Научная статья на тему 'Die Vollstreckung russischer gerichtsurteile in Deutschland'

Die Vollstreckung russischer gerichtsurteile in Deutschland Текст научной статьи по специальности «Языкознание и литературоведение»

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Текст научной работы на тему «Die Vollstreckung russischer gerichtsurteile in Deutschland»

DIE VOLLSTRECKUNG RUSSISCHER GERICHTSURTEILE IN DEUTSCHLAND

I Einleitung und Fragestellung

Der wirtschaftliche Wert einer materiellrechtlichen Forderung ist wesentlich durch die Erfolgsaussichten ihrer Beitreibung geprägt. Leistet der Schuldner nicht freiwillig, so ist der Weg zu den Gerichten zu gehen. Wenn der Kläger dort gegen den beklagten Schuldner obsiegt und einen rechtskräftigen Titel erstreitet, ist manchmal noch immer nichts gewonnen. Denn nicht jeder Schuldner leistet allein auf Grund des Titels. Dann bleibt dem Gläubiger nichts anderes übrig, als erneut staatliche Hilfe bei der Rechtsdurchsetzung in Anspruch zu nehmen und das Verfahren der Zwangsvollstreckung zu betreiben.

Uns soll hier ein besonderes Feld der Zwangsvollstreckung interessieren. Es geht um die Vollstreckung ausländischer — insbesondere russischer — Gerichtsentscheidungen in Deutschland. Die Frage der Zulässigkeit einer Vollstreckung ausländischer Urteile stellt sich aus Gläubigersicht insbesondere dann, wenn der Schuldner nur in einem fremden Land Vermögen hat, auf das die Vollstreckungsorgane des Urteilsstaates nicht zugreifen dürfen.

Nehmen wir zur Veranschaulichung an, der Kläger erstreitet in der Russischen Föderation ein rechtskräftiges Zahlungsurteil gegen den Beklagten, das auf Zahlung von 1 Million Rubel lautet. Bevor der Kläger Vollstreckungsmaßnahmen in Russland einleiten kann, wandert der Beklagte nach Deutschland aus und erwirbt dort ein Grundstück. Kann das Urteil des russischen Gerichts in Deutschland vollstreckt werden?

II. Rechtsquellen

1. Grundsatz

Die Zwangsvollstreckung wird durch Organe des Staates durchgeführt. Sie ist Ausfluss staatlicher Gewalt. Deshalb ist sie nur zulässig, wenn sie innerhalb der nationalen Grenzen stattfindet. Soll die Vollstreckung — wie hier — jenseits dieser Grenzen stattfinden, müssen die Organe des Staates angerufen werden, in dem die Vollstreckung stattfinden soll. Traditionell muss dort dem ausländischen Titel die Vollstreckbarkeit

Dr. Christoph Schreiber,

Institut für Wirtschafts- und Steuerrecht, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,

Deutschland

durch eine Vollstreckbarerklärung verliehen werden.

Vollstreckungsstaat ist vorliegend Deutschland. Für die Suche nach den Rechtsgrundlagen für die Zwangsvollstreckung ausländischer Entscheidungen in Deutschland ist entscheidend, um die Vollstreckung welches Urteils es geht, genauer: in welchem Staat dieses erlassen wurde. Bevor nämlich auf die Regelungen der deutschen Zivilprozessordnung (§§ 722 f. ZPO), nach denen ein Rechtsstreit um die Herstellung der Vollstreckbarkeit des ausländischen Urteils geführt werden muss, zurückgegriffen werden kann, bedarf es der Prüfung, ob Europäische Verordnungen oder Staatsverträge vorgehen. Es besteht der Grundsatz, dass diese im Rahmen ihrer Anwendbarkeit die autonomen Vorschriften verdrängen.

2. Europäisches Gemeinschaftsrecht

Im Verhältnis zu Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt ein gegenüber den §§ 722 f. ZPO wesentlich einfacheres Verfahren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 (sogenannte EuGVO oder Brüssel I-VO)1. Am Ende dieses sogenannten Vollstreckbarerklä-rungsverfahrens steht die Vollstreckbarerklärung in Form einer Vollstreckungsklausel, durch welche die Vollstreckbarkeit begründet wird. Die Einfachheit dieses Verfahrens ergibt sich insbesondere daraus, dass Anerkennungsvoraussetzungen erst in einem späteren Rechtsbehelfsverfahren geprüft werden, wenn dieses denn stattfindet. Doch die Vollstreckung innerhalb Europas ist sogar noch einfacher geworden.2 Denn am 21.10.2005 wurde ein bedeutsamer Systemwechsel im internationalen Zivilverfahrensrecht eingeleitet. Seitdem können solche Entscheidungen, die nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 804/2004 vom 21.4.2004

1 ABl. 2001, Nr. L 12, S. 1.

2 Zum Folgenden schon Schreiber, Die Haftung des Vollstreckungsgläubigers im internationalen Zivilrechtsverkehr, 2008, S. 121 ff. Die weiteren Nachweise verstehen sich exemplarisch.

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(sogenannte EuVTVO1) am 21.1.2005 ergangen sind, von den Gerichten des Ursprungsstaates als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden. Nach Art. 5 EuVTVO entfällt das Erfordernis der Vollstreckbarerklärung, wenn die Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist. Die Bedeutung des Europäischen Vollstreckungstitels ist zwar noch insofern eingeschränkt, als die Verordnung nur sogenannte unbestrittene Forderungen erfasst. Schon jetzt aber ist der Weg überschaubar, der in Brüssel eingeschlagen worden ist: Er soll nach drei Reformstufen, von denen die EuVTVO die erste darstellt, in der gänzlichen Abschaffung des Voll-streckbarerklärungsverfahrens enden.2

Einen weiteren Schritt in diese Richtung hat der europäische Gesetzgeber durch die Einführung des Europäischen Zahlungsbefehls getan. Am 31.12.2006 ist die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (sogenannte EuGMVVO3) zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens in Kraft getreten, deren wesentliche Bestimmungen seit dem 12.12.2008 gelten (Art. 33 EuMVVO). Der Gläubiger kann seitdem in einem vereinfachten Verfahren den Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls erreichen. Ist dieser im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar geworden, so bedarf es zu seiner Vollstreckung in den anderen Mitgliedstaaten keines weiteren Verfahrens.

In dieser Hinsicht konsequent ist auch das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen ausgestaltet, das durch die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11.7.2007 (sogenannte EuGFVO4) geschaffen wurde. Seit dem 1.1.2009 können Forderungen in Zivil- und Handelssachen mit einem Streitwert bis einschließlich 2.000 € in einem besonderen Verfahren geltend gemacht werden, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts hat. Ein in diesem Verfahren ergangenes Urteil wird gemäß Art. 20 Abs. 1 EuGFVO in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, ohne dass ein besonderes Verfahren zu durchlaufen wäre.

Schließlich sieht nun der derzeit diskutierte Vorschlag für eine Neufassung der EuGVO die Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsver-

1 ABl. 2004, Nr. L 143, S. 15.

2 Vgl. dazu das Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. 2001, Nr. C 12, S. 1, 7, 9.

3 ABl. 2006, Nr. L 399, S. 1.

4 ABl. 2007, Nr. L 199, S. 1.

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fahrens vor.5 Wird der Vorschlag angenommen, fällt das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung weg. Der Schutz des Schuldners soll alsdann im Vollstreckungsstaat durch besondere Rechtsbehelfe sichergestellt werden.6

Zur herkömmlichen Vollstreckung jenseits der nationalen Grenzen bestehen schon jetzt für den europäischen Vollstreckungstitel grundlegende Unterschiede: Die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel verleiht dem ursprünglichen Titel Vollstreckungswirkung in den EU-Mitgliedstaaten. Der bestätigte Titel wird im Vollstreckungsstaat geradewegs wie ein inländischer vollstreckt (vgl. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 EuVTVO). Ausschließlich das Gericht des Staates, in dem die Entscheidung in der Hauptsache getroffen wurde, beurteilt die Voraussetzungen für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel. Die Organe nur dieses Staates entscheiden also darüber, ob sich die Vollstreckungswirkung auf andere Staaten erstreckt. Die Gerichte des Staates, in dem vollstreckt werden soll, sind in die Entscheidung nicht miteinbezogen. Sie schaffen auch nicht länger die Vollstreckungsgrundlage: Grundlage der Vollstreckung ist mangels des Erfordernisses einer Vollstreckbarerklärung der Europäische Vollstreckungstitel selbst.

3. Staatsverträge

Vereinfachte Verfahren können auch auf Staatsverträgen beruhen, welche die Vollstreckung zum Gegenstand haben. Solche gibt es zwar in reicher Zahl, ihre Bedeutung hat aber abgenommen, weil die meisten dieser Übereinkommen durch die EuGVO ersetzt wurden (vgl. § 69 Eu-GVO). Wichtig sind aber noch immer die bilateralen Übereinkommen Deutschlands etwa mit Tunesien und mit Israel. Gar keine Vollstreckungsübereinkommen hat die Bundesrepublik aber geschlossen mit den USA, Kanada und — das soll uns hier interessieren — der Russischen Föderation.

4. Autonomes deutsches Recht

Im Verhältnis zu Russland ist demnach auf §§ 722 f. ZPO zurückzugreifen. Im Folgenden soll es deshalb um die Vollstreckungsklage im Sinne dieser Vorschriften gehen.

III. Vollstreckungsklage gemäß §§ 722 f. ZPO

1. Allgemeines

Die Vollstreckungsklage gemäß §§ 722 f. ZPO ist eine prozessuale Gestaltungsklage. Sie ist darauf gerichtet, dem ausländischen Titel die Voll-

5 KOM (2010) 748 endg.

6 Dazu im Einzelnen Wagner/Beckmann, Recht der internationalen Wirtschaft (RIW) 2011, 44.

streckbarkeit zu verleihen. Hat die Klage Erfolg, so wird — wie § 722 Abs. 1 ZPO es formuliert — die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung durch Urteil ausgesprochen. Grundlage der Zwangsvollstreckung ist dann allein das von dem deutschen Gericht erlassene Vollstreckungsurteil.1

2. Keine Prüfung der Gesetzmäßigkeit

Die Voraussetzungen, unter denen das Vollstreckungsurteil erlassen wird, ergeben sich aus § 723 ZPO. Danach ist das Urteil ohne Prüfung der Gesetzmäßigkeit zu erlassen (sogenanntes Verbot der „révision au fond"). Das bedeutet, dass das deutsche Gericht nicht überprüft, ob der Anspruch, den das ausländische Gericht dem jetzigen Kläger zugesprochen hat, auch tatsächlich besteht. Eine materiellrechtliche Prüfung findet gerade nicht statt. Das Urteil des ausländischen Gerichts muss aber zwingend nach dem dort geltenden Recht rechtskräftig sein. Ansonsten hat die Klage keinen Erfolg.

Schwieriger ist die weitere negative Voraussetzung zu handhaben: Das Urteil ist gemäß § 722 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht zu erlassen, wenn die Anerkennung des Urteils nach § 328 ZPO ausgeschlossen ist.

3. Keine Anerkennungshindernisse, insbesondere: Verbürgung der Gegenseitigkeit

Anders gesprochen hat die Klage nur Erfolg, wenn ihr keine Anerkennungshindernisse entgegenstehen. Diese sind in § 328 ZPO geregelt. Die Vorschrift lautet in ihrem Absatz 1 wie folgt:

„Die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen:

1. wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind;

2. wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte;

3. wenn das Urteil mit einem hier erlassenen oder einem anzuerkennenden früheren ausländischen Urteil oder wenn das ihm zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist;

4. wenn die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist;

5. wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist."

Zu den Nummern 1 bis 4 in aller Kürze:

Die Nr. 1 bezieht sich auf die internationale Zuständigkeit. Das ausländische Gericht muss bei Zugrundelegung der deutschen Gesetze international zuständig gewesen sein.

An die Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs knüpft Nr. 2 ein Anerkennungshindernis, das durch Zustellungsfehler ausgelöst wird.

Nr. 3 regelt die Auswirkungen unvereinbarer Entscheidungen und Nr. 4 schreibt vor, dass ein Verstoß gegen den „ordre public" der Anerkennung entgegensteht.

Im Verhältnis zur Russischen Föderation ist vor allem die Nr. 5 von besonderer Bedeutung. Danach muss die Gegenseitigkeit verbürgt sein. Das bedeutet, dass Deutschland eine ausländische Entscheidung nur dann anerkennt, wenn auch der Urteilsstaat die deutschen Urteile anerkennt. Diese Vorschrift ist politisch motiviert. Durch sie soll vor allem erreicht werden, dass ausländische Staaten, die an einem reibungslosen Rechtsverkehr mit der Bundesrepublik interessiert sind, in Verhandlungen eintreten.2 In der Praxis hingegen stellt sich dieses Erfordernis für den Kläger häufig als Stolperstein dar. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Verbürgung der Gegenseitigkeit.3 Existiert wie so häufig im Urteilsstaat noch keine klare Rechtsprechungslinie zur Anerkennung deutscher Urteile, so wird ihm der Beweis nicht gelingen. Zwar fordert der Bundesgerichtshof nur, dass „das beiderseitige Anerkennungsrecht und die Anerkennungspraxis bei einer Gesamtwürdigung im wesentlichen gleichwertige Bedingungen für die Vollstreckung eines Urteils gleicher Art im Ausland" schafft.4 Ein kleinlicher oder formaler Maßstab sei nicht anzuwenden.5 Dennoch sind die Schwierigkeiten nicht von der Hand zu weisen und § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist ständiger rechtspolitischer Kritik ausgesetzt. Diese hat auch damit zu tun, dass eine Pattsituation eintreten kann. So kann der eine Staat die Verbürgung der Gegenseitigkeit nur bejahen, wenn aus Sicht des

1 So der Bundesgerichtshof (BGH), Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1992, 3096, 3097.

2 Gottwald, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 113 mit weiteren Nachweisen; deutlich Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 1961, S. 137: „Wir wollen unsere Anerkennung nicht verschenken"; zitiert auch von Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2006, § 60 IV 6.

3 BGH NJW 1999, 3198, 3202.

4 BGH NJW 1999, 3198, 3201.

5 BGH nJW 1964, 2350, 2351.

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anderen Staates ebenfalls die Gegenseitigkeit verbürgt ist und er deshalb die Urteile des einen Staates anerkennt. Macht niemand den ersten Schritt, kann es so gesehen nie zur Verbürgung der Gegenseitigkeit kommen.1 Dem wird dadurch entgegen getreten, dass man jedenfalls keine vorherige Verbürgung verlangt, sondern bereits die Anerkennungsbereitschaft ausreicht.2

Die Problematik zeigt sich derzeit im Verhältnis zur Russischen Föderation in besonderem Maße. Hierzulande herrscht in der Literatur Uneinigkeit, ob die Gegenseitigkeit verbürgt ist, ob also deutsche Urteile in Russland anerkannt werden, so dass hier in Deutschland russische Urteile ebenfalls anzuerkennen sind. Manche sprechen sich dafür aus, andere legen sich nicht fest, wieder andere verneinen die Frage.3 Deutsche Rechtsprechung ist dazu bisher soweit ersichtlich nicht vorhanden. Noch einmal: Leidtragender ist im Zweifel der Kläger. Dieser kann indessen hoffen: Wie es scheint, entwickelt sich die Praxis der russischen Judikatur in eine anerkennungsfreundliche Richtung, die möglicherweise dazu führen wird, dass auch deutsche Urteile anerkannt werden. So hat das Oberste Wirtschaftsgericht der Russischen Föderation mit Beschluss vom 7.12.20114 ein niederländisches Zivilurteil anerkannt. Es beruft sich auf „Art. 241 der Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation, Art. 15 Abs. 4 der Verfassung der Russischen Föderation, den allgemein anerkannten Grundsatz der völkerrechtlichen Höflichkeit, der den Staaten vorschreibt, sich gegenüber ausländischen Rechtsordnungen höflich und zuvorkommend zu verhalten, sowie (auf) das Prinzip der Gegenseitigkeit, das beinhaltet, dass Gerichte verschiedener Staaten die Ergebnisse ihrer Tätigkeit gegenseitig anerkennen, sowie (auf) die von der Russischen Föderation abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge (das Partnerschaftsabkommen zwischen Russland und der EU; Art. 6 EMRK)". Dass ein bilaterales Vollstreckungsabkommen zu den Niederlanden nicht bestehe, sei unschädlich. — Ob die vom Gericht angeführten Rechtsgrundlagen die Entscheidung tragen, kann und soll von hier aus nicht beurteilt werden. Die

Entscheidung wird in Deutschland jedenfalls als wichtiger Schritt hin zur Verbürgung der Gegenseitigkeit verstanden.5 Gleichwohl ist der Weg dorthin noch lang und steinig, hat doch das Oberste Zivilgericht Russlands kürzlich zwei deutsche Gerichtsentscheidungen in Familiensachen nicht anerkannt.6

Auch das Oberste Wirtschaftsgericht selbst weist darauf hin, dass die Instanzgerichte im konkreten Fall Belege für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen russischer Gerichte in den Niederlanden angeführt hätten. Dies dürfte für Deutschland nicht möglich sein, da Rechtsprechung soweit ersichtlich nicht vorliegt. Darin zeigt sich erneut, wie wichtig es für die Anerkennung ist, dass die Gerichte des einen Staates nicht auf der vorherigen Verbürgung der Gegenseitigkeit in dem anderen Staat beharren.

IV. Fazit

Für den Kläger aus dem eingangs angeführten Beispiel bedeutet das: Das russische Urteil selbst kann er in Deutschland nicht vollstrecken. Ein vereinfachtes Verfahren nach Maßgabe des Europäischen Rechts oder auf Grund eines Staatsvertrages ist ihm verwehrt. Es steht ihm aber die Möglichkeit offen, Vollstreckungsklage gemäß §§ 722 f. ZPO zu erheben und im Erfolgsfall die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsurteil in Deutschland zu betreiben. Um mit der Vollstreckungsklage Erfolg zu haben, muss er allerdings insbesondere die Verbürgung der Gegenseitigkeit darlegen und beweisen. Auf die dargestellte Entscheidung des Obersten Wirtschaftsgerichts wird er im Rechtsstreit hinweisen — allerdings: Ob das mit der Sache befasste deutsche Gericht dies ausreichen lassen wird, bleibt in Anbetracht der widerstreitenden Rechtsprechung des Obersten Zivilgerichts und mangels deutscher Judikatur hierzu noch im Dunkeln. Die Entwicklung der die Anerkennung betreffenden Rechtsprechung sowohl in Russland als auch in Deutschland wird letztlich abzuwarten sein. Dem Kläger verbleibt vorerst nur die Hoffnung auf eine anerkennungsfreundliche Handhabe durch die russischen und deutschen Gerichte.

1 Kropholler, § 60 IV 6.

2 In diesem Sinne das Kammergericht (KG) Zeitschrift für Schiedsverfahren (SchiedsVZ) 2007, 100; vgl. auch die Rechtsprechung in der Schweiz, Zivilgericht Basel-Stadt Basler Juristische Mitteilungen (BJM) 1966, 253, 254; Kropholler, § 60 IV 6.

3 Nachweise bei Kopylov, Praxis des Internationalen Privat-und Verfahrensrechts (IPRax) 2011, 195, 197.

4 Az. VAS 13688/09, IPRax 2011, 194. Hierzulande wird dieses Gericht auch Arbitragegericht oder Handelsgericht genannt, IPRax 2011, 194 Fn. 1.

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5 Kopylov, IPRax 2011, 195, 196.

6 Beschluss vom 3.11.2009, Az. N 5-G09-112; Beschluss vom 1.12.2009, Az. N 4-G09-27 (zitiert nach Kopylov, IPRax 2011, 195, 197 Fn. 37).

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