Примечания
1 См.: Сенявский A.C. Российский путь к городскому обществу в контексте модернизационных процессов//Урал. ист. вестн. Екатеринбург: УрОРАН, 2000. № 5-6.
2 См.: Население СССР: по данным Всесоюзной переписи населения 1959 г. / Госкомстат СССР. М.: Финансы и статистика, 1960.
3 Таблица составлена на основе данных справочника «Численность населения российских городов 1897-1992 гг.» (Ярославль. ЯГПУ, 1995).
J.Grützmacher
Tübingen
Die ВАМ als Mythos und öffentliche Inszenierung
Zwischen 1974 und 1984 waren im ganzen Land die Zeitungen und Zeitschriften voll mit Berichten von der Bajkal-Amur-Magistrale (ВАМ), Fernsehen und Rundfunk hatten eigene Korrespondentenstäbe, es gab Briefmarken und Plakatwettbewerbe, Kunstausstellungen und Gesangsfestivals, Theaterstucke und Romane zur ВАМ. Der Bau der ВАМ war ein Projekt, das sich zu einem großen Teil in und für die Öffentlichkeit abgespielt hat, ein öffentlich inszeniertes Projekt.
Diese öffentliche Inszenierung der ВАМ hatte klar mythische Zuge. Im Gegensatz zu «normaler» Propaganda greift der Mythos über die (vorgeblich) empirische Wirklichkeit hinaus und verleiht seinem Gegenstand Transzendenz. Mythen schaffen durch die unmittelbare, uberzeitliche Seinsbegrundung der Gegenwart Legitimation, ihnen kommt «rechtfertigende Beglaubigung und Begründung der Realitatzu» (Karl Gabriel). Sie prägen die Orientierung in der Realität und können, weil sie sich bildhafter, symbolischer Kommunikation bedienen, auf Bewusstseinsschichten wirken, die rationaler Argumentation weniger zuganglich sind. Oer BAM-Mythos wurde in rituellen Praktiken (z.B. Feiern) eingeübt und verstärkt.
Ich will kurz einige Elemente dieses Mythos nennen:
a) Sibirien als Schatzkammer, die unermessliche Reichtümer beherbergt; die ВАМ als der Schlüssel dazu
b) Die symbolische Kraft des BAM-Mythos: Es war kein Zufall, dass gerade die ВАМ zum zentralen Inszenierungsprojekt der Breznev-Ära wurde und nicht etwa die Erschließung der westsibirischen Öl- und Gasfelder. Letztere war zwar wirtschaftlich bedeutender, aber symbolisch war sie der ВАМ unterlegen. Mit der Eisenbahn als Symbol ließ sich vieles verbinden: Eisen und Stahl, geballte Technik, Kraft und Energie, Durchdringung und Überwindung des Raums, Ferne, Fortschritt, Dynamik usw,
c) Die ВАМ als «стройка всенародная»: Jedes Arbeitskollektiv hatte seine Pflichten für die ВАМ zu leisten - sogar die Fischkutter im Atlantik. Man schuf das sogenannte Patenschaftssystem («шефство»): Jede Unionsrepublik sollte eigene Arbeitskollektive an die ВАМ schicken, die dann alle ihren Abschnitt ubernahmen und eigene Siedtungen bauen sollten. Die ВАМ wurde so zum Abbild einer multiethnischen Sowjetunion.
d) Die ВАМ als Bewährungsprobe, als Schule des Lebens: Die Widrigkeit der Verhältnisse, die Große und Schwierigkeit der Aufgabe sollte den jungen Menschen die Chance geben, an diesen Aufgaben zu wachsen und zu reifen.
e) Die ВАМ als Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft: Die ВАМ wurde in alle «heiligen« heldischen sowjetischen Traditionen eingeordnet: Sie wurde in eine Reihe gestellt mit der Revolution den scheinbar großen Arbeitserfolgen der frühen Sowjetunion (Magnitka, DneproGES, Bratsk, KamAZ usw.). Sie wurde propagiert als neue große Front, als Surrogat des Krieges, die die UdSSR vor eine mit dem Zweiten Weltkrieg vergleichbare Herausforderung stellte.
Zugleich sollte die ВАМ in zukünftige, bessere Zeiten fuhren, Sie galt als Meilenstein auf dem Weg in den Sozialismus. Am deutlichsten wurde dies in den Zivilisationsfantasien der Planer, die propagierten, dass der Bau der ВАМ ein von menschlicher Kultur und Zivilisation weitgehend unberührtes, rückständiges Gebiet mit einem Schlag in die Moderne katapultieren würde.
Ernst Cassirer hat zwischen echten und gemachten Mythen unterschieden. Wie bei den meisten politischen Mythen der Neuzeit handelt es sich auch bei der ВАМ um einen Mythos, der nicht zuletzt von bestimmten Personengruppen mit bestimmten Interessen lanciert und gefordert wurde. Man könnte also genauer auch von einem Pseudomythos sprechen.
Die Ankündigung des Baus der ВАМ im Jahre 1974 durch Bre2nev kam nicht nur für die breite sowjetische Öffentlichkeit, sondern auch für die meisten Fachleute überraschend. Die Entscheidung für ein solches gigantisches Projekt war also weitgehend hinter geschlossenen Türen gefallen.
Diese Ankündigung durch Breznev lieferte gewissermaßen den master text des ВАМ-Mythos. Der BAM-Mythos ging aber weit Uber diesen Text hinaus. Die oben genannten Elemente des Mythos ergeben sich vielmehr aus einer Vielzahl von Texten und Beiträgen in allen Medien, so dass man von einem «wenn auch manipulierten, so doch nichtsdestoweniger kollektiven Mythenschaffen» sprechen muss, «Je mehr dieser Texte man liest, um so mehr fließen die Beschreibungen der Helden und ihrer Taten zu einem ununterscheidbaren einheitlichen Grundmuster zusammen, werden zu austauschbaren Versatzstucken eines einzigen Textes» (Hans Gunther).
Die Berichterstattung wurde dabei über den sowjetischen Journalistenverband, einzelne Presseorgane und Konferenzen uberwacht, kritisiert und in gewisserWeise auch gelenkt. Auf der anderen Seite bedurfte die Presse dieser Anleitung gar nicht. Vielmehr waren ja sowjetischen Journalisten auch in vergleichbaren Kampagnen (Magnitogorsk, Neuland usw.) sozialisiert worden. So bestand ein Großteil der BAM-Erzählungen aus propagandistischen Selbstläufern, die einfach bestimmten Genregesetzen gehorchten.
Naturlich gab es auch eine seriöse wissenschaftliche Diskussion über die Erschließung der BAM-Zone. Dabei lassen sich quasi-mythische und wissenschaftlich-rationale Diskurse kaum voneinander trennen.
Jedenfalls gab es in der Öffentlichkeit sehr wohl kritische Stimmen zur ВАМ. Uberall finden sich Berichte, die Missstande in Planung und Bau der ВАМ unzweideutig benennen und aufdecken. Die Presse wurde geradezu dazu angehalten, den Verantwortlichen auf die Finger zu sehen. Sie hatte, so hieß es, die Pflicht, den Burgern auch zu sagen, was mit den hohen Investitionen geschieht. Bei aller Kritik an Details, am Handeln der Behörden und an der Organisation gab es vor dem Beginn der glasnost' eine Einschränkung: Grundsätzliche Kritik an dem Bauvorhaben wurde in der Öffentlichkeit nicht geäußert.
Welche Funktion hatte die öffentliche Inszenierung der «Magistrale des Jahrhunderts»? Schon Stalin und Chru26ev hatten sich mit Großtechnik identifiziert. Schon sie hatten ihre Umgestaltungsfantasien in technischen Projekten ausgelebt. Hinter diesen Projekten stand ein sowjetischer Technikkult. Eines der Hauptmerkmale dieser Ideologie war die Vorstellung, die Natur sei ein Feind. Sowie man glaubte, die kommunistische Gesellschaft sei gestaltbar, so nahm man auch die Natur wahr. Auch an der ВАМ wurde noch zum «Kampf gegen die Natur» aufgerufen, Im Falle der ВАМ blieb diese Ideologie allerdings nicht unwidersprochen. Vor allem von der Seite sibirischer Naturwissenschaftler und Schriftsteller wurden die verheerenden Umweltschäden an der ВАМ angeprangert. Es handelte sich aber auch hier nicht um Grundsatzkritik, sondern eher um einen amorphen ökologischen Dissens, der sich v.a. im Zusammenhang mit der Kontroverse um die Verschmutzung des Bajkals entwickelt hatte.
Der Technikfetischismus des BAM-Mythos hatte also eine lange sowjetische Tradition. Es handelte sich dabei aber beileibe nicht um ein rein sowjetisches Phänomen: Das 20. Jahrhundert kann generell als eines der Großtechnikgläubigkeit charakterisiert werden.
Wie passtein derartiges Medien- und Mobilisierungsprojekt In eine konservative Periode, die man die «Perlode der Stagnation» genannt hat? Naturlich hatte der Bau der ВАМ wirtschaftliche und militarisch-strategische Gründe. Meine These ist aber, dass der Bau der ВАМ ganz wesentlich ein Versuch war, das Legitimationsdefizit der sowjetischen Fuhrung unter Bre2nev zu beheben. Es ging also wenigstens genauso um herrschaftliche Erschließung.
Der gewaltsame und umwälzende Utopismus der Stallnzeit sowie die Systemkonkurrenz mit dem Westen und die «Naherwartung» des Kommunismus der Chruiüev-Ära fanden in der Bre2nev-Ära keine Fortsetzung. Die Formel vom «entwickelten Sozialismus» impliziert den statischen Charakter dieser Zeit schon grammatikalisch.
Die sowjetische Fuhrung rekrutierte sich zu jener Zelt v.a. aus der sogenannten Breinev-Generation. Das waren die Leute, die ihre Karrlere oftmals den Umwälzungen der Stalin-Ära verdankten, die выдвиженцы jener Zeit, deren Sozialisation also geprägt war vom Voluntarismus und dem Technikstil der ersten Fünfjahrplane. Für derart sozialisierte Funktionäre lag der Rückgriff auf bekannte und scheinbar bewährte Methoden der Mobilisierung und Legitimierung am nächsten. Ein gigantisches technisches Projekt musste her, das in alter Manier Inszeniert wurde.
Dabei wurden freilich auch die Fehler perpetuiert, die den Technikstil der Stalinzeit schon ausgezeichnet hatten: die ungenügende Vorbereitung, seine Gigantomanle, die kurzen Fristen,
die Konzentration auf das display value, Ressortegoismus. Am schwersten wogen vielleicht die Vernachlässigung der Lebensbedingungen der Bevölkerung der BAM-Zone.
Es ist letztlich schwer zu beurteilen, inwieweit der BAM-Mythos die Wirklichkeit schaffen konnte, die er propagierte. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass tatsachlich viele junge Menschen begeistert an die BAM fuhren, dass sie sich vom öffentlich verordneten Enthusiasmus anstecken ließen, dass sie sich mit «ihrer» BAM identifizierten.
Angesichts der katastrophalen Bedingungen an der BAM gingen aber die meisten von denen, die anfänglich begeistert gewesen waren, wieder weg, sobald sie konnten. Viele waren ohnehin auch mit dem Ziel gekommen, sich bloß den Berechtigungsschein für ein Auto zu verdienen, Die herrschaftliche Erschließung im Sinne der Bre2nevschen Führung schlug fehl. Das einstweilige wirtschaftliche und ökologische Scheitern des BAM-Projekts konnte die angeschlagene Legitimität der Führung nicht stabilisieren, sondern untergrub sie weiter.
Das heißt nicht, dass man die BAM-Zone für immer für tot erklaren muss, Aber die Geschichte der BAM zeigt, was die neuere Technikgeschichte immer wieder feststellt: Das Heil liegt nicht in großen, umgestalterischen Projekten, die Konzentration auf das display value technischer Projekte wirkt sich nachteilig aus. «Kleinheit», Langsamkeit, Nachhaltigkeit und Geduld sind lange unterschätzte Tugenden im Umgang mit Technik, und nur sie werden der BAM eine zweite Chance geben können.
С.В.Нестеров
Челябинск
Алкоголизм как форма девиантного поведения в советском обществе конца 50-х — начала 60-х годов
(по данным Челябинской области)
Став элементом социальных ритуалов, обязательным условием официальных церемоний, праздников, основным способом свободного времяпрепровождения, решения личных проблем, алкоголь влился в повседневную жизнь большинства людей. Данная социокультурная ситуация дорого обходится обществу. Так, в отчете секретарю Челябинского обкома КПСС М.Т.Ефремову указано, что «за...1960 год (по Челябинской области. - Н.С.) 89% умышленных убийств было совершено в нетрезвом состоянии, 80,8% разбойных нападений в пьяном виде, 84% изнасилований по причине пьянства... 91,5% хулиганских проявлений на почве пьянства»1. Из всего вышеперечисленного напрашивается вывод, что потребление алкоголя в то же время может являться и причиной антисоциальных явлений. В таких ситуациях алкоголь играет исключительно негативную роль, при этом сам он уже приобретает антисоциальный характер и нередко выливается в такой феномен, как алкоголизм. Последний, в свою очередь, выступает одной из форм социальных аномалий, в связи с чем он выступает в качестве катализатора, способствующего проявлению иных видов социальных отношений - преступности, социального паразитизма, суицида и т.д. (о суициде говорится в том же отчете: «...в 1960 году на почве пьянства покончили жизнь самоубийством около 200 человек»2).
Само же понятие «социальная аномалия» в своем определении сближается с термином «социальная аномия», введенном французским социологом Э.Дюркгеймом. В его понимании «социальная аномия» означает «...не само по себе отклонение от нормы в поведении, тем более не само правонарушение, а, скорее, подоплеку такого поведения, почву, на которой могут развиться антисоциальные явления»3. Таким образом, в данном определении термин «социальная аномия» означает, прежде всего, причинность социального отклонения, в том числе и такого проявления, как алкоголизм. Рассмотрение причин последнего на всей территории России в рамках одной публикации не представляется возможным. Поэтому в качестве объекта исследования был взят один регион, а именно Челябинская область в конце 50-х - начале 60-х годов. Проследим динамику производства алкоголя и распространения алкоголизма по области. В отчете областной прокуратуры говорится, что «в 1958 году населению было продано водки на сумму 121529 рублей, в 1959 году эта сумма выросла.,, на 2,45%, а в 1960 году... на 14,19%»4, Уровень потребления спиртных напитков в данный период в области неуклонно рос. К началу 1960-х годов можно наблюдать резкий скачок показателей потребления. Следствием этого становится увеличение числа лиц, помещенных в медвытрезвитель (с 32444 в 1958-м до 43502 в 1960 году), и лиц, страдаю-