УДК 81'22 Е. И. Карпенко
кандидат филологических наук, доцент кафедры стилистики и лексикологии немецкого языка, ФНЯ МГЛУ; e-mail: [email protected]
ПОВЕСТВОВАНИЕ О СОБАКАХ КАК ВЗАИМОДЕЙСТВИЕ МЕЖДУ ЛЮДЬМИ: Часть II. Современная литература
В статье анализируются два современных произведения о собаках: «Хозяин и собака» (1919) Т. Манна и «Собака» (1952) Ф. Дюрренматта. Повествование о собаках в обоих произведениях становится способом описания событий и поведения людей военного времени в ответ на социальные запросы того периода. Данное свойство обусловлено тем, что художественный символизм образа собаки опирается на амбивалентность коннотации.
Ключевые слова: символ; аллегория; амбивалентность; интерпретация.
Karpenko E. I.
Ph.D., Associate Professor, the Department of German Lexicology and Stylistics, the Faculty of German, MSLU; e-mail: [email protected]
TALKING ABOUT DOGS AS ACTING AMONG PEOPLE: PART II. MODERN TIMES
The article represents a study of two modern stories about dogs: «Herr und Hund» (1919) by Th. Mann and «Der Hund» (1952) by F. Durrenmatt. «Talking about dogs» is a narrative way of dealing with war experiences and therefore -as an answer to social demands of that time - an «action among people». This quallity is explained by the fact that the literary symbolism of «Dog» is rooted in the ambivalence of its connotations.
Key words: symbol; allegory; ambivalence; interpretation.
Karpenko E. I.
Ph.D., Associate Professor, Lehrstuhl für Lexikologie und Stilistik der deutschen Sprache, MSLU; e-mail: [email protected]
SPRECHEN ÜBER HUNDE ALS HANDELN UNTER MENSCHEN:
TEIL II. NEUZEIT
Der Beitrag setzt sich mit zwei neuzeitlichen Hundegeschichten auseinander: der Novelle «Herr und Hund» (1919) von Th. Mann und der Erzählung «Der Hund» (1952) von F. Dürrenmatt. Das fiktionale «Sprechen über Hunde» wird in den beiden Werken zur Methode der narrativen Kriegsverarbeitung und - als Antwort auf die damaligen gesellschaftlichen Bedürfnisse - zum «Handeln unter Menschen». Das literarische Symbol «der Hund» ermöglicht das dank der Vielfalt seiner ambivalenten Konnotationen.
Schlüsselwörter. Symbol; Allegorie; Ambivalenz; Interpretation.
In diesem Beitrag wird weiter an der These gearbeitet, dass es beim literarischen «Sprechen über Hunde» immer nur um den Menschen und «sein Handeln unter Menschen» geht1. In den zu erörternden Werken von Th. Mann und F. Dürrenmatt wird das fiktionale «Sprechen über Hunde» zum narrativen Verfahren, sich mit persönlichen Kriegserlebnissen von beiden Schriftstellern auseinanderzusetzen.
Die Nachkriegsliteratur - und, weiter gefasst, narrative Beschäftigung mit dem Krieg und dessen Folgen2 - kennt verschiedene literarische Formen. Wenn manche Romane auf die authentische Kriegsdarstellung, dessen Grausamkeiten und Absurdität, abzielen, so können andere literarische Formen auf die explizite Schilderung der Kriegsrealität verzichten und trotzdem als eindeutig «antimilitärisch» gekennzeichnet werden (vgl. dazu [12, S. 158-159]).
In der Novelle «Herr und Hund» (1919) von Th. Mann, die im Untertitel Ein Idyll heißt, wird der Erste Weltkrieg mit keinem Wort erwähnt. Der namenslose Ich-Erzähler ist Thomas Mann selbst, soweit er wirklich während seines Lebens in München den Hund Bauschan besaß. Die Annäherung zwischen Mensch und Tier wird dadurch erreicht, dass das Tier «fast Mensch» wird. Da sind Bauschans Aussehen, sein Benehmen und das kaum bemerkbare Spiel seiner Mimik, die seinen Herrn an einen Menschen erinnern. Der Hund hat ein «kindliches Gesicht»; er weist emotionale Reaktionen und Gefühle eines Menschen auf. So wird z. B. die Begegnung mit einem fremden Hund beschrieben.
Sie (=Bauschan und der fremde Hund) möchten wohl, sie wenden die Köpfe ab, sie schielen traurig beiseite, ein gemeinsames Schuldbewusstsein scheint auf ihnen zu liegen [9, S. 55]. (Hervorhebung von mir. - E. K.)
Und wenn Bauschan lacht, so tut er das wie sein Herr:
Dies bringt uns beide zum Lachen - ja, auch Bauschan muß lachen, und das ist für mich, der ebenfalls lacht, der wunderlichste und führendste Anblick von der Welt [9, S. 59]. (Hervorhebung von mir. - E. K.)
1 Sieh dazu «Teil I: Mittelalter» von Sabine Obermaier im gleichen Band.
2 wobei ich vor allem die Auseinandersetzung mit den zwei Weltkriegen des XX. Jahrhunderts meine.
Е. H. KapneHKO
Das Entscheidende am Hund bleibt seine «zähe Treue» zu dem Herrn, die verschiedene Formen annimmt: von «ergebener Knechtfreundschaft» bis «Hingabe» und «Leidenschaft» [9, S. 33].
Die Grenze zwischen Mensch und Tier droht ganz zu verschwinden, wenn der Wärter in einer tierärztlichen Klinik, wohin Bauschan wegen der Blutungen eingeliefert werden muss, den Ich-Erzähler plötzlich an einen Hund erinnert:
Er war mit einer Art von Gärtnerschürze bekleidet, ein gedrungener, rundbärtiger und rotbäckiger Mann mit braunen, etwas blutunterlaufenen Augen, deren treuer und feuchter Blick selbst auffallend hundemäßig anmutete [9, S. 107]. (Hervorhebung von mir. - E. K.)
Doch bleibt die Beschreibung Bauschans eben metaphorisch. Th. Mann wird sich der unüberbrückbaren Kluft zwischen Tier und Mensch bewusst. Darauf weist unter anderem der ironische Modus der Novelle hin. Schon bei der ersten Begegnung mit Bauschan fällt dem Herrn das Attribut «bäurisch» ein, welches durch die ironische Andeutung auf einen «Dorfburschen» und eine «ländliche Hochzeit» verstärkt wird [9, S. 29]. Über die Anthropomorphisierung bietet der Schriftsteller «eine sehr sensible Charakterzeichnung» des Hundes [15, S. 203].
Es ist kaum zu bestreiten, dass die idyllische Hundegeschichte erst vor dem Hintergrund der Zeitgeschehnisse die Tiefe einer großen Menschengeschichte erreicht. Th. Mann schrieb die Bauschan-Novelle gegen Ende des Ersten Weltkrieges. Das Idyll war nach seinem Geständnis «...eine seelische, idyllisch-menschliche Reaktion auf die Zeit, ein Ausdruck einer durch Leiden und Erschütterungen erzeugten weichen Stimmung, des Bedürfnisses nach Liebe, Zärtlichkeit, Güte, auch nach Ruhe und Sinnigkeit» [15, S. 207]. Diese Reaktion lässt sich meiner Meinung nach unter dem Begriff «Kriegsmüdigkeit» zusammenfassen. Die Kriegsmüdigkeit während des Ersten Weltkrieges breitete sich bekanntlich nicht nur in den Armeen aus; eine massive Kriegsmüdigkeit entstand an der Heimatfront, wo sie «durch den zunehmenden Versorgungsmangel, lange Schlangen vor Lebensmittelgeschäften bei geringster Auswahl und die harte Arbeit in den Rüstungsfabriken geschürt wurde» [8]. Familie Mann musste damals «Hungers leiden», wie die Inschrift am 2001 in Gmund am Tegernsee eingeweihten Thomas-Mann-Denkmal besagt, das den Herrn mit seinem Hund darstellt [4, S. 10]. Während sich die einen nach Ablenkung und Unterhaltung sehnten, was z. B. dem UFA-Filmstudio
zum Aufschwung verhalf1, suchten die anderen - wie Th. Mann - «in der bewussten Abkehr von der Welt einen harmonischen Ausgleich zwischen sich und der Welt» [11]. Die Wiederherstellung der Harmonie findet der Ich-Erzähler dank seinen Spaziergängen mit Bauschan in jenem Revier nicht weit von seinem Haus im Münchener Herzogpark, den er nicht zufällig und nicht wegen der üppigen Natur einen «Zaubergarten» nennt:
Das ist kein Wald und kein Park, das ist ein Zaubergarten, nicht mehr und nicht weniger. Ich will das Wort vertreten, obwohl es sich im Grunde um eine karge eingeschränkte und zur Krüppelhaftigkeit geneigte Natur handelt, die mit ein paar einfachen botanischen Namen erschöpft und bezeichnet ist [9, S. 66] (Hervorhebung von mir. - E. K.).
Hier sucht der Ich-Erzähler nach seinem «verlorenen Paradies», und der Hund (kein Mensch (!) - und darum kommt das Anthropomorphisieren des Hundes nicht in Frage) erweist sich als «Türöffner zu einer bukolischen, intakten Naturwelt», wo er «seine Mitte findet, sein kann, wie er ist, bis ihn die Forderungen der Welt lauter und lauter werdend, an sein Pflichtgefühl erinnern» [11]. Das Ende der Novelle, wenn der Herr und sein Hund vom Spaziergang nach Hause zurückkehren, macht deutlich, dass der Zaubergarten als eine klare Abgrenzung zur Außenwelt konzipiert ist:
Oben vor der Haustür wende ich mich dann wohl noch einmal nach ihm um, und das ist das Zeichen für ihn, in zwei großen Sätzen über die Stufen zu mir heraufzuspringen und mit den Vorderpfoten an der Haustür hinaufzugehen, sich hoch daran aufzurichten, damit ich ihm zum Abschied die Schulter klopfe. „Morgen wieder, Bauschan", sage ich, , falls ich nicht in die Welt gehen muß" [9, S. 137]. (Hervorhebung von mir. - E. K.)
Auch in der parabelartigen Erzählung «Der Hund» (1952) von F. Dürrenmatt wird der Zweite Weltkrieg mit keinem Wort erwähnt. Ein Ich-Erzähler kommt in eine (nicht genannte) Stadt und begegnet dort auf einem Stadtplatz einem Bibel-Prediger. Später bemerkt er auch den Hund, der zu den Füßen des Predigers2 liegt. Tag für Tag folgt der IchErzähler dem Prediger in der labyrinthartigen Stadt, bis dieser ihn eines Tages in seinen Keller führt, wo der Prediger mit seiner erwachsenen Tochter lebt. Das Mädchen glaubt, dass der Ich-Erzähler sie vom Bösen
1 Vgl. dazu [13].
2 Sabine Obermaier bemerkt mit Verweis auf die Bibel [Lk 16: 21], dass im Mittelalter Hunde als Symbol der Prediger verstanden wurden (sieh «Teil I: Mittelalter» von Sabine Obermaier im gleichen Band).
befreit, sei das Böse der dominierende Vater oder der schreckliche Hund; und das Mädchen geht eine Beziehung mit dem Ich-Erzähler ein. Eines Tages finden sie im Keller den vom Hund zerfetzten Körper des Predigers, danach verschwinden das Tier und das Mädchen. Monate später sieht der Erzähler im Fenster das Mädchen, das den Hund wie ein gezähmtes Lamm an der Leine führt.
Durch wiederholte Hervorhebung, dass der Hund riesengroß und tiefschwarz ist sowie schwefelgelbe Augen und Zähne hat, entsteht das Bild eines höllischen Wesens:
...erstaunt darüber, daß ein so riesiges und entsetzliches Tier meine Aufmerksamkeit nicht auf der Stelle erregt hatte, denn es war von tiefschwarzer Farbe und glattem, schweißbedecktem Fell. Seine Augen waren schwefelgelb, und wie es das riesige Maul öffnete, bemerkte ich mit Grauen Zähne von ebenderselben Farbe, und seine Gestalt war so, daß ich sie mit keinem der lebenden Wesen vergleichen konnte" [2, S. 3]. (Hervorhebung von mir. - E. K.).
Einerseits verarbeitet hier F. Dürrenmatt sein Kindheitserlebnis, als er von einem wolfsartigen Hund, der ihn lange friedlich begleitet hat, angefallen und schwer verletzt wurde1. Andererseits lässt das groteske Bild des Hundes, der der Züge eines realen Tieres entbehrt, ihn als Sinnbild des Bösen verstehen. Auf das «höllische Wesen» des Hundes weist die Tatsache hin, dass er grade dann erscheint, wenn der Prediger öffentlich aus der Bibel zu lesen beginnt. Der Hund hat keinen Namen und kann deswegen nicht fortgeschickt werden [2, S. 6].
Darüber hinaus sei zu erwähnen, dass es mehrere ahistorische Parabeln im frühen Prosawerk von F. Dürrenmatt gibt («Der Alte», «Das Bild des Sysiphos»), deren Handlung sich als Anspielung auf die Verhältnisse im nationalsozialistischen Deutschland auslegen lässt. Dort betrachtet der Schriftsteller den zum Krieg führenden Fanatismus «nicht als gesellschaftliches Phänomen, sondern existenziell und somit als Resultat [...] einer dunklen Macht, die ihre Wurzel im Bösen selber hatte» (Hervorhebung von mir. - E. K.) [6, S. 27]. F. Dürrenmatt selbst bezeichnete diese Texte als «Ausdruck bürgerlicher Ohnmacht und bürgerlichen Entsetzens über den sich in der Nachbarschaft abzeichnenden Niedergang der abendländischen Kultur» [6, S. 27]. Aus diesem Grund halte ich es für berechtigt, den Hund nicht nur als Symbol des Bösen im
1 Vgl. dazu [1, p.16].
Allgemeinen, sondern auch als Allegorie eines ganz konkreten Weltkrieges zu betrachten.
Eine beachtenswerte Erklärung für die Gestalten des Predigers und des Mädchens schlägt Roger Alan Crockett in seiner Abhandlung «Understanding. Friedrich Dürrenmatt» (1998) vor. Er verweist auf zwei biografische Momente: Schon in seinen Jugendjahren lehnt F. Dürrenmatt die Religiosität seiner Eltern ab (F. Dürrenmatts Vater war ein Pfarrer). Auch später macht er nie ein Hehl aus seiner Abneigung gegen das organisierte Christentum. Der Prediger, der vom Hund zerfetzt wird, steht laut R. A. Crockett für den religiösen Vater. Sein grausamer Tod ist nicht nur F. Dürrenmatts literarische «Abrechnung» mit dem Vater. Er drückt auch seinen allgemeinen Pessimismus der Kirche gegenüber aus, die die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges nicht verhindern konnte.
Darüber hinaus gesteht F. Dürrenmatt im ersten Band der «Stoffe», dass er 1942 - 1943 eine Liaison mit einem französischen Mädchen hatte: «Die erste Liebesnacht. Wir lebten beide unbekümmert, die Umwelt war uns gleichgültig. Die Verbindungen nach Hause waren zwar nicht abgebrochen, doch ließ ich meine Eltern im Glauben, ich studiere, ohne sie über meine wirklichen Verhältnisse aufzuklären» [3, S. 313]. Diese Beziehung wirkte auf F. Dürrenmatt befreiend angesichts des Konfliktes mit dem Vater und der politischen Wirrnisse jener Zeit. Die erste Nacht des Ich-Erzählers mit dem Mädchen im Keller, der vom Prediger und seiner Tochter bewohnt wird, hat für die beiden denselben «liberating effect» [1, p. 16]:
Wir lagen beisammen unter der Erde, eingehüllt in ihre warme Dunkelheit, uns nicht mehr fürchtend, und von der Ecke her, wo der Mann auf seiner Matratze schlief, lautlos wie ein Toter, starrten uns die gelben Augen des Hundes an, runde Scheiben zweier schwefliger Monde, die unsere Liebe belauerten [2, S. 7]. (Hervorhebung von mir. - E. K.)
Auf solche Weise, so R. A. Crockett, fusionieren in «Der Hund» - in allegorischer Form - drei von F. Dürrenmatt zu verarbeitende Ereignisse: sein jugendlicher Protest gegen die Religiosität seines Vaters, die Affäre mit dem französischen Mädchen und der Hundeangriffin der Kindheit. Das Mädchen als Opfer des Predigers steht für F. Dürrenmatt selbst (als Opfer seines religiösen Vaters): «This role reversal allows the author the freedom to write the story, which would have been too transparent otherwise» [1, p. 16]. Das verwirrende Erzählungsende - das Mädchen führt den Hund wie ein gezähmtes Lamm an der Leine - lässt sich dann als
Durchsetzung von Dürrenmatts bejahender Lebenskraft verstehen1. Hier ist das Persönliche mit dem Gesellschaftlichen und Zeitkritischen noch evidenter verflochten als im Mannschen Idyll. Aber bei diesem Erzählungsende gibt es meines Erachtens weiteren Freiraum für die Interpretation, die über die Grenze des Persönlichen hinausgeht. Schließlich sind die frühen Erzählungen von F. Dürrenmatt («Der Hund», «Pilatus», «Der Tunnel») «Ausdruck der Zeit und im weiteren Sinne der künstlerischen Reaktion auf die Katastrophe des Krieges und eines Neubeginns, der sich zunächst jeder Orientierung beraubt sieht» (Hervorhebung von mir. - E. K.) [6, S. 29].
Das Böse, das der Hund darstellt, ist gezähmt, doch nicht aus der Welt geschafft:
den Bäumen entlang, schritt das Mädchen . und ihm zur Seite, ein dunkler Schatten, sanft und lautlos wie ein Lamm, ging der Hund mit gelben, runden, funkelnden Augen [2, S. 10]. (Hervorhebung von mir. - E. K.)
Wenn der Hund allegorisch für den Krieg steht, so war diese Katastrophe mit dem Ausgang des Zweiten Weltkrieges wirklich nur «gezähmt». Das Jahr 1946 markiert den Beginn des Kalten Krieges, der sich mit der Zeit durch die wachsende Drohung eines Atomkrieges zwischen Ost und West verschärft. Das Thema des nuklearen Konfliktes und dessen möglichen Auswirkungen begleitet F. Dürrenmatt in seinem Schaffen sein Leben lang. Eigentlich schon im Drama «Es steht geschrieben» (1946) beschreibt er die menschliche Geschichte als «Abfolge von sinnlosen Kriegen»2 [7, S. 22]. In dieser Hinsicht impliziert das rätselhafte Erzählungsende in «Der Hund» F. Dürrenmatts
1 Vgl. dazu: «The beast mangles the father - a final repudiation of his counterproductive withdrawal from the world into a religious cocoon - while Dürrenmatt's own passionate embrace of life in the world, as represented by erotic love, is vindicated» [1, p. 17].
2 Vgl. im „Es steht geschrieben" (1946): «Wir stehen erst in der Mitte der Weltgeschichte! Eben ist das dunkle Mittelalter zu Ende gegangen! Bedenkt, was wir noch zu schuften haben! Vor uns, in der neblichten Zukunft, liegt der ganze Dreißigjährige Krieg, der Erbfolgekrieg, der Siebenjährige Krieg, die Revolution, Napoleon, der Deutsch-Französische Krieg, der Erste Weltkrieg, Hitler, der Zweite Weltkrieg, die Atombombe, der dritte, vierte, fünfte, sechste, siebente, achte, neunte, zehnte, elfte, zwölfte Weltkrieg! Da sind Kinder nötig, meine Damen und Herren, da sind Leichen nötig!» (zit. nach [7, S. 22])
Zweifel an den friedensstiftenden Bemühungen der Menschen. Es lässt sich erwähnen, dass in den frühen Prosawerken F. Dürrenmatts noch die Hoffnung auf die (scheinbare) Befreiung des Menschen vom Bösen durchschimmert (der Hund ist gezähmt). «Je weiter sein Arbeiten fortschreitet, desto pessimistischer, chaotischer und nihilistischer wird die dargestellte Welt in seinen Dramen» [5].
Zusammenfassend lässt mich die Analyse von zwei Nachkriegstexten über Hunde folgende drei Thesen festhalten:
1) Das eine literarische Symbol (der Hund) ermöglicht dank der Vielfalt seiner ambivalenten Konnotationen beiden großen Literaten zwei differente Auseinandersetzungen mit ihren persönlichen Kriegserlebnissen.
Die Novelle von Th. Mann speist sich aus jenem «Bedeutungsbündel» dieses Sinnbildes, das im Metzler Lexikon literarischer Symbole (2008) als «Symbol der Treue» verzeichnet ist. Diese symbolische Eigenschaft des Hundes ist von der Antike 1 durch das Mittelalter2 in die Neuzeit gekommen. Sie ist tief im sprachlichen und kulturellen Bewusstsein verankert, wovon historisches und modernes Sprachmaterial zeugt, vgl.:
• Hundetreue; treu wie ein Hund sein;
• (hist.) An fremden Hunden und Kindern hat man das Brot verloren (= sie widerstehen fremden Verlockungen) [14].
Die Erzählung von F. Dürrenmatt konnotiert jene Symbolik des Hundes, die ihm Aggressivität und (zusammen mit dem Wolf) das Kriegerische zuschreibt. Auch diese Bedeutung kommt in moderner und historischer Idiomatik zum Vorschein, vgl.:
• schlafende Hunde wecken;
• (hist.) Auch einem frommen Hunde muss man die Hand nicht ins Maul stecken [14]; bösen Hunden weicht der Wolf aus [ibidem].
Die symbolischen Bedeutungen des «Hundes» basieren auf der binären Opposition von «Gut - Böse» (in konkreten Ausführungen: «Leben - Tod», «Frieden - Krieg», «Treue - Verrat» etc.), nach welcher auch erwartungsgemäß die Auseinandersetzung mit dem Krieg und dessen Folgen im Nachkriegsdiskurs organisiert werden kann.
1 Vgl.: Hund Argos erkennt Odysseus nach zwanzig Jahren Krieg und trotz der Verkleidung wieder [10, S. 165].
2 Sieh dazu «Teil I: Mittelalter» von Sabine Obermaier im gleichen Band.
2) Die Texte von Th. Mann und F. Dürrenmatt haben konzeptuell gesehen eine Gemeinsamkeit: Der Hund ist Begleiter eines Menschen in einem als mythisch konzipierten Ort. Bauschan ist der einzige Begleiter des Ich-Erzählers im idyllischen Zaubergarten, wo ihm nur der Hund dazu verhelfen kann, den Weg zu sich selbst zu finden. Wenn der Zaubergarten eine klare Abgrenzung zur Außenwelt darstellt, so ist das Labyrinth (die labyrinthartige Stadt) bei F. Dürrenmatt die Welt selbst. Der Mensch kann es nicht verlassen; sein ewiger «Begleiter» hier ist der Krieg.
3) Die beiden Schriftsteller «sprechen über Hunde», um ihre eigene Erschütterung über die Katastrophe des Krieges zu verarbeiten. Th. Mann sieht sein ganzes Werte- und Politiksystem durch den Ersten Weltkrieg zerstört; als Reaktion darauf hebt er die Eigenschaften des Hundes hervor, zu welchen Menschen nicht mehr fähig zu sein scheinen: Liebe, Zuneigung, Freundschaft, Anhänglichkeit, Treue. F. Dürrenmatt zweifelt an dem menschlichen Vermögen, das Böse zu bekämpfen. Der Krieg, allegorisiert durch ein «höllisches Wesen», ist eine zu gravierende Katastrophe für einen im Labyrinth des Lebens herumirrenden Menschen. Aber die Stimmung der Verunsicherung und der Verzweiflung, die Überzeugung in der Notwendigkeit der Kriegsverarbeitung konnten damals kaum nur persönlich sein. Th. Mann und F. Dürrenmatt sprachen aus der Seele jenen Menschen in Europa, die sowohl nach dem Ersten als auch nach dem Zweiten Weltkrieg vom «herrschenden Pessimismus» betroffen waren. Aus dieser Sicht erweist sich das literarische «Sprechen über Hunde» als «Handeln unter Menschen».
LITERATURVERZEICHNIS
1. Crockett A. R. Understanding. Friedrich Dürrenmatt. - University of South Carolina, 1998. - (Understanding modern European and Latin American literature). - 198 p.
2. Dürrenmatt F. Der Hund. Der Tunnel. Die Panne. Erzählungen. - Zürich : Diogenes, 1980. - 77 S.
3. Dürrenmatt F. Stoffe I-III. - Zürich : Diogenes, 1981. - 357 S.
4. Heißerer D. Im Zaubergarten. Thomas Mann in Bayern. - München : Beck, 2005. - 303 S.
5. Kerlein M. Entwicklungen in Friedrich Dürrenmatts dramatischem Werk. Untersuchungen zum Grotesken, zum 'mutigen Menschen', zum Zufall und zur 'schlimmstmöglichen Wendung' in Dürrenmatts Dramen. Magisterarbeit. -Universität Konstanz, 2007. - 81 S.
6. Knapp G. Friedrich Dürrenmatt. - Stuttgart-Weimar : Metzler, 1993. - 224 S.
7. Knopf J. Friedrich Dürrenmatt. - München : Beck, 1988. - 218 S.
8. Lexikon Erster Weltkrieg. - URL: http://www.lexikon-erster-weltkrieg.de/ Hauptseite
9. Mann T. Herr und Hund. - URL: https://archive.org/details/herrundhundgesan 00mannuoft
10. Metzler Lexikon literarischer Symbole / Hrsg. von G. Butzer und J. Jacob. -Stuttgart-Weimar : J. B. Metzler, 2008. - 443 S.
11. NüseD. Herr und Hund - Ein Mann in Nöten. - URL: https://eckersbestiarium. wordpress.com/2013/04/13/dominik-nuese-herr-und-hund-ein-mann-in-noten/
12. Schieweg L. S. Die Bürde der Geschichte. Der Untergang des Baedekerlandes im Werk von Thomas Pynchon. - Berlin : Lit Verlag, 2006. 347 S. - URL: https://books.google.de/booksid=xn6uf670HRYC&pg=PA196&lpg=PA196 &dq=L.+S.+Schieweg
13. UFA - INSPIRING ENTERTAINTMENT. - URL: http://www.ufa.de/ channels/spotlights/ufa_stars/ernst_lubitsch
14. Wander K. F. W. Deutsches Sprichwörter-Lexicon von Karl Friedrich Wilhelm Wader. - URL: http://woerterbuchnetz.de/Wander/
15. Wiegmann H. Die Erzählungen Thomas Manns. Interpretationen und Realien. -Bielefeld: Aisthesis Verlag, 1992. - 282 S.