my book' (Prop. 4.9.72 libro ... inesse meo). It then analyzes parallels between the Hercules narrative of 4.9 and the overall poetic trajectory of Propertius 1-4, drawing particular attention to the portrayal of Cynthia as a notional synonym of Propertius' erotic elegy in Books 1-3 and to the gradual emergence of Augustus' infinitely expanding empire as a preferred object of an eroticized longing, which becomes fully apparent in Book 4. Finally, it shows that the poem's allusions to Callimachus' Hymns (the Bath of Pallas, the Hymn to Zeus, and the Hymn to Apollo) constitute the core of its metapoetic meaning, and argues that Propertius' version of 'Callimachean poetics' consists in staging a transformation of the elegiac desire for the unattainable into an act of heroic / imperial conquest.
Keywords: Propertius, Roman elegy, Callimachus, symbolic images.
Nachdem Properz die ersten drei Bücher seiner Elegien damit verbracht hat, seine Geliebte Cynthia zu besingen, kündigt er im Prolog zum vierten Buch überraschend an, dass er ab jetzt nur von „heiligen Bräuchen und festlichen Tagen und alten Ortsnamen singen will" (Prop. 4, 1, 69: sacra diesque canam et cognomina prisca locorum).1 Seine patriotische Tirade wird aber vom ägyptischen Astrologen Horos unterbrochen, der dem Dichter nahelegt, er solle weiterhin das tun, was er immer schon am besten konnte — nämlich seine endlos begehrenswerte Geliebte zu besingen: „Aber du dichte Elegien, ein trügerisches Werk" (Prop. 4, 1, 135: at tu finge elegos, fallax opus), sagt der Astrologe, indem er sich auf die Autorität des Apoll beruft.2 Tatsächlich zeigen die 10 Gedichte, die dem Prolog folgen, dass die beiden Alternativen sich keineswegs gegenseitig ausschließen. Einige der Gedichte des vierten Buchs entsprechen zwar genau der einleitenden Selbstbezeichnung des Properz als „römischer Kallimachos" (Prop. 4, 1, 64: Umbria Romanipatria Callimachi) — als ein Dichter, der die mythischen Ursprünge religiöser Bräuche erklärt.3
1 Zum aitiologischen Programm des 4. Buchs siehe Miller 1982, 380-383; DeBrohun 2003, 9-13; Hut-chinson 2006, 1-16.
2 Prop. 4.1.135-147. Zur Einheit des Gedichts siehe Miller 2004, 186; Hutchinson 2006, 59-62.
3 Vgl. Kirichenko, im Druck.
© St. Petersburg State University, 2018
Gleichzeitig spielt aber die elegische Begierde auch in diesem Buch weiterhin eine wichtige Rolle.4
In keinem anderen Gedicht des vierten Buchs verknüpfen sich die mythischen Ursprünge Roms mit den erotischen Motiven der ersten drei Bücher enger als in der neunten Elegie. Am Anfang des Gedichts wird die Geschichte erzählt, die vor allem aus dem achten Buch der Aeneis bekannt ist. Bei Vergil trifft Aeneas im künftigen Rom während eines Festes ein, bei dem sich die Bewohner an eine Heldentat des Hercules erinnern, der das feuerspeiende Monster Cacus dafür tötete, dass dieser ihm die Rinder des Geryon entwendet hatte (8, 101-368). Bei Vergil fungiert dieser Mythos als eine Aitiologie der von Hercules selbst als Erinnerung an seinen Sieg errichteten Ara Maxima. 5 Eine noch wichtigere Verbindung zum zeitgenössischen Rom wird aber in der Aeneis dadurch hergestellt, dass die Hercules-Cacus-Episode sowohl mit dem Sieg des Aeneas über Turnus als auch mit dem Sieg des Augustus über Cleopatra parallelisiert wird. Dadurch wird der Sieg des Hercules zu einer mythischen Präfiguration der Herrschaft des Augustus. 6
Properz verbindet diesen patriotischen Mythos mit einer weniger bekannten Geschichte,7 laut der Hercules nach seinem Sieg über Cacus durstig wird, nach Wasser aus einer Quelle verlangt, die sich im für Männer unzugänglichen Heiligtum der Frauengöttin Bona Dea befindet, und, da seine Bitte abgelehnt wird, beschließt, Frauen von seinem Kult an der Ara Maxima für immer auszuschließen (Prop. 4, 9, 67-70):8
Maxima quae gregibus devota est Ara repertis,
ara per has' inquit 'maxima facta manus, haec nullis umquam pateat veneranda puellis, Herculis aeternum ne sit inulta sitis.
„Der gewaltige Altar, der geweiht wurde, als ich meine Herden wiederfand", so sprach er, „der Altar, der durch meine Hände so gewaltig wurde, dieser soll niemals Mädchen offenstehen, damit Hercules' Durst auf ewig nicht ungerächt bleibt."
Properzens Version dieses Kultmythos evoziert aber gleichzeitig die erotische Welt seiner ersten drei Bücher. Denn der durstige Hercules, der vor der verschlossenen Tür des Frauenheiligtums demütig nach Wasser bettelt, benimmt sich wie ein frustrierter Liebhaber der Liebeselegie — wie ein exclusus amator, der vor der verschlossenen Tür seiner Geliebten ein klägliches paraklausithyron singt.9 Mehr noch: Um Einlass ins Heiligtum zu erlangen, sagt Hercules Folgendes (45-48):
sin aliquem vultusque meus saetaeque leonis
terrent et Libyco sole perusta coma, idem ego Sidonia feci servilia palla officio et Lydo pensa diurna colo.
4 Zur thematischen Vielfalt des 4. Buchs siehe z.B. Hutchinson 2006, 16-21; DeBrohun 2003, 22-24.
5 Vgl. Morgan 1998.
6 Bellen 1963; Galinsky 1966; Binder 1971; Tueller 2000; Kirichenko 2013, 79-86.
7 Diese geht höchstwahrscheinlich auf Varro zurück (Div. fr. 218 Cardauns), vgl. Macr. Sat. 1, 12, 28: Hutchinson 2006, 205.
8 Fedeli 1994; Mutschler 1996; Lindheim 1998; Berry 2011; Holzberg 2012.
9 Anderson 1964; Pinotti 1977; Cairns 1992.
„Wenn aber mein Antlitz, meine Löwenmähne und mein Haar, das durch die libysche Sonne verbrannt ist, einen in Schrecken versetzen sollten, so wisset, auch ich leistete im sidonischen Kleid Sklavendienste und die tägliche Arbeit am lydischen Rocken."
Das ist eine Anspielung auf die Geschichte von der Liebe des Hercules zur lydischen Königin Omphale, die den Helden dazu brachte, Frauenkleider zu tragen und Frauenarbeiten zu verrichten.10 Doch, als wäre die Geschichte als solche noch nicht grotesk genug, betont Hercules seine ehemalige Weiblichkeit zusätzlich noch folgendermaßen (49-50):
mollis et hirsutum cepit mihi fascia pectus, et manibus duris apta puella fui.
„Und ein weiches Band umfing meine zottige Brust, und ich war ein Mädchen, mit schwieligen Händen ausgestattet."
Über seiner behaarten Brust trug Hercules also einen BH.11
In diesem Gedicht erscheint Hercules also abwechselnd wie das augusteische Symbol aus Vergils Epos und wie ein komödienhafter Transvestit, der sich wie ein elegischer Liebhaber dem Willen einer Frau unterordnet. Die meisten Forscher, die sich mit diesem Gedicht befassen, tendieren dazu, jeweils nur einen dieser widersprüchlichen Aspekte hervorzuheben. Dadurch wird das Gedicht entweder zu einer Affirmation des Sieges der augusteischen Staatsideologie über die radikal individualistische Liebeselegie12 oder zu einem subversiven Versuch, im vermeintlich monolithischen Gebilde dieser Ideologie Risse aufzuzeigen.13 Dabei bleibt oft unberücksichtigt, dass das Gedicht über das Begehren des Hercules nach Wasser wie ein Hymnus endet,14 der zwar auf den Hercules-Hymnus in Vergils Aeneis Bezug nimmt, in dem aber der Dichter ein betont persönliches Begehren zum Ausdruck bringt. Die Männer, die im achten Buch der Aeneis den Sieg des Hercules über Cacus an der Ara Maxima feiern, schließen ihren Hymnus folgendermaßen ab (301-302):15
salve, vera Iovis proles, decus addite divis,
et nos et tua dexter adi pede sacra secundo.
„Sei gegrüßt, Zeus' wahrhaftiger Spross, der Götter neue Zier, tritt gnädig und günstigen Schrittes an uns und an dein Fest heran."
Und so beendet Properz sein Gedicht (4, 9, 71-72):
sancte pater salve, cui iam favet aspera Iuno, Sancte, velis libro dexter inesse meo.
10 Prop. 4, 9, 47-50. Vgl. 3, 11, 17-20. Zum Transvestitismus des Hercules in Properz 4.1 siehe Lindheim 1998; DeBrohun 2003, 156-200; Welch 2005, 120-131.
11 Hutchinson 2006, ad loc.
12 Z. B. Fedeli 1994; Harrison 2005; Berry 2011.
13 Z. B. Lindheim 1998; Janan 2001, 128-145; Panoussi 2016.
14 Vgl. Fedeli 2012.
15 Vgl. Kirichenko 2013, 79-80.
„Heiliger Vater, dem bereits die erbitterte Juno gewogen ist, sei mir gegrüßt: Heiliger, wohne bitte gnädig meinem Buch inne!"
Wie ein typischer kletischer Hymnus ruft also das Gedicht Hercules dazu auf, anwesend zu sein16 — jedoch nicht an einer Kultstätte, sondern im Buch. Die zutiefst widersprüchliche Hercules-Geschichte, die Properz gerade erzählt hat, soll folglich — analog zum Hercules-Mythos in der Aeneis — wie eine Art Aitiologie verstanden werden. Man bekommt jedoch den Eindruck, dass es sich dabei um eine Aitiologie handelt, die nicht nur das an der Ara Maxima aufgeführte Ritual, sondern auch die eigenartige Transformation der properzischen Elegie aus einer erotischen in eine politische Gattung konzeptua-lisiert.
Ich möchte nun zeigen, dass der Umgang des Hercules mit seinem Durst in der Tat bedeutungsvolle Ähnlichkeiten mit der Transformation des erotischen Begehrens im übrigen Werk des Properz aufweist. Ich werde mich zunächst auf das properzische Zusammenspiel zwischen Erotik und dem Lob des Augustus konzentrieren. Anschließend werde ich zu 4, 9 zurückkehren, um zu zeigen, wie sich dieses Zusammenspiel in dem Gedicht wiederspiegelt.
Bekanntlich schildert Properz seine Cynthia wie ein wahrhaftig obskures Objekt der Begierde. Die Tatsache, dass der Wunsch des Properz, sie zu besitzen, unter keinen Umständen komplett erfüllt werden kann, hängt unter anderem damit zusammen, dass andere Männer sie scheinbar genauso sehr begehren wie er selbst — so als wäre sie die absolute Quintessenz der weiblichen Anziehungskraft. Als Folge wird der Liebhaber durch seine nie zu befriedigende erotische Obsession gleichsam versklavt, und die Qualen, die er vor der verschlossen Tür der Geliebten erleiden muss, erweisen sich als wesentlich strapaziöser als der Militärdienst.17 Derjenige, der sich auf die eigenartige Kombination aus servitium amoris und militia amoris einlässt, hat dabei keine besseren Aussichten, als gelegentlich eine Nacht mit Cynthia zu verbringen (vgl. Prop. 2, 14 und 15). Da diese grundsätzlich nicht zu befriedigende Begierde in ihrer Intensität nicht nachlassen kann, kann sie auch kein Ende nehmen, denn Cynthia ist sowohl der Anfang als auch das Ende (Prop. 1, 12, 20): Cynthia prima fuit, Cynthia finis erit.18
Die Unmöglichkeit, Cynthia einzufangen, hängt auch eng damit zusammen, dass sie keine fest umrissene Identität besitzt.19 Außerdem besteht sie aus unzähligen Projektionen der erotisch anziehenden Gestalten der griechischen und römischen Literatur.20 Als literarische Fantasie ist Cynthia von der Begierde des Dichters existentiell abhängig (vgl. Prop. 1, 4, 25-28). Gleichzeitig erfüllt sie aber jeden literarisch gebildeten Römer mit einer ähnlichen Begierde (vgl. Prop. 1, 5). Und die Anziehungskraft der elegischen puella ist in der Tat rein literarischer Natur ist (Prop. 1, 13, 28-32):
16 Vgl. Furley 1995.
17 Greene 1998, 37; James 2003, 136; Miller 2004, 60-61.
18 Vgl. Liveley 2010.
19 Miller 2004, 61-63. Zu Cynthia als (inter-)textuellem Konstrukt siehe Greene 1998, 37-66. Vgl. Wyke 1987b und 1989, 28-34.
20 Siehe z.B. Prop. 1, 3, wo Cynthia zunächst mit einer Reihe mythologisch-literarischen Figuren verglichen wird und anschließend einen Monolog hält, der an Ariadnes Klage in Catulls c. 64 erinnert: Zetzel 1996, 86-91. Siehe auch Prop. 1, 4, 5-10; 1, 5, 7-8; 1, 13, 29-32, etc. Vgl. Kennedy 1993, 50-51; Wyke 1989, 33; Miller 2004, 63-66.
te tuus ardor aget: nec mirum, cum sit Iove dignaeproxima Ledae
et Ledae partu gratior, una tribus; illa sit Inachiis et blandior heroinis, illa suis verbis cogat amare Iovem.
„Dich wird deine eigene Liebesglut zu ihr treiben, und das ist kein Wunder, da sie der des Jupiter würdigen Leda an Schönheit sehr nahekommt und reizender ist als Ledas drei Töchter; sie wäre auch verführerischer als die Heroinen des Inachus, und mit ihren Worten brächte sie selbst Jupiter dazu, sie zu lieben."
Die elegische puella besteht zwar nur aus Worten. Die Wirkung dieser Worte ist jedoch mit derjenigen der homerischen Ilias vergleichbar (Prop. 2, 1, 13-16):21
seu nuda erepto mecum luctatur amictu,
tum vero longas condimus Iliadas; seu quidquid fecit sive est quodcumque locuta, maxima de nihilo nascitur historia.
„Oder sie ringt mit mir nackt, da ich ihr das Gewand entrissen habe — dann dichte ich sogar lange Iliaden; was auch immer sie tat, was auch immer sie sprach — eine gewaltige Geschichte wird aus dem Nichts geboren."
Und dank ihrer rein literarischen Beschaffenheit macht Cynthia den Dichter selbst unsterblich — und zwar mit größerer Zuverlässigkeit, als es eine weitere Nachdichtung des homerischen Epos täte, das als Poesie des unsterblichen Ruhms schlechthin gilt.22 Wenn er einem epischen Epigonen prophezeit, dieser werde sich auch bald verlieben, sagt Properz (1, 7, 21-24):
tum me non humilem mirabere saepe poetam,
tunc ego Romanispraeferar ingeniis; nec poterunt iuvenes nostro reticere sepulcro Ardoris nostri magne poeta iaces.'
„Dann wirst du oft mich als herausragenden Dichter bewundern, dann werde ich den römischen Genies vorgezogen werden; und auch die Jugend wird an meinem Grabe nicht schweigen können: "Großer Dichter unserer Liebesglut, hier liegst du!"
Im 1. Buch dient Cynthia in erster Linie dazu, die poetische Überlegenheit des Pro-perz gegenüber einer Gruppe sozial gleichgestellter, rivalisierender Männer zu demons-
21 Vgl. Greene 2005; Wyke 1987b.
22 Besonders aufschlussreich ist in dieser Hinsicht der Kontrast zwischen 1, 7 und 1, 9: In 1,7 wetteifert Ponticus mit Homer (3), während Properz seinen poetischen Ruhm nur Cynthia verdanken will (9-10 haec mea fama est/ hinc cupio nomen carminis ire mei). In 1, 9 muss jedoch auch der Epiker Ponticus feststellen, dass das Schreiben der Liebespoesie für einen zeitgenössischen Dichter wesentlich sinnvoller ist. Vgl. Stahl 1985, 48-71; Greene 1998, 47-51; Coutelle 2005, 144-158. In 1, 17 soll Cynthia den Namen des Properz auch nach dessen Tod verkünden (23-24), und in 1, 19 wünscht sich Properz eine posthume Existenz als Cynthias imago (11-12 illic quidquid ero, semper tua dicar imago: / traicit et fati litora magnus amor). Zur Todesthematik bei Properz siehe Papanghelis 1987.
trieren.23 In den beiden darauffolgenden Büchern hingegen setzt sich Properz vor allem ins Verhältnis zu einer einzigen überragenden männlichen Instanz, nämlich zu Augustus selbst.24 Dementsprechend verändert sich auch die poetische Inszenierung seiner elegischen Liebe. Im 2. und 3. Buch wird die Liebeselegie explizit mit Kallimachos in Verbindung gebracht, der bei Properz, wie auch sonst in der augusteischen Literatur, als Sinnbild einer Dichtung fungiert, die sich nicht durch Länge, sondern durch formale Perfektion auszeichnet und die mit einer hypothetischen Lobpreisung des Augustus in der Form eines Epos kontrastiert wird.25 In der ersten Elegie des zweiten Buchs heißt es zum Beispiel (Prop. 2, 1, 39-42):
sed neque Phlegraeos Iovis Enceladique tumultus intonet angusto pectore Callimachus,
nec mea conveniunt duro praecordia versu Caesaris in Phrygios condere nomen avos.
„Aber weder Kallimachos könnte mit seiner engen Brust das phlegräische Gemenge zwischen
Jupiter und Enkelados laut erschallen lassen, noch reicht mein Innerstes aus, mit hartem Vers
Caesars Ruhm auf die phrygischen Ahnen zu gründen."
Im Kontext der properzischen Dialektik der Begierde erhält aber die in der augusteischen Dichtung allgegenwärtige höfliche Ablehnung des Auftrags des Maecenas, ein Epos über Augustus zu verfassen, eine besondere Bedeutung. Wie Horaz lehnt auch Properz diesen Auftrag dankend ab, weil er sich für unfähig erklärt.26 Doch bei Properz wird diese schlicht nicht zu bewältigende Aufgabe selbst zu einem Objekt der Begierde — und zwar umso mehr, als es sich relativ früh herausstellt, dass die endlos begehrenswerte elegische puella eigentlich schon zu Ende geschrieben worden ist (Prop. 2, 10, 8):
bella canam, quando scripta puella mea est.
„Ich werde Kriege besingen, denn mein Mädchen ist ja geschrieben."
Zwischen dem alten und dem neuen Thema gibt es dabei höchst bedeutende Ähnlichkeiten und Unterschiede. Das augusteische Imperium, das Vergil bekanntlich als imperium sine fine (Aen. 1, 279) beschreibt, ist zwar genauso schwer zu fassen wie die sich endlos entziehende elegische puella. Doch Augustus ist kein elegischer Liebhaber: Er begehrt nicht, er erobert das, was sich ihm entzieht (Prop. 2, 10, 15-18):
India quin, Auguste, tuo dat colla triumpho et domus intactae te tremit Arabiae;
23 Im 1. Buch fungiert Cynthia als Inbegriff der überragenden Stellung des Properz gegenüber einer Reihe anderer römischer Dichter (Bassus: 1, 4; Ponticus: 1, 7 und 1, 9; Gallus: 1, 5; 1, 8; 1, 10; 1, 18). Vgl. Wyke 1987a und b; Miller 2004, 67-68. Zu Gallus im 1. Buch des Properz siehe Cairns 2006, 70-249; Janan 2001, 33-52; Miller 2004, 68-83.
24 Wie bei Horaz fungiert dabei Maecenas als Vermittler zwischen dem Dichter und dem Princeps: Cairns 2006, 250-294. Siehe auch Greene 2005, 76: "The image of the puella, it seems, merely provides the means through which one man may pay tribute to another."
25 Vgl. Hunter 2006.
26 Vgl. Hor. Epist. 2, 1, 253-257. Freudenburg 2014; Kirichenko 2016, 234-237.
et si qua extremis tellus se subtrahit oris, sentiat illa tuas postmodo capta manus!
„Ja, sogar Indien bietet deinem Triumph, Augustus, seinen Nacken dar, und der Herrschersitz des noch unbezwungenen Arabien zittert vor dir; und wenn sich irgendein Land in den äußersten Winkeln verbirgt, soll es bald darauf erobert werden und deine Hand spüren!"
Der elegische Dichter kann jedoch die sichere Männlichkeit des Augustus keineswegs nachahmen; alles, was er kann, ist, es zu wollen (Prop. 2.10.5-6):27
quod si deficiant vires, audacia certe erit: in magnis et voluisse sat est.
„Sollten auch die Kräfte versagen, die Kühnheit wird sicher Lob finden: Bei großen Dingen ist ja auch der Wille schon genug."
Im dritten Buch wird aber der Dichter, der eine elegische puella begehrt, dem Princeps, der das Imperium erobert, immer ähnlicher.28 Das elegische servitium amoris wird nun auf das Verhältnis zwischen Antonius und Cleopatra projiziert, das wie eine Bedrohung für die Freiheit der gesamten männlichen Welt Roms aufgefasst wird (Prop. 3, 11, 31-32):
coniugis obsceni pretium Romana poposcit moenia et addictos in sua regna Patres.
„Als Preis für ihren abscheulichen Ehemann forderte Cleopatra die Mauern Roms und dass der Senat ihrer Herrschaft verpflichtet sei."
Der Sieg des Augustus über Cleopatra wird somit zum Sieg über die verweiblichende elegische Liebe.29
Und einen ähnlichen Sieg erringt am Ende des dritten Buchs auch Properz selbst. Augustus beherrscht das sich ewig entziehende imperium sine fine, indem er es Stück für Stück unter seine Kontrolle bringt. Wie bringt man aber ein Objekt der Begierde unter seine Kontrolle, das die Vorstellungskraft des Begehrenden komplett beherrscht? Properz
27 Siehe Wyke 1987b, 49-53, insb. 53: "The main trajectory is from a male writer to a male reader, in which bella and a puella simply demarcate the boundaries between modes of discourse." Siehe auch Keith 2008, 115-138; Miller 2004, 146-157.
28 Dies wird in den ersten vier Gedichten des 3. Buchs besonders greifbar. In 3, 1 wird die Einführung der von Kallimachos und Philitas inspirierten elegischen Dichtung nach Rom mit einem Triumphzug verglichen (10 Musa triumphat, siehe Hunter 2006, 7-16); in 3, 2 wird die elegische puella als ein mit dem horazischen monumentum (Hor. Carm. 3, 30, 1-7) vergleichbares Objekt der Verewigung dargestellt (Prop. 3, 2, 17-26); in 3, 3 evoziert Properz den Prolog zu den Aitien des Kallimachos, um die episch anmutende Lobesdichtung zugunsten von Liebeselegie abzulehnen (Coutelle 2005, 500-507; Scioli 2015, 134-172); und schließlich erweist sich in 3, 4 die Liebeselegie als ein besonders geeignetes Mittel zur Glorifizierung des augusteischen Rom: Der in 3, 1 gefeierte poetische Triumph hallt nun in einem herbeigesehnten Triumph des Augustus über Parthien nach (vgl. Prop. 3, 1, 9-12 und 3, 4, 1-14), bei dem der Dichter, im Schoß seiner puella liegend, eine endlose Liste eroberter Städte liest (Prop. 3, 4, 15-16: inque sinu carae nixus spectare puellae / incipiam et titulis oppida capta legam).
29 Vgl. Wyke 1994; Fear 2005.
tut es, indem er es als das entzaubert, was es tatsächlich ist — ein aus unzähligen intertex-tuellen Versatzstücken bestehendes literarisches Konstrukt: (Prop. 3, 24, 5-6):30
mixtam te varia laudavi saepe figura, ut, quod non esses, esse putaret amor.
„Oft lobte ich dich, indem ich dich mit mannigfaltiger Gestalt vermischte, sodass die Liebe glaubte, du seiest das, was du gar nicht warst."
Im vierten Buch spielen Cynthia, das elegische Begehren und Kallimachos nach wie vor eine wichtige Rolle. Doch alle drei verändern sich nachhaltig. In 4, 7 ist Cynthia schlicht tot.31 Als sie sich aber in 4, 8 doch als lebendig herausstellt, ist sie kein obskures Objekt der Begierde mehr, dem Properz in den ersten drei Büchern ewige Treue geschworen hat: Sie kehrt nach einem nur keuschen Mädchen vorbehaltenen Ritual nach Hause zurück32 und erwischt dort den zwischen zwei betrunkenen Prostituierten eingequetschten Properz in flagranti, woraufhin sie ihm das unabänderliche Gesetz der Treue auferlegt (Prop. 4, 8, 73-74):
atque ait: Admissae si vis me ignoscere culpae, accipe, quae nostrae formula legis erit.'
„Wenn du willst, dass ich dir die begangene Schuld verzeihe, vernimm, wie der genaue Wortlaut meines Gesetzes sein wird."
Das elegische Begehren nach einem nicht fassbaren Objekt weicht also dem leicht zu befriedigenden Drang nach Sex, der (wenn überhaupt) nur durch eine Art Ehevertrag in Schach gehalten werden kann.33
Das elegische Streben nach Unerreichbarem verschwindet dabei nicht komplett. Es transformiert sich aber in das Begehren einer Frau nach einem imperialen Eroberer.34 In 4, 3 schreibt zum Beispiel eine römische Matrone einen mit Sehnsucht erfüllten Brief an ihren ewig abwesenden Ehemann, der wie gewohnt an einem der entferntesten Ränder des Imperiums kämpft — ungewiss, ob in Parthien oder in Britannien-, sodass sie ihr Verlangen nach ihm nur mit Hilfe von symbolischen Ersatzstücken befriedigen kann (Prop. 4, 9, 29-30):35
at mihi cum noctes induxit vesper amaras, si qua relicta iacent, osculor arma tua
„Aber wenn mir der Abendstern bittere Nächte bringt, küsse ich deine Waffen, sollten hier noch welche liegen."
30 Vgl. 3.25.31-34. Zur Debatte über die Einheit von 3.24/25 siehe Heyworth 2007, 412. Zum Schluss von Buch 3 siehe auch Wallis 2013, 235-236; O'Neill 2005, 257-259; Gardner 2013, 207-208.
31 Janan 2001, 100-113. Vgl. Fabre-Serris 2011.
32 Prop. 4, 8, 3-14. Greene 1998, 59-66; Möller 2007. Zum Juno-Kult in Lanuvium siehe Hutchinson 2006, 191-192.
33 Vgl. Janan 2001, 114-127; Caston 2012, 98-100.
34 Das weibliche Begehren nach einem Eroberer steht auch im Mittelpunkt der Tarpeia-Elegie, Prop. 4.4. Siehe Wyke 1987a; Miller 2004, 189-192; Welch 2005, 56; Hutchinson 2006, 116-119.
35 Janan 2001, 53-69.
Und schließlich wird die kallimacheische Poetik, die in den ersten drei Büchern als Symbol der Liebeselegie diente, zum Zwecke der Augustus-Panegyrik komplett umfunktioniert. Am Anfang der sechsten Elegie beruft sich Properz wie immer auf Kalli-machos als eine der Hauptquellen seiner poetischen Inspiration (Prop. 4, 6, 1-4). Das Hauptthema des Gedichts ist aber die Schlacht von Actium — der endgültige Sieg des Augustus über die durch Cleopatra symbolisierte Gefahr der Verweiblichung Roms (Prop. 4, 6, 57: datfemina poenas)-, und es endet mit einer imaginären poetischen Darbietung, bei der mehrere Dichter über die immer größere Ausdehnung des Reichs um die Wette singen.36
Wenn wir nun zu 4, 9 zurückkehren, können wir feststellen, dass der Durst des Hercules die poetische Dynamik, die sich im übrigen Werk des Properz abzeichnet, genau auf den Punkt bringt. So wie das unstillbare Begehren nach Cynthia in den ersten drei Büchern sukzessive einer Siegerpose weicht, so beendet Hercules sein jämmerliches pa-raklausithyron vor dem verschlossenen Frauentempel mit einer erkennbar heroischen Handlung — mit einem epischen Zornesausbruch, der schließlich auch für seinen ersten Sieg verantwortlich war.37 Über den Sieg des Hercules über Cacus sagt Properz nämlich (Prop. 4, 9, 13-14):
furem sonuere iuvenci, furis et implacidas diruit ira fores.
„Die Stiere enttarnten durch ihr Brüllen den Räuber, und der Zorn (des Hercules) zertrümmerte
die trotzige Tür des Räubers."
Und über den Sieg des Hercules über die Frauen sagt er dann später (61-62):
ille umeris postis concussit opacos, nec tulit iratam ianua clausa sitim.
„Er erschütterte mit seinen Schultern die schattigen Pfosten, und die verschlossene Tür hielt dem
zornigen Durst nicht stand."
Dabei inszeniert er den epischen Sieg des Hercules über die Frauen wie eine typisch kallimacheische Geste. Ich habe bereits erwähnt, dass das Gedicht wie ein Hymnus mit einem Gebet endet. Dieses unverkennbare Gattungsmerkmal lenkt unsere Aufmerksamkeit darauf, dass der Text mehrere Anspielungen auf die Hymnen des Kallimachos enthält.38 Als die Priesterin der Bona Dea Hercules von seinem Vorhaben, ins Heiligtum einzudringen, abbringen will, verweist sie auf das Beispiel des Tiresias (Prop. 4, 9, 57-58):
magno Tiresias aspexit Pallada vates,
fortia dum posita Gorgone membra lavat.
36 Prop. 4, 6, 77-82: ille paludosos memoret servire Sygambros, / Cepheam his Meroen fuscaque regna canat, / his referat sero confessum foedere Parthum: / 'reddat signa Remi, mox dabit ipse sua; / sive aliquid pharetris Augustus parcet Eois, / differat in pueros ista tropaea suos. Cairns 1984; Kierdorf 1995; Miller 2009, 80-92.
37 Effe 2002. Vgl. A. R. 1393-1482: Hutchinson 2006, 205.
38 Vgl. Pinotti 1977; Fedeli 2012.
„Der Seher Tiresias musste teuer dafür bezahlen, dass er Pallas erblickte, während sie, das Gor-
gonenhaupt abgelegt, ihre kräftigen Glieder badete."
Der berühmteste literarische Text, in dem die Blendung des Tiresias durch die von ihm beim Baden beobachtete Athene geschildert wird, ist bekanntlich der fünfte Hymnus des Kallimachos, in dem übrigens auch Durst besonders betont wird (Call. h. 5.77-78):39
öi^aaa^ ö' a9axöv ti noTi pöov ^Au0s Kpava^,
axsTXio^- oük eGEAwv ö' siös Ta 0E|iiTa.
„Von geradezu unsäglichem Durst getrieben, kam Tiresias zum Quellwasser, der Unselige! Ohne
es zu wollen, sah er, was man nicht sehen darf."
Nachdem wir diese Anspielung bemerkt haben, werden auch weitere Verbindungen zu den Hymnen des Kallimachos sichtbar. Der Durst des Hercules wird bei Properz so beschrieben (Prop. 4, 9, 21-22):
sicco torquet sitis ora palato, terraque non nullas feta ministrat aquas.
„Durst quält seinen Mund mit trockenem Gaumen, doch die fruchtbare Erde reicht kein Wasser
dar."
Die Erwähnung der „fruchtbaren Erde" mag auf den ersten Blick etwas verwirrend erscheinen-, es sei denn man versteht terra feta in einer in der römischen Dichtung oft belegten Bedeutung als „schwangere Erde" (OLD, s.v. 2b), was im Kontext eine Erde kennzeichnen würde, die nicht mit Früchten, sondern mit Wasser schwanger ist. Das Bild einer mit Wasser schwangeren Erde evoziert dabei den ersten Kallimachos-Hymnus, in dem Rhea nach der Geburt des Zeus in Arkadien kein Wasser findet und darum die Erde mit folgenden Worten anspricht (Call. h. 1.29):
rata 9i\r|> teke Kai au- Tsai ö' üötvsi; E\a9pai.
„Liebe Erde, gebier auch du! Deine Wehen sind leicht."
Der Vergleich zwischen den beiden Stellen lässt jedoch den Text des Properz geradezu absurd erscheinen. Denn während sich Rhea an die Erde wenden musste, weil das sonst so wasserreiche Arkadien zur Zeit der Geburt des Zeus laut Kallimachos keinen einzigen Fluss besaß,40 befindet sich Hercules direkt am Ufer des prähistorischen Tiber, der so viel wasserreicher war als heute, dass „die Gegend des Velabrum von ihrem eigenen Wasser überschwemmt war und der Seemann über die städtischen Gewässer segelte" (vgl. Prop. 4, 9, 5-6 qua Velabra suo stagnabant flumine quaque / nauta per urbanas velificabat aquas).41 Die Feststellung, dass Hercules zwar mehr oder weniger von allen Seiten vom
39 Stephens 2015, 237-238; Hutchinson 2006, 216.
40 Call. Hymn. 1, 18-27 ist ein Katalog der arkadischen Flüsse, die es zur Zeit der Geburt des Zeus noch nicht gab.
41 Siehe auch Prop. 4, 2, 7-8: hac quondam Tiberinus iter faciebat, et aiunt / remorum auditos per vada pulsa sonos. Vgl. Tib. 2, 5, 33-36.
Wasser eines großen Flusses umgeben ist und trotzdem um jeden Preis nach Wasser aus einer kleinen Quelle verlangt, die sich in einem entlegenen heiligen Bezirk befindet, lässt sein Verhalten wie eine Inszenierung der kallimacheischen Passage erscheinen, die in der römischen Dichtung wohl am häufigsten nachgeahmt wird. Es handelt sich dabei um den zweiten Hymnus, an dessen Schluss Apoll selbst erscheint, um Folgendes zu sagen (Call. Hymn. 2, 108-112):42
Äaaupiou noxa|ioTo |i£-yai; pöo^, dXXa xa noXXa Xu|iaxa -yfi; Kai noXXov ¿9' uöaxi aup9EXÖv eXkei. Ar|oi ö' oük dno navxo^ uöwp 9opsoum |isXiaaai, dXX' ^xi^ Ka0apr| te Kai dxpaavxo^ dvspKEi niöaKo^ s^ lEpfji; öXryn Xißac; aKpov awxov.
„Des Assyrischen Flusses Flut ist zwar groß, doch schleppt sie größtenteils Erdschlamm und reichlich Unrat auf ihrem Wasser mit. Der Demeter hingegen bringen die Bienen nicht von überallher Wasser, sondern nur, was rein und unbesudelt aus einer heiligen Quelle hervorsprudelt, ein winziger Schluck — das Feinste vom Feinen!"
Somit inszeniert Properz 4, 9 den Weg des Hercules zu einer kallimacheischen Quelle. Seine elegische Begierde, die ihn an seine verweiblichte Vergangenheit erinnert, ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass er zu dieser Quelle überhaupt erst gelangen will, obwohl er eigentlich bereits Wasser zu Genüge hat. Um sich dieser reinen Quelle zu bemächtigen, muss er jedoch die elegische Begierde zugunsten einer heroischen Haltung überwinden, wodurch das epische Heldentum und die kallimacheische Poetik unzertrennbar miteinander verschmelzen.
Die Tatsache, dass dieser Hercules am Ende des Gedichts, wie Apoll im Kallima-chos-Hymnus, zu einer Epiphanie, und zwar im Buch selbst (Prop. 4, 9, 71-72), aufgerufen wird, soll uns dazu animieren, die von Properz erzählte Geschichte wie eine Art mythische Aitiologie seiner eigenen elegischen Poetik zu verstehen. Wie ich gezeigt habe, wird die verweiblichende Liebe des Properz zu Cynthia einerseits in der kalli-macheischen Begrifflichkeit konzipiert und andererseits mit der sicheren Herrschaft des Augustus über das endlose Imperium kontrastiert. Die Begierde nach Cynthia überwindet Properz dadurch, dass sie sich wie ein leeres, aus intertextuellen Projektionen bestehendes Konstrukt herausstellt. Das elegische Begehren nach einem ephemeren Objekt weicht dabei dem Wunsch, die schier unvorstellbare, wahrhaftig episch anmutende Macht des Augustus angemessen zu besingen. Für einen kallimacheischen Elegi-ker bleibt zwar dieses Ziel für immer unerreichbar. Doch das elegische Streben danach, sich diesem Ziel zu nähern, resultiert in einer auf die kallimacheische Reinheit reduzierten Darstellung des epischen Heldentums, das die Herrschaft des Augustus über das endlose Imperium charakterisiert.
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Received: 10.12.2017 Final version received: 12.03.2018
Геркулесова жажда:
Каллимах, Август и любовная элегия у Проперция (4, 9)
Александр Кириченко
В данной статье фигура страдающего от жажды Геракла в девятой элегии четвертой книги Проперция толкуется как метапоэтический символ трансформации римской элегии из эротического в политический жанр. Автор указывает на то, что — подобно версии эпизода о битве Геракла с Каком в восьмой книге «Энеиды» Вергилия — данная элегия заканчивается как клетический гимн, в котором, однако, Проперций призывает Геракла не к эпифании в ритуальном контексте, а к «присутствию в его книге». Далее автор анализирует параллели между мифом о Геракле, рассказанном в самой элегии, и поэтической динамикой, прослеживаемой на протяжении всех четырех книг Проперция. Особое внимание при этом уделяется тому, каким образом в первых трех кни-
гах Проперций описывает фигуру Кинфии как воплощение эротической элегии и параллельно с этим создает впечатление (становящееся особенно осязаемым в четвертой книге), что бесконечно расширяющаяся империя Августа может в каком-то смысле составлять еще более привлекательный объект влечения. В конце статьи автор показывает, что аллюзии на гимны Каллимаха (Омовение Паллады, Гимн к Зевсу и Гимн к Аполлону) составляют неотъемлемую основу программного посыла элегии. Этот посыл состоит, по мнению автора, в определении сущности нового, типично римского варианта «Каллимаховой поэтики», неразрывно связанного с трансформацией эротического желания в акт имперского захвата.
Ключевые слова: Проперций, римская элегия, Каллимах, символические образы.